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Reisen

Geburtstags-Shopping mit Stalin!

Vielleicht hätte sich Lenin etwas mehr über seinen Geburtstagskuchen gefreut, wäre er nicht verdammt besoffen gewesen.

April war ein bedeutender Monat in der Welt der Despoten. Vor ein paar Tagen zeigten die Nordkoreaner der Welt, wie sehr ihnen der 100. Geburtstag ihres toten Führers Kim Il-sung am Herzen liegt, indem sie eine prächtige, aus geschmolzenem Kinderspielzeug hergestellte Rakete ins Meer feuerten. Letzten Freitag war Hitlers Geburtstag. Ich weiß zwar nicht, wie viele den wirklich gefeiert haben, aber es waren vermutlich mehr, als zu dem Rave kamen, den sie für Joseph Kony gemacht haben. RIP, J-Ko! Am Sonntag gab es einen weiteren bewegenden Geburtstag. Der kommunistisch revolutionäre OG und das Style-Idol aller, von Sean Connery bis Krang, Wladimir Iljitsch Uljanow, aka Lenin, wurde gefeiert. Da ich fürs Wochenende gerade in Moskau war, dachte ich mir, dass ein kleiner Ausflug zum Roten Platz eine gute Idee sein könnte, wo ich fröhlich „Möge das Beste deiner Vergangenheit das Schlimmste deiner Zukunft sein!“ jubelnd über seinem einbalsamierten Körper anstoßen könnte. Da es Russland ist, wurde es irgendwann logischerweise ziemlich seltsam!

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Es ging sehr unschuldig los. Es gab keinen besonderen Eingang in die Gruft, nur ein paar rote Kränze, die von den echten Fans abgelegt wurden. Einige Touristen versuchten, ein paar ironische Posen vor dem Denkmal zu machen, um die Daheimgebliebenen bei der nächsten Nachbarschaftsversammlung zu begeistern. Eine Frau dachte, dass die Türschwelle zum Grab eines fehlgeleiteten Diktators eine großartige Kulisse für ein Foto mit ihrem neugeborenen Baby ist.

Auf ein baldiges Lenin-Revival—wie von Vinyl, Game Boy, Tamagotchis und dänischer Strickmode—deutete, außer en paar alter Kommis mit an Angelruten befestigten Sowjet-Flaggen, nichts hin. Wir entschieden uns, die Gruft zu verlassen und waren prompt wieder in der traurigen Realität einer globalisierten vom Markt geprägten Gesellschaft, in der wir uns anonym und verlassen unter die Spidermans, die Schlümpfe und die schwulen Füchse mischten. Und dann, als wir schon kurz davor waren, aufzugeben und zu McDonald’s zu gehen …

VATER!!! BIST DU ES WIRKLICH!?!?!?!?! Nein, es war nicht nur ein Traum. Verdammt noch mal, es war Stalin. Josef Stalin. Der Mann aus Stahl! Koba der Schreckliche höchst persönlich!

Hey Stalin! Es ist mir eine Ehre, bist du gar nicht tot? Ich könnte schwören, dass ich irgendwo gelesen habe, dass Chruschtschow und Beria dich mit schrecklichen Krämpfen und Schaum vor dem Mund auf dem Boden gefunden haben, sich aber entschieden, lieber keinen Arzt zu rufen, da du ein ziemliches Arschloch warst. „Nein, eigentlich bin ich am Leben und mir geht’s gut. Ich fühle mich heute besser denn je.“ Wow! Hast du gewusst, dass Lenin heute Geburtstag hat? Ich glaube, ich habe ihn hier irgendwo rumlaufen gesehen. Willst du mitkommen und ihm mit uns zusammen einen Kuchen kaufen? „500 Rubel.“ Was? „Für meine Zeit.“ Das ist doch Wucher … oder nein, warte, das sind nicht mal 15 Euro. Du bist eingestellt. Das ist übrigens sehr kommunistisch von dir.

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Stalin war begeistert von unsere Gesellschaft und unserem Geld und begleitete uns zu einer „netten kleinen Konditorei“ gleich um die Ecke, um etwas Nettes für Lenins besonderen Tag auszusuchen. Ich habe ihn gefragt, ob wir nicht gleich auch noch etwas für Breschnew mitnehmen sollen, der auch gerade in der Nähe war. Das fand Stalin dann aber nicht mehr so prall. „Nein, Breschnew ist ein Arsch. Der will doch nur Muschis“, sagte er, aber ich verstand es erst später, als ich in ein Land kam, in dem es Google gibt.

Stalin lief mit glasklarer Entschlossenheit durch den Lebensmittelladen. Ihn dabei zu beobachten, wie er sich, ohne auch nur einen flüchtigen Blick zu riskieren, am Pringles-Stand vorbeischlägt, machte mir endlich klar, wie ein Mann so grausam und in Momenten, in denen es darauf ankommt, gleichzeitig so zutiefst heroisch sein kann.

