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Und der Oscar geht an ... den Selfie

Obwohl die Academy feige und vorhersehbar wie Sau geworden ist, war das eine richtig nette Preisverleihung. Danke Ellen!

Die 86sten Academy-Awards sind geflutscht wie geölte Ketscher. Ellen DeGeneres war lustig, legere und hat den Spagat zwischen genug beleidigend, um frisch-frech die Kids zu unterhalten (und Liza Minnelli gleich mal eine Transe schimpfen) sowie die alteingesessene Gilde der Academy freundlich im Feenkostüm zu vertreten.

Unsere Prognosen waren dermaßen falsch und somit ist klar, dass Wunschdenken selten präzise ist. Bis auf den Tipp mit Her, der bestes Original-Drehbuch bekommt, haben wir voll—aber dafür mit viel Herz—falsch gelegen.

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Für manche Sachen bleibt man gerne bis um 6 in der Früh auf. Es macht Freude, den Muttersöhnchen Hollywoods zuzusehen und vor allem dem größten davon, Jared Leto, wie er versucht mit seiner Dankesrede für Best Supporting Actor die gesamte Welt zu retten. Du hast ihn gut erzogen, du MILF.

Dallas Buyers Club oder „Sex beim Rodeo“, was laut Ellen den Film am besten beschreibt, hat den Sensibilitätstest der Academy bestanden und 100 Mal Shout-Outs an AIDS-Leidtragene mit sich gebracht. Das für einen Hollywood-Film perfekte Maß an Tragik wurde dann auch mit dem Preis für Best Actor an Matthew McConaughey belohnt.

Als Matthew dann seinen Südstaaten-Jesus-Komplex präsentierte, wurde sofort klar, dass Gott sein Kumpel ist. Dann ist seine Rede noch absurder geworden samt Scharade vom Alki-Vater im Himmel. Ganz ehrlich, wäre er ein missionierender Typ, der so von Haustür zu Haustür die frohe Botschaft verbreitet, hätte ihn schon jemand erschossen.

Jim Carrey staubt ein paar Lacher ab mit LSD-Witze und einer Grimasse, die bereits 1991 in seinem Repertoire war. Bruce Dern war amüsiert und das ist wichtig. Der Gelbzahn-Tiger hätte nämlich auch echt Best Actor verdient. Ob der sich auch bei Gott so eingeschleimt hätte?

Diese elende „Happy“-Nummer wurde wie ein Breakdance-Film aus den frühen 90ern inszeniert, mit demografisch alles abdeckenden PR-Tänzern und einem komischen Hut—um uns Fashion-Polizisten zu ärgern oder einfach eine Pfadfinder-Affinität auszudrücken.

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Nur Jennifer Lawrence hat sich nicht getraut mit Pharrell zu tanzen, da sie echt überleben wollte. Beim Red Carpet ist sie ja wieder gestürzt, bei ihrer Rede hat sie das Mikro fast umgeschmissen und letztlich war sie scheinbar ernsthaft angepisst. Das Fluchen in Richtung der kichernden Kollegentrauben in den vorderen Reihen schien nur halb scherzhaft.

American Hustle, der als großer Loser-Film des Abends gehandelt wird, obwohl The Wolf of Wallstreet auch Zero bekommen hat (die verdammte Academy will sich nicht die Finger schmutzig machen), hat eine modische Alles-ist-erlaubt-Mentalität losgetreten. Die Damen versuchten den Preis für den schlimmsten Ausschnitt zu ergattern. Goldie Hawn könnte ebenso bei einer Adult Entertainment Preisverleihung sein.

Die Typen haben stattdessen ihr natürliches Haar nicht mehr unter Kontrolle und sahen aus wie Schulbuben. Bis auf Harrison Ford, dem seiner Redekunst nach zu urteilen eine Anti-Charisma Bombe an der Stirn explodiert sein muss.

Die echte Philomena Lee sowie der echte Kapitän Phillips waren da, wobei ja im Kiehlwasser des erfolgreichen Films die tatsächliche Besatzung des damals vom Piratenangriff gebeutelten Tanker behaupteten, dass Phillips nicht annähernd so heroisch gewesen sei wie im Film. Meuterei im Nachhinein, das tut weh.

Ein Scorsese-Maradona-Spruch von den wie Super-Mario-intonierenden Italienern unterhält und erfüllt alle Klischees. La Grande Bellezza holt sich den besten ausländischen Film. Danach gab es Pizza, naturally, und wir sahen Hollywood-Stars fettiges Essen auf Papptellern verzehren und fühlten uns dermaßen auf einem Level mit ihnen, dass das Pepperoni-Stück, das Jonah Hill verschlungen hat, MIR plötzlich aufstieß.

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Das half aber auch nicht über Tatsache hinweg, dass The Act of Killing einfach ignoriert wurde! Das war zu heißer Stoff und stattdessen hat der handzahme 20 Feet from Stardomgewonnen: nette Background-Sängerinnnen und ein bisschen Rock-and-Roll-Geschichte, die in jedes Vorabend-Programm passen—aber nicht auf diese Siegerliste.

Bette Midler singt affektiert ein Lied für Seymour Hoffman, Pink für Judy Garland und wir eine Ode an Spike Jonze, der Robert DeNiro irgendwie verwirrte: „Her … what?!“ Eine zynische Cate Blanchett bekommt für Blue Jasmine das Goldmännchen.

Gravity hat einen Haufen (7 Wins) abgeräumt, aber um den sozio-historischen Lehrauftrag, den Hollywood anscheinend für sich beansprucht, zu erfüllen, wird 12 Years a Slave—der bald ins Schulprogramm der USA aufgenommen wird—Best Picture.

Wir sind also keine Rassisten! Aber es war so absehbar, dass ich das Posting mit Slave als besten Film schon fertiggeschrieben hatte, bevor überhaupt die Nomierten aufgezählt waren. Ob das Gefühl des unumgänglichen Gewinnens ein bisschen den Erfolg vermiest? Anscheinend nicht, denn McQueen hüpfte trotzdem ganz glücklich im Dreieck.

Die Foto-Bombe von Cumberbatch bei U2 ist der witzige und ach-so-jugendliche Einstieg in die Schnappschuss-Show—und es sollte nicht seine einzige bleiben. Deutlich fiel auch auf, dass wirklich niemand mehr die erwähnte Irenband mag: „U Buh“, „U2, jetzt kann ich ja aufs Klo“, „Na geh!“ oder „U2, Speibkübel zurecht legen!“ waren noch die freundlicheren FB-Beiträge.

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Oscar-Mädels umarmen sich (Lupita Nyong'o hat verdient Supporting Actress abgeräumt) und John Stamos schaut blöd in Richtung einer Welt, die er nie näher kennenlernen wird. Kevin Spacey hat ihn auch kurz vor der Eröfnnung mit einem traumhaft billgen „Full House of Cards“-Scherz verarscht und somit nicht nur durch seine Fresse auf Ellens Twitter-Zerstörungs-Bild wieder Unmengen an Sympathie geerntet. Vielleicht ist er der wahre Sieger des Abends.

Aber es ist vorbei und die Zeit ist gekommen, die ganzen Filme nachzuholen, die uns fehlen.

Wohlsein