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Türkische Zeitungen machen Merkel zu Hitler

Weil Erdoğan nicht nach Köln skypen durfte, rasten regierungstreue Zeitungen komplett aus.

Collage aus den Titelseiten von Akşam und Takvim, via Twitter

Die türkische Regierung ist wieder einmal richtig sauer auf Deutschland. Diesmal liegt es weder an Jan Böhmermann oder an der Armenien-Resolution, sondern daran, dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan bei der großen Demonstration in Köln am Sonntag nicht persönlich per Live-Schaltung zu seinen Anhängern reden durfte. Ein deutsches Gericht hatte entschieden, dass Übertragungen aus dem Ausland mit dem deutschen Versammlungsrecht nicht vereinbar seien, und die Übertragung kurzerhand verboten, das Verfassungsgericht bestätigte die Entscheidung.

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Das gibt jetzt Ärger. Der türkische Justizminister Bekir Bozdag bezeichnete die Entscheidung auf Twitter als "Schande" für die Demokratie. Außerdem sei es ab jetzt völlig inakzeptabel, wenn Deutschland der Türkei gegenüber so Sachen wie Demokratie, Rechtsstaat, Menschenrechte oder Freiheit auch nur erwähne. Dann polterten noch ein paar andere Minister und AKP-Funktionäre gegen Deutschland, und die Regierung bestellte zum zweiten Mal in diesem Jahr den deutschen Botschafter ein, um auszudrücken, wie frech sie das alles findet (das letzte Mal wurde der Botschafter im März wegen eines satirischen Lieds des NDR einbestellt).

Zwei AKP-nahe Zeitungen sind aber noch ein Stück weiter gegangen: Sowohl die Tageszeitung Akşam als auch die Takvim haben Angela Merkel als Nazi auf die Titelseite gedruckt. "Heil Merkel", schrieb Akşam dazu, und dass in Deutschland "Angst" vor Erdoğan herrsche. Die Zeitung Takvim wiederum bezeichnet Merkel als "Fetönazi". "Fetö" nennen türkische Zeitungen die vermeintliche Terrororganisation des Predigers Fethullah Gülen, die die Regierung für den jüngsten Putschversuch verantwortlich macht. "Deutschland kann seiner Nazi-Vergangenheit nicht entkommen", titelt die Zeitung dazu, "die Maske ist gefallen".

Yet another pro-— Abdullah Bozkurt (@abdbozkurt)1. August 2016

Another — Abdullah Bozkurt (@abdbozkurt)1. August 2016

Das ist nicht das erste Mal, dass türkische Zeitungen Angela Merkel als Nazi bezeichnen. Nach der Armenien-Resolution des Bundestags steckte die Zeitung Sözçü Merkel in eine Nazi-Uniform und titelte auf Deutsch "Schämen Sie sich!". Noch schlimmer war vielleicht nur die Überschrift der Zeitung Güneş ein paar Tage später, die Deutschland direkt für einen Terroranschlag in Istanbul mit zwölf Toten verantwortlich machte.

Viele türkische Zeitungen galten zwar auch vorher nicht unbedingt als ausgeglichen und besonnen, aber spätestens seit dem gescheiterten Putschversuch am 13. Juli scheint sich der Ton zumindest bei den Pro-AKP-Zeitungen noch einmal verschärft zu haben. Eine weitere Zeitung kam zwar ohne Photoshop-Nazis aus, erklärte auf ihrer Titelseite, Deutschland sei ab jetzt nicht mehr Freund, sondern Feind der Türkei.

Der Witz ist natürlich, dass Angela Merkel nichts dafür kann, wenn ein deutsches Verwaltungsgericht entscheidet, dass ausländische Staatsoberhäupter nicht per Live-Schaltung zu ihren Fans in Deutschland reden dürfen. Schließlich kann Merkel dem Gericht nicht einfach befehlen, was es zu entscheiden hat.

Andererseits ist ziemlich nachvollziehbar, dass regierungsnahe Zeitungen in der Türkei diese Feinheiten des demokratischen Prozesses nicht wirklich verstehen können. Immerhin zeigt Erdoğan schon seit Jahren, dass man als Staatsoberhaupt durchaus auch den ganzen Justizapparat gleichschalten kann, wenn man nur will—man muss dafür halt nur die Demokratie abschaffen.