Warum du niemals heiraten solltest
Foto: Nadine Michels / Anna Basener

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Warum du niemals heiraten solltest

„Wir halten das Heiraten für einen privat-romantischen Akt. Leider ist es aber weder privat noch romantisch. Es ist politisch."

Anna ist wirklich, wirklich produktiv. Sie hat in den letzten fünf Jahren 25 Romane veröffentlicht. Sie schreibt über Grafen und Prinzessinnen, verfasst aber auch mal einen Sex-Western und sprengt in ihren Texten inzwischen mit Vorliebe Genregrenzen. Ihr E-Book-Bestseller Fürstenschund ist wie ein Sissi-Film. Den Tarantino gedreht hat. Als Buch.

Ich bin sehr gut darin, den Brautstrauß zu fangen. Das ist das Zeichen einer gewissen Expertise. Ich kann hoch springen, andere wegschubsen und hübsch arrangierte Blumen aus der Luft fischen. „Du bist die nächste", heißt es dann. Aber das ist natürlich großer Schwachsinn, mir geht es nur um die Blumen. Zum Ja sagen hab ich Nein gesagt. Wir dürfen nicht heiraten. Wir sollten nicht. Nicht mehr.

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Es ist nichts Neues, dass wir absolute Wahlfreiheit haben. Wir können als Individuen um uns selbst kreisen und uns jeden Tag neu dafür entscheiden, auch noch um jemand anderen zu kreisen. Das kann jeden Tag Jahre lang der gleiche Mensch sein, es muss aber nicht.

Ok, Einschränkung: Wir können nicht alles haben. Wir müssen Rücksicht auf die Bedürfnisse anderer Menschen nehmen und Verantwortung für unsere Handlungen und manchmal auch für unsere Lieblingsmenschen übernehmen. Ja, klar. Aber wir sind ja nicht bescheuert. Loyalität, Integrität, Absprachen … Das ist ja gesunder Menschenverstand, dafür haben wir keine Eheschließung nötig. Wir heiraten nicht, weil wir müssen, sondern, weil wir dürfen. Wir halten das für einen privat-romantischen Akt. Leider ist es aber weder privat noch romantisch. Es ist politisch, denn wenn wir heiraten, reproduzieren wir heteronormativen Mainstream und vermitteln der Gesellschaft, der Politik und auch unseren Nachkommen, dass die Ehe immer noch das Maß aller Dinge unseres Alltags ist. Die Ehe wäre dann in vierzig Jahren noch die Norm, alles andere „das andere". Es sollte nicht „das andere" sein. Wilde Ehe, homo, trans … Vielfältigkeit ist Normalität. Ja, ja in unseren Studenten-WGs und hippen Großstadtvierteln ist das natürlich schon voll so. Leider ändert das aber zum Beispiel nicht, dass homosexuelle Paare nicht heiraten dürfen. Warum nicht?! Warum?! Und zweitens werden auch die Bewohner dieser linksliberalen, hippen Subwelten dreiunddreißig, heiraten und machen ihre Großeltern mit einer Einladung zur Hochzeit sehr glücklich. „Das Kind wird ja doch erwachsen." (erwachsen = normal)

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Irgendwann geht das schneller als wir dachten, plötzlich sprießen um uns herum Ja-Worte wie Unkraut aus dem Boden. Und welche Konsequenz hat das? Es gibt genau zwei Dinge, die den Alltag eines verheirateten Paares von dem eines unverheirateten unterscheiden. Ehegattensplitting und das Recht auf Auskunft. Ersteres bringt vor allem für finanziell eh schon gutsituierte Paare einen Vorteil, und ich halte es für falsch. Wenn schon Partnerschaften subventioniert werden, dann bitte Geringverdiener mit Kindern. Aber in der Realität müssen da eh beide Partner arbeiten, und es gibt wenig bis nichts zu splitten. Letzteres ist ein Privileg, das ich auch gern hätte, wenn mein Freund bewusstlos im Krankenhaus liegen sollte. Dass ich es nicht einfach so bekomme, macht mich allerdings eher wütend, als dass es mich verleitet zum Standesamt zu gehen. Überhaupt, wieso sollte man 2015 noch heiraten? Wegen der Steuern und dem Splitting? Wirklich? Haben Generationen vor uns den moralischen Druck und die juristischen Maßnahmen der Institution Ehe wirklich in den Dienst der Liebe gestellt, damit wir jetzt wieder so einen Mist als Grund heranziehen wie Steuern und Ehegattensplitting? Ich hab beides tatsächlich schon als Erklärung vorgesetzt bekommen. Das ist wirklich nicht romantisch, aber eben auch noch keine besonders politische Frage.

