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Warum es einfach ist, bei der Führerscheinprüfung zu betrügen

Für diese 22-Jährige endete ihr Betrugsversuch allerdings beim Arzt.

Wer die theoretische Fahrprüfung besteht, bekommt einen feuchten Händedruck des Prüfers und schließlich ein Sektchen von Mami und Papi—oder eben eine Leibesvisitation von der Polizei, die schon vor dem Prüfungszimmer wartet. So lief es zumindest neulich für eine 22-jährige Fahrschülerin aus Sundern im nordrhein-westfälischen Sauerland, die den Test mit nur einem Fehler bestanden hatte.

Der TÜV, der die Prüfung abhielt, hatte die Beamten gerufen, weil sie einen Tipp vom Fahrlehrer der 22-jährigen Kosovarin erhalten hatten: Diesem kam es komisch vor, dass seine Fahrschülerin kaum Deutsch verstand, aber trotzdem die Prüfung machen wollte und sie sich für den Test extra in einem 30 Kilometer entfernten Ort angemeldet hatte, obwohl dieser auch in der Nähe möglich gewesen wäre.

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Als die Beamten die junge Frau durchsuchten, fanden sie eine mittlere Spionageausrüstung: An ihrem pinken BH hatte die Frau eine Minikamera, zudem hatte die 22-Jährige einen Knopf im Ohr und zwei Funkgeräte am Körper. Durch das Knopfloch ihrer Bluse filmte die junge Frau den PC-Bildschirm mit den Fragen ab und bekam dann durch den Stecker im Ohr die richtigen Antworten durchgesagt. Das ganze Equipment war laut der Polizei so professionell angebracht, dass es von außen partout nicht zu erkennen war.

Außer der Durchsuchung konnten die Beamten allerdings nichts machen, denn: "Bisher ist Betrug in der Führerscheinprüfung kein Straftatbestand", erklärt Anna Becker, Polizeioberkommissarin bei der Kreispolizeibehörde Märkischer Kreis, die für den Fall der Fahrschülerin zuständig war. Wer in der Führerscheinprüfung schummelt, kann dafür also eigentlich nicht mehr belangt werden als ein Schüler, der in der Physikklausur zur Thermodynamik gespickt hat. Aufstehen. Durchgefallen.

Wer auffliegt, wird lediglich vom TÜV an die Führerscheinstelle verpfiffen. Dort warten auf den Bewerber allerdings auch keine ernsthaften Konsequenzen. "Wenn es sich um den ersten Betrugsversuch handelt, gibt es üblicherweise ein Gespräch mit dem Prüfling, indem er die Möglichkeit hat, sich zu erklären. Die üblichen Ausreden sind dann eine angebliche starke Prüfungsangst oder dass man der Sprache nicht mächtig ist und darum dringend Hilfe brauchte. Meist sind die Leute aber einfach nur zu faul zum Lernen", erzählt ein Mitarbeiter der Führerscheinstelle Lüdenscheid. Dass dem Betrugsversuch wirklich eine Krankheit wie Legasthenie zugrunde liegt oder tatsächlich panische Prüfungsangst, komme selten vor, sagt er.

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Warum die 22-Jährige aus Sundern so dringend einen Führerschein wollte, dass sie sich dafür wie ein Bond-Girl verkabelte, ist allerdings nicht bekannt. Dass sie es demnächst aber nochmal versuchen darf, das Objekt ihrer Träume zu bekommen, ist gut möglich. Denn unabhängig von den Gründen bekommen Fahrschüler bei einem einmaligen Betrugsversuch eine zweite Chance, meist nach einer zwei- oder dreimonatigen Wartezeit.

Medizinisch-psychologische Eignungstests, die Schummler angeblich absolvieren müssen, fallen unter die Kategorie Urban Legend. Denn nur, weil jemand einmal versuche, bei der Führerscheinprüfung zu betrügen, würde das ja noch nicht bedeuten, dass der Bewerber per se ungeeignet sei, heißt es aus der Führerscheinstelle Lüdenscheid.

Der TÜV setzt sich nun dafür ein, dass Betrug bei der theoretischen Fahrprüfung als Straftat gilt. Denn klar, wer im Alltag von Thermodynamik keine Ahnung hat, ist im Zweifelsfall weniger gefährlich als jemand, der während des Fahrens dreimal überlegen muss, was dieses rot-weiße Schild bedeutet, das wie ein auf den Kopf gestelltes Dreieck aussieht.

Im Fall der Verkabelten versuchte die Polizei, aufgrund der professionellen Ausstattung etwas über eventuelle Hintermänner herauszufinden. Dem TÜV Rheinland zufolge verlangen organisierte Gruppen bis zu 1.500 Euro für eine bestandene Prüfung. Aber auch hier kann die Polizei aufgrund des fehlenden Straftatsbestands nichts machen—außer zu versuchen, die Banden ganz spießig über eventuelle Steuer- oder Gewerbeverstöße dranzukriegen. Allerdings muss man sich, wie ein kurzer Blick auf Amazon oder eBay zeigt, nicht mal an eine vermeintlich "professionelle" Bande halten. Mini-Kameras, Mikrofone und Co. gibt es schon für so geringe Beträge, dass dafür auch das Taschengeld eines Abiturienten reicht.

Bis zu einer möglichen Gesetzesänderung bleibt es den Prüfern allerdings nur übrig, die Führerscheinbewerber bei dem Test genau zu beobachten. Für die 22-Jährige gab es nämlich nicht nur bisher keinen Führerschein und eine polizeiliche Durchsuchung, sondern auch einen Besuch beim Hals-Nasen-Ohren-Arzt. Sie hatte sich nämlich ihren Spionage-Kopfhörer so tief in den Gehörgang reingeschoben, dass der Arzt ihn entfernen musste.