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Sex

Wie es ist, wenn in deinem Freundeskreis der Tripper ausbricht

Geschlechtskrankheiten sind nicht nur eklig und gefährlich, sondern können auch Paranoia auslösen.

Keiner redet gern darüber, aber wenn's passiert, dann muss das sein. Es geht um Gonorrhoe, auch Tripper genannt, nach Chlamydien die zweithäufigste Geschlechtskrankheit Deutschlands. Seit 2000 steigt die Zahl der Betroffenen stetig an und lag Ende 2014 bei 11 bis 25 Betroffenen pro 100.000 Einwohner. Obwohl wir auch schon anderes in Betracht gezogen haben, sind junge Großstädter zwischen 15 und 24 doch am meisten gefährdet. Das kann auch Janet Wach vom Gesundheitsamt Bochum bestätigen. Die Zweigstelle Bochum ist eine der wenigen, die kostenlose Gonorrhoe-Tests anbieten, und dieses Angebot ist aktuell gefragt wie nie. „Die meisten Betroffenen, die unseren Service in Anspruch nehmen, sind Anfang bis Mitte 20. Wir erwarten noch größeren Zulauf in den nächsten Jahren, da die Zahl der Neuinfizierungen kontinuierlich steigt. Gründe dafür sind die schwindende Angst vor HIV-Infektionen und damit einhergehend, dass immer weniger Kondome benutzt werden. Außerdem entsteht durch das Internet ein immer größerer potentieller Partnerpool, wohingegen das persönliche Kennenlernen entfällt."

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Dass die Wochenend-Eskalation etwas zu wild war, merkt man ein bis vierzehn Tage später. Dann können Schmerzen beim Pinkeln und ein milchig-eitriger Ausfluss auftreten. In ungefähr 25 Prozent aller Fälle verläuft die Krankheit jedoch komplett symptomfrei, was besonders gefährlich ist, da ein unbehandelter Tripper zu Unfruchtbarkeit führen kann. Doch auch die Therapie mit Antibiotika wird immer schwieriger, da die Gonokokken zähe kleine Biester und mittlerweile gegen viele Wirkstoffe resistent sind. „Auch hier gab es schon Fälle, in denen das erste Antibiotikum nicht anschlug. Wenn sich dann jedoch an die Behandlungsrichtlinien der STI gehalten wird, kann beinahe jede Infektion therapiert werden", so Wach. Seit 2011 treten vor allem in Asien immer wieder komplett immune Bakterien-Kulturen auf, was Ärzte und Forscher zunehmend beunruhigt. Zum Glück hatte der Freundeskreis unserer Autorin es anscheinend nicht mit dem Mutanten-Bakterium zu tun:

Als Frau weißt du, dass deine Vagina bei Immunschwäche, Stress oder zu experimentellem Sexualverhalten ziemlich zickig werden kann. Schon barfuß auf dem Balkon eine zu rauchen, beschert dir ohne Weiteres eine Blasenentzündung. Die Mutter meines ersten WG-Mitbewohners hat uns zum Einzug eine große Tube Pilzcreme geschenkt. Natürlich war sie Gynäkologin und davon überzeugt, dass ihr Sohnemann in der Frauen-WG früher oder später mit Vaginen konfrontiert sein würde, in denen es sprießt, wuchert und kränkelt.

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Männer macht das Thema Geschlechtskrankheiten deutlich nervöser. Schon ein kleiner, blauer Fleck am besten Stück meines Ex-Freundes brachte ihn nahe an den Rand eines Nervenzusammenbruchs. Stell dir nun mal vor, du müsstest ein Mal im Monat aus diesem liebgewonnenen, primären Geschlechtsteil bluten. Ich glaube, die weiblichen Gefühlskrisen während der Menstruation sind nichts im Vergleich zu den hysterischen Anfällen, die ein Mann in der gleichen Situation hätte.

Wenn aber die Penisschmerzen nicht vom leidenschaftlichen Schäferstündchen kommen, sondern von Bakterien, kann man schon mal die Fassung verlieren. Die ekligen Nebenprodukte von Sex bleiben meistens nicht lange unbemerkt. Brennen, Zwicken, Bläschen, Ausschlag, Warzen, Gestank … Wenn eine Infektion einen ganzen Freundeskreis befällt, werden Beziehungen auf die Probe gestellt.

Vergangenen Monat stieg eine ziemlich wilde Homeparty, während der zwei meiner Freundinnen, Anna und Bea, mit einem ziemlich betrunkenen Typen im Zimmer nebenan die Vorzüge alkoholbedingter Enthemmung feierten. Mitten im Akt wurde die Zimmertür plötzlich aufgerissen und Annas beste Freundin zerrte die Splitternackte aus dem Knäuel nackter Glieder.

Sie zog ihr die Kleider an, schimpfte sie aus und bugsierte sie schließlich zum Taxi. Wir alle gingen davon aus, dass diese Geschichte damit beendet wäre. Wir lagen falsch: Der Typ, der beim Dreier die Hauptrolle gespielt hatte, schrieb Anna letzte Woche eine SMS: „Ich hab Tripper. Ziemlich sicher von dir."

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Die Selbstgefälligkeit, mit der dieser Typ jegliche Verantwortung von sich wies, macht mich wütend. