FYI.

This story is over 5 years old.

Sex

The Human Centipede II : (nicht nur) cineastischer Durchfall

„Wenn dir jemand ein Arschloch an den Mund näht, heulst du wahrscheinlich."
VICE logo

Im vergangenen Jahr setzte der erste Teil von The Human Centipede einige Gerüchte in die Welt, die mutigerweise behaupteten, alles wäre „100% medizinisch korrekt". Falls ihr den Film nicht gesehen habt oder keine Ahnung habt, worum es geht: Ein deutscher abgeschieden lebender Wissenschaftler entführt drei Touristen, führt an ihnen Operationen durch und erschafft das hier, einen menschlichen Tausendfüßler:

Anzeige

Das war auf viele Arten ziemlich krank. Die Fortsetzung, The Human Centipede II (Full Sequence), ist nach ewigen Verhandlungen mit der pingeligen britischen Filmbehörde gerade in Großbritannien veröffentlicht worden. Wann der Film nach Deutschland kommt, ist noch unklar. Ausgehend von Pressetexten, Plakaten und Interviews, auf die man stößt, wird der Film immer unterschiedlich als „100% medizinisch korrekt/ falsch" bezeichnet, so dass sich einige fragen, ob der Regisseur Tom Six den Realismus in seinem Film überhaupt noch ernst nimmt.

Um die Sache aufzuklären, haben wir uns den Film mit einem Experten angeschaut und uns ein Urteil liefern lassen. Hiermit stellen wir euch Dr. Philip Coakley vor. Ja genau, unser ureigener Dr. Phil.

Dr. Phil ist ein echter Arzt in einem echten Krankenhaus und spezialisiert sich derzeit unter anderem auf Gastroenterologie und das System der Atemwege. Das deckt so ziemlich alle Grundlagen für ein Mund-zu-Arsch-Szenario ab. (Wir wissen übrigens nicht, warum sein Hemd zerrissen war. Als wir ihn danach fragten, sagt er, es wäre ein „Freizeitshirt".)
 
Der Film beginnt mit einem seltsam aussehenden Wachmann, der sich das Ende des ersten Film auf irgendeinem Parkplatz in Großbritannien ansieht. An der Stelle steigt Dr. Phil damit ein, seinen Standpunkt darzulegen. Dr. Phil: Ich will erstmal klarstellen, dass ich den ersten Film nicht gesehen habe, aber ich habe ein paar Nachforschungen darüber angestellt. An und für sich würde es mit dem ursprünglichen Verfahren—einer Mund-zu-Arsch-Verbindung—allerhand Probleme geben. Vorausgesetzt es ist ein luftdichter Verschluss, wäre der natürliche Instinkt zu schlucken, was auch immer man im Mund hat, aber wenn euch irgendjemand in den Mund scheißt, ist es sehr wahrscheinlich, dass ihr es wieder auskotzen würdet. Das Erbrochene könnte nirgendwo hin auslaufen und ein Teil davon würde wahrscheinlich eingeatmet. In diesem Fall könntet ihr sofort ersticken oder aber relativ schnell an einer Lungenentzündung sterben. Außerdem gehe ich davon aus, dass sie es schaffen durch ihre Nase zu atmen. Wenn ihr heult, verstopft das eure Nasen, also könnt ihr nicht mehr atmen. Wenn dir jemand ein Arschloch an den Mund näht, heulst du wahrscheinlich. Selbst mit einer Erkältung kann man oft nicht wirklich durch eine total verstopfte Nase atmen. VICE: Ich habe eine verstopfte Nase.
Dann pass auf, dass dein Mund nicht an einen Anus angenäht wird. Mach ich.

Anzeige

Während wir uns den Film ansahen, wurde klar, dass dieser seltsame kleine Mann vollkommen vom ersten Teil besessen war und dass diese Besessenheit wahrscheinlich die Rechtfertigung dafür sein würde, die unglücklichen Seelen aus dem ersten Film genau den gleichen kranken Scheiß im zweitem Teil von vorne durchleben zu lassen. Er hatte zum Beispiel ein Sammelbuch, aber anstatt es mit Bildern von Justin Biber und Robert Pattinson zu füllen, war es voll mit medizinischen Aufzeichnungen und psychischen Krankheiten. An diesem Punkt schien Dr. Phil besorgt über das Erscheinungsbild dieses Mannes zu werden.

