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Schiri, wir wissen wo dein Auto steht!

The VICE Guide To FIFA

Du spielst Fussball? Dann ist die FIFA praktisch dein Boss.
Foto von Osei Thompson ı Flickr ı CC BY 2.0

Foto von Osei Thompson | Flickr | CC BY 2.0

Du bist der ultimative Zuschauer. Heute Abend, wenn um Punkt 22 Uhr in der noch nicht fertiggestellten „Arena de Sao Paulo" der flammede Anpfiff ertönt, klebst du, genau wie 25 Millionen andere, gebannt auf deiner Couch. Du sitzt da, mit einer Flasche Cola in der einen und einer Dose Budweiser in der anderen Hand. Mit abgelatschten Adiletten an den Füssen, deinem Shaqiri-Trikot über den feuchten Achseln und du schreist im Takt der Steilpässe deinen mit VISA bezahlten SONY-Flatscreen in den Boden.

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Du weisst genau, auf welche Mannschaft du gesetzt hast. Du weisst bei jedem Spiel, wen du anheizt und wen du auspfeifst. Du weisst das, weil du das Land deiner Gegner halt blöder findest, als das, deiner für diese neunzig Minuten geliehenen Helden. Was du wahrscheinlich weniger weisst, ist, wer denn diese FIFA eigentlich ist, die dir Spiel für Spiel vorgibt, wie du den Fussball zu leben hast.

Foto von Dan Kamminga ı Flickr ı CC BY 2.0

Die Organisation FIFA
Auf dem Papier ist die FIFA nichts als ein weiterer, staubtrockener Verein. Doch im Gegensatz zum Katzenknutschverein Oberglättli definiert sie seit 1904 das globale Fussballgeschehen. Spielst du bei einem der ca. 1500 Klubs des SFV, dann sagt dir die FIFA praktisch, wie du dir die Schnürbändel zu binden hast.

Sie steht an der Spitze der 209 von ihr anerkannten nationalen Verbände und gliedert sich in drei Gewalten; Exekutivkomitee, Kongress und Generalsekretariat. Der Kongress ist quasi das Herz der FIFA. Zusammengesetzt aus den Delegierten der Nationalverbände pumpt es im biennalen Takt Beschlüsse aller Art durch die Venen ihrer Bürokratie.

Aber das eigentliche Hirn der FIFA bildet das Exekutivkomitee. Es besteht aus dem Präsidenten, acht Vizepräsidenten, fünfzehn weiteren Mitgliedern und—seit 2012—einer weiblichen Vertretung für den Frauenfussball. Durchschnittsalter: 63.1 Jahre. Es formuliert sämtliche Reglemente, bestimmt die Austragungsorte und ernennt alle Mitglieder der Komissionen und Rechtsorgane, welche die entsprechenden Dekrete (etwa gegen Korruption) umsetzen.

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Von den acht Sitzen des IFAB (Regelwerk des Spiels) geht einer an den FIFA-Präsidenten, drei werden vom Komitee bestimmt und die übrigen vier stellen (wieso auch immer) die vier britischen Verbände. Das Komitee hat das Recht, darüber zu entscheiden, wie die Vetreter der FIFA im IFAB abstimmen müssen. Der Stichentscheid liegt bei Präsident Sepp.

Foto von Ed Coyle ı Flickr ı CC BY-ND 2.0

Der FIFA Hauptsitz
Vom „House of FIFA" aus regiert die FIFA ihr sportives Königreich. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk etikettiert das 280 Millionen CHF teure, 44'000 Quadratmeter grosse Marmorlabyrinth auf dem Zürichberg gerne als Palast. Ein barockes Ungetüm, armiert mit einem silbernen Gewebe aus Edelstahl und Aluminium, gebadet in nächtlichem Lichtspiel und diskret erschlossen von einer unterirdischen Zufahrt. Ein weisser Abgrund mit eigenem Wellnessbereich, sechs grossräumigen Atrien und einem Andachtsraum aus leuchtendem Onyx.

Finanzen
Die FIFA verdient ihr Geld mit dem Vermarkten ihrer Events. Je mehr Events, umso mehr FIFA. Je grösser die FIFA, umso grösser die Events. Trotzdem macht die NGO etwa 75% der Einnahmen mit dem World-Cup. Allein 2013 verkaufte sie WM-Fernsehrechte für über 601 Millionen, Marketingrechte für 404 Millionen und Linzenzrechte für 26 Millionen Dollar. Bis 2018 hat sie sich bereits 3.17 Milliarden vertraglich gesichert. Ihr Eigenkapital konnte die FIFA seit 2007 auf 1.43 Milliarden Dollar verdoppeln.

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Oder um es mit den Worten von Zürcher Ex-Stadträsident Elmar Ledergerber auf den Punkt zu bringen: Die FIFA ist ein „finanziell uninteressantes", aber prestigeträchtiges Statussymbol. Als Non-Profit-Organisation zahlt sie vier Prozent Gewinnsteuern, was etwa ein Sechstel von dem ist, was die Stadt von der Baubude deines Papis sehen will.

