FYI.

This story is over 5 years old.

Popkultur

‚The Big Lebowski’ hat diesem Typen das Leben gerettet

Will Russell war depressiv, obdachlos und hatte kein Glück im Leben, bis er auf die Idee kam, ein Festival für Big-Lebowski-Fans zu gründen. Seitdem geht es nur noch aufwärts.

Alle Fotos mit freundlicher Genehmigung von Will Russell.

Egal wie man es dreht und wendet, eigentlich sollte Will Russell schon tot sein. Vor 20 Jahren war Russell obdachlos und einsam. Sieben Jahre später machte er so tiefe Depressionen durch, dass er es kaum durch den Alltag schaffte. „Mein zweiter Vorname war Tiefpunkt", sagte er mir. „Ich war am Tiefpunkt. Ich lebte acht Jahre lang von 551 Dollar monatlich. Ich arbeitete in einer Arbeitsnische, bekam Beihilfe für Berufsunfähigkeit, ich war total fett und ich weinte jeden Tag."

Anzeige

Doch 2002 brachte eine große Änderung. Russell arbeitete auf einer Tattoo-Convention und fing aus Langeweile an, Zitate aus The Big Lebowski vorzutragen. Eine Menge Leute stimmten lachend mit ihren eigenen Zitaten ein. Der Anblick so vieler Menschen, die den Film genau so gerne mochten wie er, brachte ihn auf eine Idee: Was, wenn es eine Veranstaltung gäbe, bei der Achiever (Lebowski-Fans) zusammenkommen und den Film feiern könnten? Das Lebowski Fest war geboren.

Sehr zu Russells Überraschung erfreute sich das Festival sofort großer Beliebtheit. Er und seine Freunde erwarteten vielleicht 20 „Dudes", doch ihre Besucherzahl war stattdessen dreistellig. Die Zeitschrift Spin nahm die Veranstaltung in ihre Liste von „19 Events, die du diesen Sommer nicht verpassen solltest" auf. Dort stand es, schwarz auf weiß neben Lollapalooza und Snoop Dogg: „Bowl with Jesus". Russells Leben war nie wieder so wie vorher.

In den letzten 13 Jahren hat Russell in allen 50 Staaten der USA Achiever zusammengebracht. Er hat die Welt bereist, ist Mitautor eines Buchs ( I'm a Lebowski, You're a Lebowski), diente als Inspiration für eine Doku (The Achievers) und hat die Entstehung einer neuen Religion gefördert (Dudeismus, a.k.a. Kirche des Dudes der Letzten Tage). Ich habe mich mit Russell unterhalten, um herauszufinden, was er in letzter Zeit so treibt: Er geht mit seiner Depression um, lernt, wie man ein Vater ist und baut seit Neuestem auch noch einen Themenpark.

Anzeige

VICE: Hast du dir jemals vorgestellt, dass das Lebowski Fest so beliebt werden würde, als du damit anfingst?
Will Russell: Nein, kein bisschen. Wir haben das Ganze eigentlich als Witz angefangen. Ich wusste von der Bowlingbahn, weil ich bei den Anonymen Alkoholikern zu einem Organisationskomitee gehörte und wir die Bowlingbahn für eine Benefizveranstaltung für Veteranen gemietet hatten. Sie wurde von Baptisten betrieben und an der Tür hingen all diese Schilder, auf denen Zeug stand wie: „Kein Fluchen, kein Trinken, alle Konfessionen willkommen für Kameradschaft und christliches Bowling." Auf einem anderen Schild stand: „Bitte alle Schilder lesen."

Es kostete etwa 300 Dollar, das ganze Ding zu mieten. Für unbegrenztes Bowling—die Bowling-Party ist der Kern jedes Lebowski Fests. Als wir die Idee hatten, sagten wir: „OK, wäre es nicht cool, wenn 20 Leute, die wir kennen, aufkreuzen?" Ich glaube, wir verlangten 7 Dollar pro Person. Zu unserem Entzücken kamen 150 Leute. Einhundert und fünfzig. Ich konnte es nicht fassen.

Und nach dem ersten Fest wurde es nur noch größer.
Genau, wir dachten zuerst „einmal und nie wieder", doch im nächsten Jahr hielten wir das Festival in einer anderen, viel größeren Bowlingbahn ab—sie hatte Kapazität für 700 und wir konnten White Russians servieren und fluchen! Wir verlegten die Filmvorführung in ein richtiges Kino und wir kontaktierten Jeff Dowd, auf dem die Figur des „Dude" sehr vage basiert. Sehr vage—vielleicht nur im Hinblick auf den Namen, und ein klein wenig die Körpersprache.