Dr.Phil: Er sieht aus, als hätte er irgendein Syndrom. Die Stammfettsucht, die hervorquellenden Augen, die Form des Gesichts. Glotzaugen, wenn die Augen sich nach außen wölben, kommen bei bestimmten Krankheiten vor. Das Mondgesicht, seine Kleinwüchsigkeit … er könnte das Cushing-Syndrom haben. Angenommen, es war sein Schicksal, so auszusehen, bekräftigt das wirklich das Stereotyp, dass anders aussehende Menschen seltsam und möglicherweise gefährlich sind. Dass er eine Art Syndrom hat, macht es aber natürlich nicht wahrscheinlicher, dass er ein Killer ist. Trotzdem löst es ein Gefühl der Entfremdung aus, das zu psychologischen Problemen wie Psychosen führen kann.

Getreu Dr. Phils Diagnose tötete dieser komisch aussehende Kerl—dessen Name sich als Martin herausstellte—bald überall Menschen. Das erste dramatische Blutvergießen brachte uns zu dem ersten umstürzenden Argument (da gab es viele):

Anzeige

Dr. Phil: Geht man nach dem Schuss in den Oberschenkel von der Menge des ausströmenden Bluts aus, sieht es aus, als hätte er eine Arterie erwischt.

VICE: Also, wie lang hätte sie noch zu leben?
Minuten.

Demnach sollte sie jetzt nicht mehr am Leben sein.
Sie wäre zumindest bewusstlos. Man gerät in einen Schockzustand und verliert das Bewusstsein, nachdem man ungefähr einen Liter Blut verloren hat, weil dann die Hirndurchblutung eingeschränkt wird.
Ohne einen Druckverband stirbt man in etwa einer halben Stunde.

Was ist mit dem Typen?
Er hat dem Kopf von diesem Typen einen heftigen Schlag versetzt. Die Frage ist, war es ein tödlicher Schlag? Ich glaube, dass der Aufprall einer Brechstange  auf den Kopf eine große Beule verursachen würde und auf jeden Fall auch eine intrakranielle Blutung auslösen könnte. In Wirklichkeit wäre man ziemlich schnell tot.

Aber er verbindet sie alle. Ich glaube, sie sollen am Leben bleiben.
Das ist der Fehler Nummer 1, oder nicht?

Ja.

Für eine ganze Weile drehte sich der Film um diesem Martin, der die Leute mit einer Brechstange verprügelt und sie mit in ein Industriegebiet nimmt. An einem Punkt hat Martin plötzlich Audio-Flashbacks: „Du machst Papas Lümmel nur noch härter". Es gibt keinen wirklichen Grund, das einzubeziehen, außer das Publikum dazu zu bringen, die Menschheit zu hassen. Dieser Kommentar veränderte auf jeden Fall die Stimmung im Raum. Dr. Phil empfahl uns fröhlich, doch endlich mal die Chips-Packung zu öffnen. Den Ärzten geht so etwas am Arsch vorbei.

Anzeige

Eine Reihe von Rückblicken zeigten, dass Martin ein kompliziertes Verhältnis zu seiner Mutter hatte. Auf ihre Anweisung hin, erschien ständig ein bärtiger Mann, um Martin zu begrapschen, der nun eindeutig als geistig zurückgeblieben dargestellt wurde. Martin tötete ihn. Er tötete auch seine Mutter, indem er ihr den Kopf mit seinem treuen Brecheisen einschlug. Aber bevor das alles passiert, wird Martin von einem Skinhead getreten, wegen seinem Geklopfe gegen die Zimmerdecke. Daraufhin uriniert er Blut, was „durch die Gewalteinwirkung auf den Unterleib medizinisch korrekt" war, wie Dr. Phil uns erklärte. Daumen hoch für blutige Pisse. Ab da ging die Scheiße richtig los. Martin hatte alle seine „Abschnitte" zusammen, hatte auf seinem Weg aus Versehen aber ein paar getötet. Wir konnten spüren, wie sich die Mund-zu-Arsch-Aktion zusammenbraute. Wir konnten es förmlich riechen. Martin fing an, Knie-Sehnen wegzuschneiden, um die Leute am Aufstehen zu hindern, eben wie bei Tausendfüßlern. Es war wirklich anschaulich und schrecklich. Und ich wollte heulen. Dr. Phil: Nun, es sieht so aus, als würde er ein Stück Sehne zwischen Kniescheibe und Schienbein rausziehen, aber es ist viel größer. Ich nehme an, sie stellen es einfach nur für das Publikum so dar, damit es aussieht wie ein Stück Schnur, ein Seil oder irgendwie so etwas. OK, jetzt schneidet er gerade in den Hintern, ich hätte nicht gedacht, dass man so stark aus dem Arsch blutet.

