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Was passiert, wenn im Iran Menschen an Baukränen erhängt werden

Atlas ist eine deutsche Firma und Kräne in den Iran zu verkaufen, ist nicht verboten. Laut dem Vorstandsvorsitzenden von Atlas ist die Welt eben voller Arschlöcher.

Vor kurzem haben wir eine Presseerklärung erhalten, die ziemlich interessant war (und das passiert echt selten). Sie wurde von der NGO United Against Nuclear Iran (UANI) verschickt. Mit Sitz in New York und unter Leitung des ehemaligen US-Botschafters der UN, Mark D. Wallace, zeigte UANI Fotos von Hinrichtungen von angeblichen Kriminellen in den iranischen Städten Qaem-Schahr und Babol. Die Männer wurden aber nicht an „normalen“ Galgen erhängt. Sie hingen an Kränen, auf denen nur ein Wort stand: Atlas.

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Die Kräne kommen von der Atlas Maschinen GmbH, einer deutschen Firma, die LKWs und Baumaschinen herstellt. Und UANI ist nicht begeistert davon. 2011 hatte Wallace in einem Kommentar für die Los Angeles Times erklärt, wie seine Organisation versucht, Kran-Hersteller davon abzubringen, ihre Produkte in den Iran zu verkaufen. Zumindest solange das Regime so begeistert Verurteilte mit diesen erhängt. Dadurch würde sich natürlich nichts Grundsätzliches ändern, da es im Iran immerhin genügend hohe Konstruktionen gibt von denen man jemand erhängen könnte. Wir wollten aber trotzdem wissen, wie es sich anfühlt, wenn eine angepisste NGO einem sagt, dass die Kräne, die man herstellt, für Exekutionen genutzt werden.

Wir haben also Fil Filipov angerufen, den Vorstandsvorsitzenden von Atlas. Geboren 1946 im kommunistischen Bulgarien, floh er mit 17 Jahren in die USA und hatte eine extrem erfolgreiche Karriere in der Baumaschinen-Branche. Mehr zu Filipov findet sich auf seiner Website, Filosophies.com. Er sagte uns, dass er nichts über die Vorwürfe von UANI wusste.

„Ich habe keine Ahnung, ob das stimmt oder nicht und ich werde es nicht kommentieren,“ sagte Filipov zu VICE. „Mir ist egal, was die schreiben.“

Während unseres Gesprächs gab Filipov an, dass Atlas in 58 Länder verkauft, aber er sagte, dass der Iran keines dieser Länder sei. „Ich verkaufe nichts in diesem Land.“

Das erklärte allerdings nicht die Existenz von Hydro-Atlas, einer Firma in Teheran, die sich selbst als „die offizielle Repräsentanz der Atlas GmbH im Iran“ beschreibt. „Gegründet 1976 mit Unterstützung der deutschen Firma Atlas.“ Wir haben Filipov dazu befragt.

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„Ich kann die Leute nicht davon abhalten, den Namen Atlas zu verwenden—Sie können ihn auch benutzen, wenn Sie wollen,“ sagte er. „In Europa gibt es vermutlich etwa 30 Händler mit dem Namen Atlas: Atlas Hannover, Atlas Stuttgart. Keiner davon hat mit der Originalfirma Atlas zu tun.“

Filipov besteht darauf, dass seine Firma „sich an alle Vorschriften und Handelsabkommen hält“, was auch zu stimmen scheint, soweit wir das beurteilen können. Atlas ist eine deutsche Firma und Kräne in den Iran zu verkaufen, ist weder von der UN noch der EU verboten. Momentan exportieren etwa 100 deutsche Firmen in den Iran und der Rest Europas ist genau so gut repräsentiert.

Mit einem Kran erhängt zu werden, ist eine wirklich schreckliche Art zu sterben. Wenn die Galgen benutzt werden, die man kennt, bricht das Genick des Verurteilten meist schon während des Falls, was die Person quasi fast sofort tötet. Wenn jemand mit einem Kran erhängt wird, wird die Person allerdings langsam am Genick hochgezogen, bis sie über dem Boden hängt. Es kann bis zu 20 Minuten dauern, bis der Tod eintritt.