Anzeige

Es war also Juni, so einen Monat vor dem zweiten Lebowski Fest. Doch wir waren verdammte Amateure, wir hatten keine Ahnung, was wir da taten. Und dann rief mich Scott [Shepid] an und sagte: „Dude. Du wirst das hier nicht glauben. Wir sind in der neuesten Ausgabe von Spin." Ich sagte: „Was meinst du?" „Dude. Auf dem Cover steht ‚Der Sommer-Event-Guide — 19 Events, die du nicht verpassen solltet'." Da steht Lollapalooza, da steht die Christina-Aguilera-Tour, und dann Big Lebowski Irgendwasfest. Und auf einmal brach dieser Sturm aus Aufmerksamkeit und Interesse über uns herein und unsere Tickets waren in etwa zwei Stunden ausverkauft.

Inwiefern hat das dein Leben geändert?
Dieser Artikel kam heraus und ich gelangte an den Punkt, an dem ich sagen konnte: „Nehmt diesen Job und schiebt ihn euch in den Arsch! Ich gehe da raus und arbeite für mich selbst und ich werde für das Lebowski Fest alles geben." Ich gab alles, was ich zu geben hatte—und es funktionierte.

VIDEO: Zwei Jungs haben einen Indiana Jones-Film Szene für Szene nachgedreht. Wir haben sie beim Abschluss ihres Lebenswerks begleitet.

Es klingt so, als habe das Lebowski Fest dir das Leben gerettet, doch ich bin mir sicher, es hat auch eine Menge anderer Leute gerettet. Andere Leute, die sich auf ähnliche Weise wie Ausgestoßene fühlten und die dann eine Kultur und eine Gemeinschaft fanden, die sie akzeptiert.
Nun, die Achiever sind die großartigsten Menschen, die ich jemals kennengelernt habe. Es ist so eine große Ehre und ein absolutes Privileg, einer solchen Veranstaltung vorzustehen, verschiedene Städte in den ganzen USA und sogar in Übersee zu besuchen und Leute kennenzulernen, die so sind wie ich—die mich verstehen. Sie haben sich machtlos und ausgeschlossen gefühlt und jetzt sind wir eine Familie. Wir sind ein Stamm, wenn du so willst. Zum Beispiel gingen wir gestern Abend zu diesem Typen nach Hause, der beim Fest den Preis als „Bester Walter" gewonnen hat. Er betreibt eine Brauerei. Sein Logo ist der Dude oder so. Und er ist so verdammt nett. Es ist einfach so … Scheiße, Mann, die Achiever sind einfach so verdammt nett.

Anzeige

Ich als Festivalbesucherin bin zum Teil deswegen immer wieder gekommen, weil ich immer netten Fremden begegne, die mich willkommen heißen und sagen: „Komm mit uns bowlen. Tun wir's einfach!" Ich habe das so noch nirgends erlebt.
Ja, auf dem Lebowski Fest wirst du automatisch akzeptiert. Sagen wir, du gehst zu Radiohead. Da blicken Tausende Menschen auf fünf Personen—aber beim Lebowski Fest ist es überhaupt nicht so. Deswegen ist es uns auch egal, ob große Schauspieler kommen.

Ich lebe in einer Welt der großartigen Dinge: Ich habe das Lebowski Fest, ich habe Unterstützung, ich habe Menschen um mich.

Lass uns ein wenig über Funtown Mountain sprechen, dein neues Themenpark-Projekt. Wie kommt ein normaler Typ dazu, einfach einen Themenpark zu kaufen?
Also, als Erstes würde ich sagen, dass ich kaum als „normaler Typ" eingeordnet werden kann. Ich habe viele Sachen getan, die nicht normal sind. Aber vor drei Jahren war ich in Cave City, Kentucky. Ich liebe Cave City—es gibt da diesen großartigen Nationalpark, angeblich ist es sogar einer der größten der Welt. Sie haben da eine Gegend namens Cave City, wo lauter Souvenirläden und Attraktionen sind. Es gibt einen Teil mit Dinosauriern, Minigolf, Schlitten, Pferden und das WigWam Village, eine der ältesten Herbergen für Reisende in den gesamten Staaten. Und es ist wunderschön. Es ist magisch. Also ging ich vor drei Jahren mit einer Gruppe Leute dorthin. Wir liefen einfach nur herum, und dann drehte sich mein Freund zu mir und sagte: „Hey, Will, hast du gesehen, dass sie diesen einen Teil davon verkaufen?" Und da war es um mich geschehen.

Anzeige

In diesem Augenblick entschied ich, dass ich meinen Traum, eine Touristenattraktion zu besitzen, erfüllen würde. Und dass dies meine einzige Chance war. Cave City ist einer meiner absoluten Lieblingsorte auf der ganzen Welt; es ist so inspirierend. Und dann hatte ich die Idee von einem Mount Rushmore in Kentucky und dachte: „Perfekt. Dinosaur World hat das nötige Land. Wir werden dieses riesige Denkmal bauen."

Also setzte ich einen Geschäftsplan auf. Wir hatten die Finanzierung und waren kurz davor zu kaufen, als ich eine Frau namens Kate kennenlernte. In einer Höhle. Bei einem Konzert. Und sie liebte Cave City auch und ich ging mit ihr dorthin. Nur einen Monat später saßen wir in einem Sessellift in der Wildwest-Attraktion und ich machte ihr einen Heiratsantrag.

