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Drogen

Warum sind Psychedelika wirklich verboten?

Möglicherweise sind wir alle Opfer einer jahrtausendealten kulturellen Konditionierung.

Für Terence McKenna waren Cannabis, Psilocybin, DMT, LSD und andere Psychedelika „Katalysatoren intellektuellen Widerspruchs". In seinem Buch The Archaic Revival (1991) vermutete er, dass Psychedelika nicht deshalb illegal seien, „weil es irgendjemanden stört, dass du Visionen hast", sondern weil „sie Zweifel an der Gültigkeit der Wirklichkeit hervorrufen". Deshalb sei es selbst für demokratische und besonders für sogenannte „Dominator"-Gesellschaften schwierig, Psychedelika in Kauf zu nehmen. Wir leben seiner Meinung nach in einer globalen „Dominator"-Gesellschaft.

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McKenna verwendet die Begriffe „Partnerschaft" und „Dominator" zur Beschreibung von Gesellschaften und Beziehungen. Sie wurden von Riane Eisler geprägt, auf deren Arbeit McKenna sich häufig bezieht. In The Archaic Revival schrieb McKenna:

In ihrem Buch Kelch und Schwert, in dem sie die gängige Geschichtsschreibung neuaufrollt, entwickelt Riane Eisler den richtungsweisenden Gedanken weiter, dass es „partnerschaftliche" Gesellschaftsmodelle gibt, die mit „dominierenden" Formen sozialer Ordnung konkurrieren und von diesen unterdrückt werden. Letztere sind hierarchisch, patriarchalisch, materialistisch und von Männern dominiert. Eisler führt aus, dass die Spannung zwischen diesen beiden Formen sozialer Ordnung sowie die übermäßige Umsetzung der „Dominator-Kultur" für die Entfremdung in der heutigen Welt verantwortlich seien. Ich kann Eisler nur zustimmen.

Wenn wir verstehen wollen, warum Psychedelika verboten sind, müssen wir laut McKenna verstehen, weshalb die Welt heutzutage nach dem „dominierenden" statt dem „partnerschaftlichen" Modell funktioniert und was diese Begriffe genau umfassen. Dafür befassen wir uns mit Eislers Werk, das—wie viele von McKennas Arbeiten auch—Aspekte von Geschichte und Natur beschreibt, die bisher übersehen und absichtlich verdrängt wurden. In ihrem Buch Kelch und Schwert: von der Herrschaft zur Partnerschaft. Weibliches und männliches Prinzip in der Geschichte führt Eisler an, dass die Menschheit während der vergangenen 32.000 Jahre, in den allermeisten Fällen, in partnerschaftlichen Gesellschaften, innerhalb eines globalen partnerschaftlichen Kulturmodells lebte—eine Lebensweise, die heute fast unvorstellbar ist.

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Kelch und Schwert (1987) von Riane Eisler

Eisler führte die Begriffe Partnerschaft und Dominator in ihrer Theorie zu kultureller Transformation ein. Sie stellte die These auf, dass der Vielfalt menschlicher Kultur zwei Gesellschaftsmodelle zugrunde liegen. Beim Dominator-Modell nimmt die eine Hälfte der Menschheit einen höheren Rang ein als die andere Hälfte. Diese Verzerrung stützt sich auf einen Unterschied, der unsere Spezies ausmacht, den zwischen Mann und Frau, und wird dadurch zur Grundlage für alle anderen Beziehungen (und, wie ich glaube, Erfahrungen). Im Partnerschaftsmodell wird Vielfalt nicht mit Unter- oder Überlegenheit gleichgesetzt. Statt eine Rangfolge zu erstellen, werden Verknüpfungen geschaffen.

Laut Eisler ist die Dichotomie zwischen Dominator und Partnerschaft nicht ideologiespezifisch: sowohl der Kapitalismus als auch der Kommunismus berufen sich auf Dominator-Werte. Sie ist auch nicht geschlechtsspezifisch, weil sowohl Männer als auch Frauen Dominator-Haltungen einnehmen können. McKenna hob besonders diesen Aspekt von Eislers Arbeit hervor. In The Evolutionary Mind (1998) schrieb er:

Das ist kein rein männliches Problem. Jede Person in diesem Raum hat ein weitaus größeres Ego als ihr guttut. Riane Eisler hat es mit ihrem Buch Kelch und Schwert geschafft, die in dieser Diskussion verwendeten Begrifflichkeiten vom Geschlechtsspezifischen loszulösen. Statt ständig über das Patriarchat zu sprechen, sollten wir vielmehr von der Konkurrenz zwischen Dominator-Kultur und Partnerschaftskultur sprechen.