Foto via.

Der Mann, der in Qaem-Schahr gehängt wurde, hatte angeblich Schulkinder vergewaltigt. Die beiden in Babol waren des vierfachen Mordes schuldig. Aber im Iran werden auch Schwule, politische Gefangene und Menschen hingerichtet, die sich muḥāraba (Krieg gegen Gott und seinen Propheten) schuldig gemacht haben, was den Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für Menschrechte nicht gerade glücklich macht. Laut UANI haben sich nach der Kampagne fünf große Kranhersteller aus dem Iran zurückgezogen: Konecranes aus Finnland, UNIC und Tadano aus Japan, Liebherr  aus Deutschland und besonders interessant, die amerikanische Firma Terex. Das ist deswegen bemerkenswert, weil im Vorstand von Terex lange Zeit sowohl Filipov als auch sein Sohn Steve saßen und weil die Firma 2011 angab , dass die Kampagne von UANI nichts mit ihrem Rückzug aus dem Iran zu tun habe, die Entscheidung dafür sei schon vorher gefallen.

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Wir haben den Sprecher von UANI, Nathan Carleton gefragt, was die Organisation von Atlas erwartet.

„Niemand behauptet, dass Fil Filipov persönlich Leute von Kränen hängen lässt oder dass er mit der Vorgehensweise des Regime in irgendeiner Form einverstanden ist,“ sagte Carleton. „Was wir aber wissen, ist, dass Menschen von Atlas-Kränen erhängt werden und dass es im Iran einen Händler unter dem Namen Atlas gibt.“

Carleton sagt, dass die Fotos, die UANI verbreitet, Atlas dazu bringen sollen, zu handeln. Filipov widerspricht dem, was nicht gerade überrascht: „Mit dem Internet und der Welt in der wir heute leben, können die Leute mein Foto doch überall hin montieren und alles mögliche darüber verbreiten. Es ist wahrscheinlich mit Photoshop gemacht.“

So kamen wir nicht weiter, also haben wir Hydro-Atlas in Teheran angerufen. „Wir importieren Maschinenteile aus Deutschland unter der Lizenz von Atlas“, sagte ein Sprecher auf Farsi, „und wir bauen sie in unserer iranischen Fabrik zusammen.“

OK, das war gar nicht so kompliziert. Entgegen dem, was Filipov sagte, gibt es offenbar einen Vertrag mit einem Verkäufer im Iran. Allerdings ist das nicht illegal. Und obwohl Filipov so nett war, uns den Namen Atlas anzubieten, ist davon auszugehen, dass er es nicht zulassen würde, wenn eine Firma sich Atlas nennen würde, ohne tatsächliche Atlas-Kräne zu verkaufen. Auch wenn er nicht die ganze Wahrheit über den Handel mit dem Iran gesagt hat, zwingt ihn das noch nicht dazu, irgendetwas zu ändern.

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„Sie können nicht viel anderes machen, als damit aufzuhören, Kräne zu verkaufen,“ sagte John Boatright, Professor für Wirtschaftsethik an der Loyola University in Chicago. „Und ich gehe mal davon aus, dass es bereits genug Kräne im Irak gibt, um Leute daran zu erhängen.“

Laut Joseph DesJardins, Philosophie-Professor an der St. John’s University in Minnesota, der auch Teil der Wirtschaftsethik-Kommission ist, ist es für eine Firma, die sich in einer Situation befindet, wie es Atlas gerade tut, wichtig einen guten Gesamteindruck zu bekommen. „Der Iran hat schon Kräne und kann sie überall kaufen,“ sagt er. „Aber was ist mit der Integrität? Natürlich hätte es nichts an der Apartheid geändert, wenn Coca Cola nicht mehr in Südafrika verkauft hätte, aber wäre es gut für die Integrität der Marke gewesen? Will man seine Produkte wirklich an jeden verkaufen?“

Wir haben die Frage Filipov gestellt:

„Was kann man machen?“ fragte er. „Die Welt ist voller Arschlöcher.“

Aharoz Makareshi hat zu diesem Text beigetragen.