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Wie die AfD, Donald Trump und andere die Schüsse in München missbrauchen

Die Nacht in München war aufreibend. Einige warteten auf die offiziellen Meldungen der Polizei. Andere reimten sich selbst etwas zusammen

Wer als erster einen iranischen Schiiten mit einer sunnitischen Terrorgruppe in Verbindung bringt, kriegt 1000 Homeland-Punkte! #münchen
— Grumpy Merkel (@GrumpyMerkel) 23. Juli 2016

Was ist genau passiert? Diese Frage lag schwer über den Abendstunden nach den Schüssen beim Olympia Einkaufszentrum (OEZ) in München. In einer Pressekonferenz in den frühen Morgenstunden schaffte Polizei etwas mehr Klarheit: Neun Menschen verloren an diesem Abend ihr Leben. Zahlreiche weitere wurden verletzt. Doch eine weitere Gefahr, so die erste Bilanz, bestünde nicht mehr: Der mutmaßliche Attentäter habe sich selbst umgebracht.

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Zwischen dem ersten Tweet der Polizei über den Einsatz am OEZ und der Pressekonferenz lagen Stunden. Die Polizei twitterte: "Bleiben Sie in Ihren Wohnungen. Verlassen Sie die Straße!" Lange blieb die Lage völlig undurchsichtig.

Während die Polizei allen Hinweisen auf vermeintliche weitere Schüsse in der Stadt nachging, krochen Voyeuristen, Verschwörungstheoretiker und amerikanische Präsidentschaftskandidaten aus ihren Löchern.

Angst macht blind und dumm. Angst zu haben, ist verständlich. Schussvideos per WhatsApp zu teilen oder haltlose Thesen auf Twitter aufstellen sind es nicht. Die Steigerung dessen ist nur, Tote und eine chaotische Situation für politische Zwecke zu missbrauchen. So wie Christan Lüth, der Pressesprecher der AfD, in einem mittlerweile gelöschten Tweet:

Auch der Landesvorsitzende der AfD Sachsen-Anhalt fühlte sich berufen, die Situation zu erklären, bevor die Polizei es tun konnte:

Merkel-Einheitspartei: danke für den Terror in Deutschland und Europa!
— André Poggenburg (@PoggenburgAndre) 22. Juli 2016

#AfD München: Unser Mitgefühl den Hinterbliebenen und Verletzten, unser Abscheu den Merklern und Linksidioten die Mitverantwortung tragen!
— André Poggenburg (@PoggenburgAndre) 23. Juli 2016

Sogar der frisch gekürte Präsidentschaftskandidat Donald Trump nutzte die Gelegenheit für Geschmacklosigkeit und instrumentalisierte die Angst und die Ungewissheit nach den Schüssen für seine Zwecke:

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Der US-amerikanische Fernsehsender CNN bekleckerte sich auch nicht gerade mit Ruhm. Ein Journalist bestätigte früh einen islamistischen Hintergrund, der laut Polizei nicht zu bestätigen war.

CNN-Mann korrigiert sich für Tweet. Hatte gesagt, @PolizeiMuenchen hätte Islamlist background bestätigt. #Munich https://t.co/373rbO758b
Bastian Brauns (@BastianBrauns) 23. Juli 2016

Manche deutsche Journalisten wollten aber ebenso wenig auf Polizeimeldungen warten, bevor sie anfingen zu spekulieren.

Und der @MerkurStadt veröffentlicht einen Kommentar, in dem es heißt, München zahle einen hohen Preis für die Willkommenskultur. WTF #OEZ
; Steffi Dobmeier (@sdobmeier) 22. Juli 2016

Weil sich gerade einige aufregen Unser Kommentar beinhaltet mehrere Möglichkeiten, wer hinter der Tat steckt. pic.twitter.com/f8IgWpK72r
Münchner Merkur (@MerkurStadt) 22. Juli 2016

Ein Mann jedoch blieb souverän und seriös: Der Münchner Polizeisprecher Marcus da Gloria Martins. Selbst in einer solchen Ausnahmesituation und zwischen so vielen Hinweisen auf weitere Anschläge in München. Er beantwortete alle Fragen, auch mehrfach, ließ sich aber nicht auf Spekulationen ein: "Das kann ich ihnen nicht sagen, weil da müsste ich raten. Und das wäre hochgradig unseriös." Recht hat er.