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Häufig wird angenommen, dass Männer im Laufe der Geschichte das dominierende, unterdrückende Geschlecht waren—was Eislers geschlechtsneutrale Theorie widerlegen würde. Nur, dass es nicht stimmt. Eisler hat gezeigt, dass das weltweit bestehende Dominator-Modell eine neuere Entwicklung ist. Seit ca. 35.000 v. Chr. (das früheste Datum, auf das die sogenannten Venusfiguren bestimmt wurden) bis ca. 5000 v. Chr. lebte die Menschheit in partnerschaftlichen Gesellschaften. Es gab weder ein Patriarchat noch ein Matriarchat. McKenna schrieb in Die Speisen der Götter (1992):

Eisler beruft sich auf archäologische Funde, um zu begründen, dass die partnerschaftlichen Gesellschaften des Nahen Ostens jahrhundertelang ohne Kriege und Unruhen funktionierten. Krieg und Patriarchat tauchten erst im Gefolge der Dominator-Werte auf.

Hinweise auf partnerschaftliche Gesellschaften wurden beispielsweise in der Ausgrabungsstätte Çatalhöyük in Anatolien entdeckt. Die Ausgrabungsfunde umfassen einen Zeitraum von ca. 7500 v. Chr. bis ca. 5700 v. Chr. (als Eislers Buch veröffentlicht wurde, waren die ältesten Funde auf ca. 6500 v. Chr. datiert worden). Archäologen fanden keine Hinweise auf eklatante soziale Unterschiede. Die soziale Ordnung war matrilineal und matrilokal und die „göttliche Familie von Çatalhöyük" wurde (nach Bedeutung geordnet) in folgender Reihenfolge dargestellt: Mutter, Tochter, Sohn, Vater. In mehr als 40 der 139 zwischen 1961 und 1963 freigelegten Räumen befanden sich Schreine. „Der Kult der Großen Göttin scheint eines der auffälligsten und wichtigsten Elemente des alltäglichen Lebens gewesen zu sein." Eisler schrieb:

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Die anthropomorphen Darstellungen der Göttin in Çatalhöyük und anderen jungsteinzeitlichen Gesellschaften stellen, wie der griechische Philosoph Pythagoras später bemerkte, verschiedene Abschnitte im Leben einer Frau dar—das junge Mädchen, die Mutter und die Großmutter oder Ahnfrau. Die Tatsache, dass die Schlafplattformen der Frauen, auf denen sich die persönlichen Gegenstände sowie das Bett oder der Diwan der Frauen befanden, sich in Çatalhöyük immer an derselben Stelle, auf der östlichen Seite der Wohneinheit befanden, deutet auf eine matrilineale und matrilokale soziale Ordnung hin. Die Schlafräume der Männer waren kleiner und befanden sich an unterschiedlichen Stellen in den Häusern.

Und weiter:

Trotz dieser Hinweise auf die Vorrangstellung der Frauen in Religion und Alltag deutet nichts darauf hin, dass es auffällige Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen gab. Auch gibt es keine Anzeichen dafür, dass Frauen Männer unterdrückten.

Auch 3000 Jahre nachdem die Menschheit sich zu Zivilisationen verdichtet hatte, lebten die Menschen friedlich und verehrten die Göttin. Eisler stellt fest, dass „praktisch alle materiellen und sozialen Technologien, die die Grundlage unserer Zivilisation bilden, vor der Aufzwingung der Dominator-Kultur entwickelt wurden". Das bedeutet, dass „Krieg nicht notwendig ist für technologischen und somit auch kulturellen Fortschritt—auch wenn Pentagon-Theoretiker das Gegenteil behaupten mögen." Eisler nennt diesen Umstand „eines der bestgehüteten Geheimnisse der Geschichte."