„Da sind wir. Das sind die besten Kuchen von hier bis zum Sachalin. Wie ich immer sage, ist Fröhlichkeit die beeindruckendste Eigenschaft der Sowjetunion, aber Dankbarkeit ist eine Krankheit, an der nur Hunde leiden. Also lasst uns stolz dem Genossen Stalin an seinem besonderen Tag einen Kuchen schenken, der seinem Charakter entspricht. Damit die Geschichte uns gnädig ist, da wir sie selbst schreiben.“

Nachdem wir eine cremige Schönheit ausgewählt hatten, bewegten wir uns Richtung Ausgang.

Ungeachtet dessen, dass Stalin mal über mehr als 100 Millionen Russen geherrscht hat, nutzte ihm das an der Kasse nichts, als er versuchte, sich in der Schlange vor einen Maserati fahrenden neureichen Russen mit junger sexy Freundin zu drängeln.

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Total außer sich fing er halblaut an, alles Mögliche zu brummen, davon, dass der Tod alles lösen würde und von seiner Idee, einen neuen Gulag auf einem Grundstück am Moskauer Stadtrand neben dem neueröffneten Ikea zu bauen.

Glücklicherweise begann die Schlange, sich zu bewegen und der Gedanke, dass heute ein glücklicher Tag sein sollte, heiterte ihn wieder ein bisschen auf.

Uh-oh, peinlich! Gerade als wir den Laden verlassen wollten, machte Lenin die ganze Überraschung kaputt, als er total besoffen aus dem Nichts auftauchte!

Stalin sah uns nervös an, während er seinem Mentor, der Schwierigkeiten hatte, geradeaus zu laufen, etwas zuflüsterte. „Verdammt Vlad, was machst du hier? Du bist schon wieder voll … Scheiße … Kuck mal, setz dich in deinen Stuhl, bitte. Ich habe für dich was Schönes geplant und möchte nicht, dass du jetzt alles verdirbst, OK?“

Lenin saß bald, mit einer üblen Fahne, wieder in seinem Stuhl und reflektierte betrunken über die feineren Aspekte der Arbeiterutopie vor der einzigen Person, die ihm zuhörte, einem Pappaufsteller von Wladimir Putin. Ich denke, dass Stalin ihn nur zurechtwies, weil wir ihm auch noch 500 Rubel zahlen sollten, um mitzuspielen. Was darauf hinauslief, zwei arme, betrunkene Fremde dafür zu bezahlen, dass sie so tun, als würden sie sich mögen. Was wie ein witziges Rollenspiel anfing, wurde auf einmal etwas deprimierend.

Aber Jo war ein Pro. Während Lenin in seinem Stuhl rumlallte und auf sich selbst sabberte, hat Stalin etwas für sein Geld gemacht. „Ah Lenin, mein lieber Freund Lenin. Ich bin es, Stalin, und ich habe dir einen Kuchen zu deinem Geburtstag mitgebracht.“ Lenin ignorierte ihn einfach, winkte ins Nichts und schaffte es auch nicht, Augenkontakt herzustellen.

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„Es ist dein Geburtstag, vielleicht willst du was zu deinem lieben Freund Stalin sagen?“

Das war das Schlimmste. Der betrunkene Lenin begann, mit einer Mischung aus Sprache und Geheul auf uns einzulallen. Es hörte sich an, als würde er so was sagen, wie: „Stalin macht das nur, weil er muss.“ Immer mehr Leute kamen zusammen.

Schlussendlich haben wir Lenin dazu gekriegt, lang genug still zu sitzen, um ein Foto machen zu können, was ziemlich cool ist, wie ich finde. Ich bin sicher, ihr auch.

Wir wollten kurz reflektieren, was gerade passiert war. Währenddessen machte sich Stalin wieder ans Geldverdienen, indem er Fremden zuwinkte.

Aber während wir uns unterhielten, bemerkten wir, dass Lenin etwas aufgewühlt zu sein schien. Und uns fiel auf, dass sein schöner Kuchen nirgendwo zu finden war.

Dieser notgeile Stalin war dabei, den Kuchen, den WIR für LENIN gekauft haben (ja genau, noch mal 249 Rubel) dazu zu benutzen, ein paar MILFs in seine Datsche zu locken. Auch Lenin bemerkte das, was sehr schade ist, denn das nächste Bild ist eines der deprimierendsten, die ich je gesehen habe:

Der erste Anführer des kommunistischen Imperiums, weinend, allein, weil jemand seinen Geburtstagskuchen geklaut hat.

Und dann sind auch noch die Weiber mit dem Kuchen weggerannt. Waren es vielleicht eigentlich ihre Zuhälter?

Eine Stunde später kamen wir zurück, um zu sehen, wie es Lenin geht. Stalin war verschwunden und Vlad hatte uns wohl völlig vergessen, aber zumindest war die Ordnung wieder hergestellt.

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