Oh, wow! Was hat sie gesagt?
Sie hat ja gesagt. Sie zog im folgenden Monat mit ihren Katzen bei mir ein und kündigte ihre Arbeit und nach vier Monaten war sie schwanger. Also sagte ich: „OK, ich sollte wahrscheinlich nicht gerade jetzt diesen riskanten 5-Millionen-Dollar-Plan mit der Touristenattraktion durchführen. Ich muss meine Flippermaschine und meinen Roller verkaufen und ein Vater werden." Also tat ich das und legte das Projekt auf Eis. Und ich hatte unbeschreibliche Angst. Hast du Kinder?

Nein, nein, ich habe keine Kinder.
OK, also, es ist furchterregend. Und wundervoll. Plötzlich war da dieses kleine Mädchen und nichts war mehr so wie vorher. Nicht einmal ansatzweise.

Anzeige

Ich lebe also in dieser Welt der großartigen Dinge: Ich habe das Lebowski Fest, ich habe Läden, ich habe Unterstützung, ich habe Menschen um mich. All das gibt es auf dem Planeten Will. Dann gibt es diesen anderen Planeten in einem anderen Sonnensystem, der viel größer und besser und wunderbarer ist, und das ist der Planet Stella. Sie ist zu so viel Großem bestimmt. Und alles, was ich habe, gehört jetzt ihr—wenn sie alt genug ist, wird ihr das Lebowski Fest gehören und sie wird Besitzerin eines Vergnügungsparks namens Funtown Mountain sein.

Es ging also nur noch aufwärts mit dir?
Letztes Jahr, also 2014, wurde bei mir im Januar melancholische Depression diagnostiziert. Das ist eine Depression, die so tief ist, dass Medikamente dagegen nicht ankommen. Ich habe verschiedene Medikamente ausprobiert, gleichzeitig, und nichts davon richtete das Geringste dagegen aus. Neun Monate später musste ich ins Krankenhaus eingewiesen werden; ich konnte keine Gesichter mehr erkennen.

Sie sagten mir [im Krankenhaus]: „Nun, Sie haben Gehirnschwund erlitten und ihr Gehirn fährt sich im Grunde genommen herunter. Wenn wir nicht sofort handeln, werden Sie niemandem mehr irgendwas nutzen können. Ihr Geschäft wird scheitern und ihre Tochter wird keinen Vater haben." Also sagte ich: „OK, welche Optionen habe ich?" und sie antworteten: „Elektroschocktherapie." Sie brachten mich also dorthin und es war das Beängstigendste, was ich jemals in meinem ganzen Leben getan hatte. Sie hängten mich an diese Elektroden und schossen mir Strom in den Körper, sodass es mich vom Tisch zurückwarf. Sie gaben mir neun Mal in einer Woche sechzig Sekunden lang Schocks. Es funktionierte!

Im November ging ich zurück nach Cave City. Ich war wieder voller Leben und hatte Appetit und konnte wieder lieben. Ich ging zu den Höhlen und sah, dass alles geschlossen war. Ich sagte mir: „Fuck, wenn niemand etwas unternimmt, dann ist es in zehn Jahren weg und Stella verdient keinen Cent daran."

Was hast du dann gemacht?
Ich sah mich um und das Einzige, das es dort gab, war ich. Ich erinnerte mich daran, dass man mir ein Jahr zuvor Guntown Mountain [die Wildwest-Attraktion, in der ich Kate den Antrag machte] zum Kauf angeboten hatte. Ich hatte damals gesagt: „Auf keinen Fall." Ich war damals so überwältigt von allem und stand so neben mir. Also rief ich meinen Makler an und sagte: „Dude, was ist mit Guntown Mountain?" Er sagte, er würde es sich mal ansehen. Und dann sagte ich: „Hey, weißt du was? Wie wär's denn mit Funtown Mountain?" Es gibt dort dieses kleine Lokal für Konzerte. Wir könnten Will Oldham hier spielen lassen. Wir könnten Bands aus großen Städten wie Nashville und Louisville herholen.

Dann sagte er: „Also, jemand hat es schon gekauft und will es nicht verkaufen. Das wird soundsoviel kosten. Aber dafür gibt es noch das Haunted Hotel dazu." Und ich sagte: „Verdammte Scheiße, das ist meine absolutes Lieblingsgruselkabinett." Der Makler meinte außerdem, es gäbe einen Geschenkladen, und ich sagte: „OK, Einzelhandel ist einfach. So bringen wir Geld in die Kassen."

Ich fing an, lauter Ideen zu sammeln, und 60 Tage später hatten wir einen Geschäftsplan. Wir hatten einen Termin mit dem Tourismusamt, um ihnen unseren Plan vorzustellen und Fördergelder vom Staat zu bekommen. Wir hatten eine Facebook-Gruppe, die in etwas mehr als zwei Monaten mehr als 40.000 Likes ansammelte. Ich fing wirklich mit nichts an und heute habe ich alles.