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Erst gegen 5000 v. Chr. tauchte das Dominator-Modell in Form nomadischer Banden aus der Peripherie auf. Sie griffen bestehende Zivilisation an, die alle partnerschaftlich organisiert waren. Langsam tauchten Verteidigungsmechanismen wie Gräben und Wälle auf, die es zuvor nicht gegeben hatte. „Diese wiederholten Einfälle und darauf folgenden Kulturschocks und Bevölkerungswandel kamen in drei Wellen: die erste Welle von 4300 bis 4200 v. Chr., die zweite von 3400 bis 3200 v. Chr. und die dritte von 3000 bis 2900 v. Chr. Im Zentrum des Wertesystems der Angreifer stand eine Macht, die Leben nimmt, nicht eine, die Leben gibt." Als die Dominatoren die Zivilisationen eroberten, fingen sie an, die alten Lebensweisen zu unterdrücken. Das bedeutete, dass auch der Kult der Göttin unterdrückt wurde. Das wiederum hatte eine Marginalisierung der Frau im Allgemeinen zur Folge. Eisler schreibt, dass „die Göttin und die Frauen insgesamt zu Gemahlinnen oder Geliebten degradiert wurden. Schrittweise wurden männliche Dominanz, Krieg und die Versklavung von Frauen und sanfteren, ‚verweiblichten' Männern zur Regel". Und weiter:

Nach einer anfänglichen Phase der Zerstörung und des Chaos entstanden die Gesellschaften, die wir in unseren Geschichtsbüchern als Anfänge unserer westlichen Zivilisation feiern.

Die letzte partnerschaftliche Zivilisation war die Minoische, die—wie Eisler bemerkt—normalerweise nicht in Vorlesungen zu westlicher Zivilisation erwähnt wird. Die Vorläufer der Minoer kamen um 6000 v. Chr auf Kreta an und brachten den Göttinnenkult mit sich. 4000 Jahre lang blühte die minoische Zivilisation, in der es keine Kriege, dafür aber eine halbwegs gerechte Aufteilung von Reichtum gab. Die Minoer schmückten ihre Häuser und öffentlichen Gebäude mit Kunst, die in den Annalen unserer Zivilisation ihres gleichen sucht. „Im Kreta der Minoer erinnerten Säulen und Symbole überall an die Gegenwart der Großen Göttin", zitiert Eisler in ihrem Buch. Auf Grundlage ihrer Forschung kommt Eisler zum dem Schluss, dass die mythische Zivilisation Atlantis, die Platon im 4. Jahrhundert v. Chr. beschrieb, eine verfälschte mündliche Überlieferung war, und zwar nicht von einem verlorenen Kontinent, sondern von der minoischen Gesellschaft auf Kreta.

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Im Mittelpunkt minoischer Kunst stand die Natur. Verherrlichende Darstellungen von Brutalität oder Krieg gab es nicht.

Um 1100 v. Chr. „war alles vorbei". Das Dominator-Modell hatte in Form des Patriarchats die Oberhand gewonnen. Frauen—die mindestens 30.000 Jahre lang Männern gleichgestellt waren—wurden plötzlich abgewertet. Im antiken Griechenland, dessen Demokratie den Großteil der Bevölkerung ausschloss (indem sie Frauen und Sklaven nicht teilhaben ließ), wurden sie marginalisiert. Eislers Ansicht nach, kann sehr viel von dem, was in der antiken griechischen Kultur gut und schön war—die Liebe zur Kunst, das ausgeprägte Interesse an der Natur, die reiche und vielfältige feminine und maskuline mythische Symbolwelt—auf die minoische Kultur Kretas zurückgeführt werden. Relikte des Kults der Göttin fand man in Form der zahlreichen griechischen Göttinnen auch im antiken Griechenland. Alle diese Göttinnen waren jedoch Zeus untergeordnet. Die Dinge verschlechterten sich weiter, bis sie in der Bibel einen Tiefpunkt erreichten. Wie Eisler feststellt, wird im Alten Testament explizit erklärt, dass es Gottes Wille ist, dass die Frau dem Mann untergeordnet sei. Eisler schreibt:

Wenn wir die Bibel als normative soziale Literatur betrachten, ist die Abwesenheit der Göttin eine wichtige Aussage über die soziale Ordnung, die die Männer, die dieses Buch über die Jahrhunderte schrieben und umschrieben, errichten und aufrechterhalten wollten.