Der FIFA wird oft vorgeworfen dass sie, ihre Ausgaben verschleiert. Eigentlich will sie nur, dass du lernst, zwischen den Zeilen zu lesen. Ihren Personalaufwand (unabhängig aller Competitions) liess sich die FIFA 2013 schlappe 102 Millionen kosten. Die Betreuung ihrer Webseite 32 Millionen. Und für Gebäude und Unterhalt gab sie 22 Millionen aus.

Foto von Crystian Cruz ı Flickr ı CC BY-ND 2.0

Bei der FIFA mitmachen
Ein Job bei der FIFA? Ein Klacks: Du sprichst fliessend Französisch, Englisch, Deutsch und Spanisch, hast einen Master in Jura, internationalen Beziehungen und BWL und Beziehungen zur saudischen Königsfamilie. Etwas komplizierter hingegen wird es, wenn du mit dem Verband deines völkerrechtlich nicht anerkannten Landes eine Mitgliedschaft im FIFA-Reich erwerben willst (FIFA-Statuten, Art. 10.6):

„Ein Fussballverband eines Gebiets, das die Unabhängigkeit noch nicht erlangt hat, darf mit Bewilligung des Verbands des Landes, dem das Gebiet zugehört, um einen Beitritt zur FIFA ersuchen."

Für die damit übersehenen Mannschaften organisiert die VIVA eine alternative WM. Dort spielen lustige Teams wie die der Osterinseln, von Tibet, Sansibar, der Westsahara, Darfur und viele weitere.

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Foto von Chris Preen ı Flickr ı CC BY 2.0

Die Austragungsorte
Vielleicht liegt es an den vielen Videospielen oder an zu viel Kokain im Kaffee, aber in den vergangenen Jahren hat die FIFA nicht gerade Fingerspitzengefühl bei der Auswahl ihrer Austragungsorte gezeigt.

Etwa Katar, eine lupenreine Erbmonarchie mit der Scharia als offizieller Gesetzgebung. Ein traditionsbetontes, fast unbewohnbares Wüstenland am persischen Golf. 85% Luftfeuchtigkeit, bis über 50 Grad im Schatten und dem jährlichem Niederschlag eines durchschnittlichen Schweizer Regentags. Wer immer dorthin will, von Zürich aus dauert der Flug über zwei Zwischenstopps etwa 20 Stunden.

Natürlich Russland, das beim technischen Report von allen Auswahlländern am schlechtesten weggekommen ist oder Südafrika, ein Land mit einer der höchsten HIV-, Vergewaltigungs oder Analphabetenraten des Planeten—dem einzigen afrikanischen Land, auf dem jemals eine Fussball-WM durchgeführt worden ist.

Bestechung
Vielleicht hast du schon mal davon gehört, dass man sich in der FIFA hin und wieder einige Kleinigkeiten schenkt oder ein Funktionär ab und zu einmal einen Koffer Bargeld auf dem Boden findet. Womöglich hast du irgendwo gelesen, wie Spiele verkauft, Schiedsrichter gemietet und Austragungsorte verhökert wurden. Wir finden das Thema nur noch langweilig. Interessiert dich das, findest du Informationen dazu hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier. Immerhin, die Ethikkomission gibt es bereits seit 2012, elf Jahre nach dem Niedergang von ISL.

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Foto von Coca-Cola South Africa ı Flickr ı CC BY-ND 2.0

Die Freunde der FIFA
Die BFFs der FIFA sind ihre offiziellen Partner. Das bildet unersetzbare Synergien. So heisst das offizielle Worldranking für Nationalmannschaften FIFA/Coca-Cola-Weltrangliste und das knuddlige Fuleco hält einen Adidas Tricolore 98 in der Hand.

Die etwas anderen Freunde der FIFA sind die ihrer Funktionäre. Die meisten sind angeschlossen an ihre nationalen politischen Netzwerke. Da entstehen echte, dicke Männerfreundschaften. Teixera und Lula oder Bin Hammam und der Scheich von Katar. Senior-Vize-Präsident Grondona mit Juntageneral Jorge Videla. Sepp Blatter und Corinne Mauch.

Die wohl grösste Partnervermittlungsbörse der FIFA ist aber das IOC. Ein globales Sammelbecken an Scheichen, Prinzen und Sportfunktionären. Neben Komitee-Membern wie Blatter, Hayatou oder Quotenfrau Lydia Nsekera gibt es dort Gestalten wie Fürst Albert II. von Monaco, Henry Kissinger oder Ahmad Al-Sabah, der kuwaitische Ölminister.