Die stellt sich für mich eher, wenn die Germanistin aus dem Gender Studies Seminar von damals plötzlich doch den Namen ihres Mannes annimmt. „Ich find seinen Nachnamen einfach schöner." Hört man diesen Satz eigentlich jemals von einem Mann? Nach meiner Erfahrung können Männer Oberwurst oder Unterkacke heißen und behalten diesen Nachnamen voll Stolz. Und wenn die Frau ihren Namen doch weiterführt, gibt sie ihn selten ans Kind weiter. Tut sie es, ist sie die Ausnahme. Die Regel hält eine genealogische Idee am Leben, die über sechshundert Jahre alt und sehr patriarchalisch ist. Der Name des Mannes hat gesellschaftlich einen höheren Wert. Und bis heute verleitet die Ehe dazu, diesen Wert zu erhalten oder zu steigern. Wir sollten dringend aufhören, so was zu reproduzieren.

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Der Ursprung der Ehe ist ökonomisch und patriarchalisch, ihre heutige Praxis ist zum großen Teil die gleiche wie in jeder wilden Ehe. Aber dort, wo es Unterschiede gibt, lädt sie zur Diskriminierung ein. Frauen geben mehr auf, und Homosexuelle haben eh schon nicht die gleichen Rechte. Das ist doch alles ein großer Murks.

Und wenn man möchte, dass die Institution Ehe die eigene Liebe und Romantik zum Glänzen bringt? Und wenn es nur um die Hochzeit selbst geht? Den Tag, an dem man sich füreinander entscheidet, Ja sagt und mit allen lieben Menschen feiert? Das klingt ganz schön. Aber ich finde es auch schön, sich seine eigene kleine, private Beziehung zu bauen. Denn auch ein Hochzeitsfest ist nicht privat. Es ist eine große Feier und ein uraltes Ritual, das wenig Raum für Individualität lässt. Eine Hochzeit feiert man am Ende weniger für sich als für die Gesellschaft und die Gäste.

Das kann man auch total anders machen, klein und individuell? Wirklich? Ich halte das für eine Illusion, der sich das Brautpaar gern hingibt, um sich nicht in einem eigentlich unpersönlichen Akt völlig aufzulösen. Der Druck ist groß und der Anspruch festlich. Ich habe noch keinen gesehen, der in dieser Situation das „Hoch" aus „Hochzeit" rausbekommen hat – und wenige, die das „Hoch" wirklich getroffen haben.

Und auch dann: Heiraten ist nicht romantisch, Heiraten ist eine Formatvorlage. Eine sehr altes und sehr ökonomisches Template, das nicht selten aus einer Gesellschaft ein paar Schichten höher kopiert wurde. Brautjungfern zum Beispiel sind der Versuch eines Hofstaats, die Blaupause von Hofdamen. Das ästhetische Konzept Braut überhaupt ist das einer Prinzessin aus der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts. Korsage, weiter Rock, funkelnder Kopfschmuck ­– die Ausstattung einer Figur, die jungfräulich zu sein hatte und sich unterwerfen musste. Es gibt natürlich Einzelaspekte dieses Rituals, gegen die ein Brautpaar sich entscheiden kann. Natürlich kann man zu vielem Nein sagen, der springende Punkt ist, dass man Nein sagen muss. Es gibt eine Art Modellset „Hochzeit" und für alles, was das Brautpaar davon nicht verwendet, muss es sich rechtfertigen oder es wird hinter vorgehaltener Hand dafür verurteilt. Essen, DJ, Brautkleid, alles wird bewertet.

Wir müssen nicht heiraten. Wir sollten nicht. Wir haben echte Romantik verdient, was auch immer das ist. Sicher ist nur, sie ist keine Formatvorlage. Das geht begrifflich einfach nicht zusammen. Wir halten die konsumistische Ausschlachtung des Valentinstags ja auch nicht für einen Nährboden der Romantik. Die Liebe fängt doch da an, wo wir nichts mehr planen oder kaufen können. Am Ende können wir sie weder erklären noch in einen rechtlichen Rahmen packen. Und das ist doch das Schöne. Wir hinterfragen die Leistungsgesellschaft und erschaffen die coolsten Arbeitsplätze. Wir backpacken und machen bio. Wir machen uns die Welt wie-de-wie sie uns gefällt. In Sachen Beziehung dürfen wir damit nicht aufhören.

Wir dürfen nicht vergessen, dass wir die Gesellschaft mitgestalten. Manchmal ist das Private wirklich politisch. Warum heiraten, so lange nicht jeder heiraten kann? Das ist eine rhetorische Frage, wir sollten damit einfach ganz aufhören und stetig neue Beziehungsmodelle ausprobieren und erschaffen. Und wir können uns ja auch ohne Hochzeitsfeste schöne Kleidung anziehen und uns gegenseitig mit Blumensträußen bewerfen. Jeden Tag.

Mehr von Anna gibt es hier und hier.