Roma haben es auch in Tschechien nicht leicht. Neben Alltagsdiskriminierung haben sie ständig Stress mit Faschisten, die sie am liebsten töten und ihre Häuser anstecken wollen. In der osttschechischen Industriestadt Ostrava wollen sich die hier lebenden Roma nicht länger mit dem vorherrschenden Rassismus abfinden. Bei einer spontanen Demonstration zogen 200 von ihnen Ende Oktober zum ersten Mal durch die Straßen.
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Die Roma stellen sich organisierten Neonazigangs in den Weg, die fast jedes Wochenende in tschechischen Städten Stimmung gegen die Minderheit des Landes machen und hierfür von zahlreichen rassistisch eingestellten Bürgern beklatscht werden.Die meisten tschechischen Roma wurden bereits als Kinder beim Zugang zu Bildungseinrichtungen benachteiligt. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass sie ohne jegliche Vorüberprüfung auf eine Schule für Lernbehinderte gehen müssen.Anschließend finden sie vermutlich nur einen Job, wenn sich keine Nicht-Roma auf die Stelle bewerben. Auch bei der Wohnungssuche stehen ihnen nicht gerade viele Türen offen. Viele Roma leben deshalb quasi in Ghettos, da sie nur in bestimmten Stadtteilen oder Straßen die Chance haben, eine Wohnung zu bekommen. Doch auch dort fällt es schwer, sesshaft zu werden, denn in den letzten Jahren kam es häufig zu Zwangsräumungen. Hierbei erhielten zahlreiche Familien gleichzeitig Räumungsbescheide und die Aufforderung, ihre Wohnungen binnen 24 Stunden zu verlassen. Einigen Betroffenen wurden im Zuge dessen Wohnungen in sogenannten Hostels angeboten. In diesen Roma-Häusern haben die Familie oft noch weniger Platz und müssen höhere Mieten als zuvor zahlen.Bei den wöchentlichen rechtsradikalen Protesten gegen Roma in den verschiedenen tschechischen Städten und Dörfern gleichen sich die Abläufe: Nach einer Hetzkundgebung löst sich der gewaltbereite Teil der Versammlungsteilnehmer und versucht, Roma-Wohngegenden anzugreifen. Der Erfolg dieser Angriffe hängt meist von der Anzahl der eingesetzten Polizeikräfte ab—so bleibt es manchmal friedlich oder es entwickeln sich Straßenschlachten mit der Polizei.
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In Ostrava finden an solchen Aufmarschtagen seit einigen Monaten kleinere Roma-Kundgebungen als Gegenprotest statt. Diese sind aus Sicherheitsgründen meist zeitlich und räumlich versetzt, dennoch kommt es häufig zu Zusammenstößen.Ende Oktober versammelten sich einige Roma zu einem kleinen Fest an der Kirche der Jungfrau Maria im Zentrum von Ostrava. Zeitgleich startete wenige hundert Meter entfernt eine Anti-Roma-Kundgebung von rund 300 Rechtsradikalen. In kleinen Gruppen zogen die Rechten anschließend durch die Straßen, um Polizeiabsperrungen zu umgehen und Roma anzugreifen oder ihre Häuser zu beschädigen. Aufgrund der hohen Polizeipräsens brachen sie ihre Versuche nach einigen Stunden ab. Aus Sorge vor Übergriffen hatten sich die Roma zwischenzeitig vom Vorplatz der Kirche ins Innere des Gotteshauses zurückgezogen. Nach einer Weile des Ausharren beschlossen die Anwesenden, dass sie sich nicht länger von den Straßen fernhalten wollen. Sie begaben sich auf den Vorplatz der Kirche, wo sie der Pfarrer, ein Unterstützer des Roma-Protests, zur Friedlichkeit aufrief.Unter „Stoppt den Rassismus“- und „Wir sind hier zu Hause“-Rufen zogen sie zu einem nahegelegenen Roma-Hostel, wo sie eine Zwischenkundgebung abhielten. Einige Dutzend Neonazis wurden von den Polizisten auf Abstand gehalten. Die Demonstranten haben in diesem Moment nicht nur ihre Angst vor den versammelten Rechtsradikalen überwunden. Sie konnten auch feststellen, dass sie mit ihren Forderungen nicht ganz alleine dastehen, denn aus einigen Fahrzeugen und Wohnungsfenstern wurde ihnen zustimmend zugewunken.
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