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Trotz immer gefährlicherer Rückschläge in Form von Kriegen mit immer zerstörerischen Waffen, können die folgenden 2000 Jahre bis zur Gegenwart als stufenweise Erholung vom plötzlichen Eindringen des Dominator-Modells gesehen werden. Dieses hat seit seinem Auftauchen bewusst und unbewusst alle Hinweise auf den ursprünglichen Göttinnenkult und seine diversen Wiederbelebungen in der Geschichte zerstört oder unterdrückt.

*

Wenn man nicht gerade Teil eines indigenen Stammes wie der !Kung im südlichen Afrika oder der Mbuti im Kongo ist, ist man heutzutage wahrscheinlich fest im Griff der Dominator-Kultur. Eisler schreibt: „Nach Tausenden von Jahren unablässiger Indoktrinierung ist das für uns einfach die Realität, die Art und Weise, wie die Dinge sind." McKenna stellte fest, dass Menschen—insbesondere in Dominator-Gesellschaften—nicht dazu ermutigt werden, ihr Verhalten oder die Verhältnisse im Allgemeinen zu hinterfragen. Ebendas ist aber einer der Effekte von Psychedelika. McKenna gab 1987 zu bedenken:

Psychedelika sind nicht deshalb verboten, weil eine fürsorgliche Regierung befürchtet, dass ihr aus dem dritten Stock springen könntet. Psychedelika sind verboten, weil sie vorhandene Meinungsbildungsstrukturen und kulturell festgeschriebene Verhaltens- und Informationsverarbeitungsmuster auflösen. Sie eröffnen die Möglichkeit, dass alles, was wir wissen, falsch sein könnte.

In diesem Sinne kann ich jedem nur nahe legen, sich zu zu dröhnen und Kelch und Schwert zu lesen. Oder sich zu zu dröhnen und sich Man & Woman at the End of History eine mehrtägige Podiumsdiskussion, die von Eisler und McKenna moderiert und 1988 im Radio gesendet wurde—anzuhören. Während dieser Diskussion führt McKenna die Rolle von Psychedelika in Eislers Theorie ein. Eisler vergleicht McKennas Rhetorik mit einem Feuerwerk: „Sie erhellen so viele Dinge so schnell, nur um sofort zum nächsten Punkt zu springen." Als Schlusspunkt habe ich ein Zitat aus dieser Diskussionsreihe gewählt:

Uns wird weisgemacht, dass wir uns inmitten einer ungeheuren politischen Krise befinden, die unter dem Stichwort „Drogenproblem" zusammengefasst werden kann. Aber das Drogenproblem ist ein Abhängigkeitsproblem. Die Abhängigkeit wiederum ist meiner Ansicht nach die Abhängigkeit der Geheimdienste von großen Mengen nicht zurückverfolgbaren Geldes. Diese Abhängigkeit ist für das weltweite Drogenproblem verantwortlich. Es stimmt natürlich aber auch, dass es chemische Abhängigkeiten gibt. Das ist das Interessante an uns Menschen. Wir sind Allesfresser und diese Fähigkeit hat uns für—nicht unbedingt Manipulation—aber doch für einen gewissen selektiven, evolutionären Druck empfänglich gemacht, der normalerweise nicht vorhanden ist. Die meisten Tiere ernähren sich von einigen wenigen Dingen. Viele Tierarten haben nur eine Nahrungsquelle. Unsere Fähigkeit, omnivor zu sein, hat uns in den vergangenen vier, fünf Millionen Jahren einer Vielzahl mutagener und synergistischer Verbindungen ausgesetzt, die u.a. dafür verantwortlich sein können, dass sich die Adoleszenzphase unserer Spezies verlängert hat.*

[Alle Übersetzung von Passagen und Zitaten und aus Werken von Terence McKenna und Riane Eisler von VICE]

Titelbild: Wandgemälde aus der Minoischen Zivilisation, die von ca. 2700 bis 1450 v. Chr. bestand