Foto von Abhisit Vejjajiva ı Flickr ı CC BY 2.0

Sepp Blatter
Die Herzpraline aus dem Wallis ist so etwas wie die jung gebliebene Mischung aus James Bond und Dani Forler. Mit seinen Dackelaugen, seinem Zuckergussgrinsen und seiner zarten Ministrantenstimme erwärmt er seit Jahren die Herzen paarungswilliger Grosis auf dem ganzen Erdball. Seine weisen Worte wie „Ich bin der Präsident, ich habe mein eigenes Gewissen.", „What Crisis?!" oder „Make the wörld a bötter place." machen aus dem drolligen Arbeitersohn einen Mann von Welt.

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Sepp ist Träger von über 70 Auszeichnungen, Preisen und Ehrentiteln, wie etwa dem „Preis für die Menschlichkeit im Fussball in Russland", dem „Orden Jarowslas des Weisen" (Ukraine) oder dem Ehrenorden des Königreichs Bahrain, Ritter der französischen Fremdenlegion und Ritter des Sultanats von Pahang (Malaysia).

Er weiss, wie man das Rennen für sich entscheidet. Willst du einmal so hoch hinaus wie unser Sepp, kannst du dir von seinem diplomatischen Geschick eine dicke Scheibe abschneiden:

1. Sei ehrlich. Beteuere bei jeder Wahl, es werde deine Letzte sein. Einer geht noch immer. So stellt sich Sepp der FIFA für die Wahl 2015 wieder zur Verfügung, auch wenn er seit 2007 betont, keine weitere Amtszeit mehr zu wollen.

2. Vertrau auf dein Karma. Lass dir von den bösen Jungs nicht ans Bein pissen. Auch wenn die Menge dich beschimpft, die Presse deinen Kopf und die Politik deinen Rücktritt fordert, bleib bei deinen Werten. Im Notfall kannst du deinen Neidern am Wahltag immer noch das Mikro abwürgen. So wie Sepp 2002. Wenn es sein muss, verschiebst du halt die Wahl auf das nächste Jahr, genau wie Sepp 2006. Und wenn es hart auf hart kommt, sagst du einfach deine WM-Eröffnungsrede ab, so wie Sepp in Brasilien.

3 Kenne kein Erbarmen. Wird es beim Face Off mit deinem Gegner etwas enger, warte, bis dessen Bestechungsaffären ganz von alleine auffliegen. Wie 2011 bei Bin Hamam. Kommt es so weit, dass irgendein dahergelaufener investigativer Fuzzi Anschuldigungen gegen dich erhebt, genügt ein Anruf an dein Legal Team und gegen sein Buch wird gerichtlich ein Verkaufsstopp eingeleitet. So wie bei David Yallop.

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4. Dumm ist besser als korrupt. Auch wenn deine engsten Freunde oder dein FIFA-Ziehvater Havelange wegen zweifelhaften Finanzbewegungen von der Staatsanwaltschaft zerbröselt werden: Du weisst von nichts und hast nie irgendetwas gehört.

Foto von Mike Mozart ı Flickr ı CC BY 2.0

Die Werte der FIFA
„For the game, for the world." Die FIFA hat eine Mission. Fairplay, Anti-Rassismus, internationale Zusammenarbeit und Umwelt. Ihr Engagement verwertet sie mit Kampagnen und Events. Zum Beispiel Football for Hope, #saynotoracism, Green Global, die FIFA Task Force oder Reisen in den nahen Osten.

Und sie schützt ihre Werte. Als die Nati von Kamerun beim African Cup of Nations in, vom afrikanischen Kontinentalverband genehmigten, alternativen Trikots spielen wollte, intervenierte die FIFA mit einer Strafe von 200'000 Franken und sechs Punkten Abzug für die WM-Qualifikation. Und das Schweizer Fernsehen musste ihr nicht lizenziertes Studioduplikat des WM-Pokals nachträglich verpixeln.

Foto von Nico Quatro ı Flickr ı CC BY 2.0

Kontrolle
Auch wenn es gelegentlich nicht so aussehen mag, bei der FIFA gibt es Kontrolle für alles und jeden. Etwa die FIFA-Interpol-Initiative für „Manipulationsprävention" oder ein Überwachungssystem aller Sportwetten. Und Korruptionsjäger Mark Pieth hat sich die FIFA inzwischen institutionell einverleibt.

Die FIFA kann hart gegen ihre Verbände vorgehen. Halten sie sich nicht ganz so an die Richtlinien der FIFA, drohen Strafen wie etwa Spielsperre, Stadionverbot, soziale Arbeit, das „Verbot Umkleideräume zu betreten oder auf der Ersatzbank Platz zu nehmen" bis zu einem „Verbot jeglicher im Zusammenhang mit dem Fussball stehenden Tätigkeit".

Aber die FIFA zeigt sich durchaus gerne versöhnlich. Jerome Valcke etwa, der die FIFA wegen seiner nicht ganz einwandfreien Handhabung mit Unterschriften gegenüber Mastercard 2006 um 60 Milliarden erleichtert und von ihr eine Fristlose kassiert hatte, wurde 2007 auf Blatters Empfehlung als ihr Generalsekretär eingestellt. Sie sind bis heute eine grosse, glückliche Familie.