Anzeige

Als nächstes kam das Festmachen. Dr. Phil: OK, also es sieht so aus, als würde er einen Mund an einen Arsch klammern. Hier haben wir jetzt unseren Tausendfüssler. Er zwängt das Rohr in ihren Hals, als wäre es in ihrem Magen, somit müsste sie nicht würgen. Was ist das, was er da in den Trichter gießt? VICE: Ähm …  Suppe.
Interessant.

Er hat dort ein paar Abführmittel.
Ja, das dauert in der Regel ein oder zwei Stunden, bis die anfangen zu wirken. Warte mal, er spritzt sie ihnen gerade.
Nun,  Abführmittel werden eigentlich alle oral eingenommen. Sie wirken normalerweise alle durch Osmose, mir sind keine intravenösen Abführmittel bekannt. OK, sie kacken gerade alle. Nein, ich denke nicht, dass das korrekt ist.

Woah, Schnitt! Die Frau, von der wir dachten, sie wäre tot, hat gerade während der Fahrt ein Kind bekommen.
Nein, Geburtswehen dauern irgendwas zwischen einer und 24 Stunden.

Könnten sie durch den Schock eingeleitet worden sein?
Mir ist so ein Fall nicht bekannt und es wäre schwierig, das durch Experimente herauszufinden. Aber ich glaube nicht, dass eine Frau so schnell ein Kind gebären kann. Wir haben gesehen, wie ihre Fruchtblase geplatzt ist und es ist unmöglich, dass fünf Minuten später das Kind geboren wird. Der Gebärmutterhals muss sich auf zehn Zentimeter weiten und das kann Stunden dauern.

Der Film war zu Ende. Wir hatten die Chips aufgegessen und dachten darüber nach, was wir da gerade gesehen hatten.

VICE: Wie hat der Film insgesamt abgeschnitten?
Da waren so viele Dinge, an denen diese Leute gestorben wären, alleine schon auf dem Boden gefesselt zu sein, ganz zu schweigen von den ersten Wunden: Unterkühlung, Austrocknung, mögliche Infektion der Wunden, einige dieser Leute hätten eine Blutvergiftung haben können. Eine Sepsis kann dich sehr schnell töten. Hast du generell noch irgendwelche anderen Gedanken zu dieser Idee, drei Verdauungstrakte zusammenzunähen?
Da gibt es einige Probleme. Zum Beispiel eine Krankheit?
Nun, es gibt Bakterien, die ursprünglich aus dem Dickdarm kommen, wie E. coli, die starken Durchfall und Erbrechen verursachen können, wenn man sie schluckt, weil sie im Bauch und im Dünndarm nicht vorkommen. Also, ist das realistisch? Von der zweiten Person an würden sie alle übermäßigen Durchfall und Erbrechen haben, so dass immer der nächste nur Durchfall in seinen Mund bekommt. Und sie alle würden wahrscheinlich auch sehr viel kotzen.

Was würde dabei „rauskommen“?
Es gäbe einfach nur richtig viel Flüssigkeit, wenn die einzelnen Zyklen des Durchfalls durchlaufen worden sind. Sie würden alle sehr schnell austrocknen.

Würde der hohe Wassergehalt des Durchfalls von jedem dem Nächsten helfen?
Vielleicht, aber Krankheit und Infektion würden sie töten, noch vor der Unterernährung. Zum Beispiel so etwas wie eine E. coli Sepsis. Lassen wir mal die Krankheit außen vor und sagen wir, es nur drei Leute und es wäre luftdicht und sie schaffen es, ihr eigenes Erbrochenes wieder runterzuschlucken, würde das Essen denn überhaupt von einem Ende zum anderen gelangen?
Ja, der Kerl am Anfang isst, der Durchfluss davon wäre normal und es würde als ganz normale Fäkalien wieder ausgescheiden. Demnach würde die nächste Person Fäkalien einnehmen und dann würde das wiederum hinten rauskommen, wahrscheinlich als eine größere Menge an Fäkalien. Das heißt, es wird nicht besser, deswegen scheiden wir es ja aus. Aber es ist nicht so, dass dort keinerlei Nährwerte drin wären, viele Tiere ernähren sich von Fäkalien. Das wäre eigentlich ein ganz interessantes Experiment: Einen Menschen mit nichts außer menschlichen Exkrementen zu füttern und zu sehen, wie lange er so überleben kann. Danke für dieses Treffen, Dr. Phil.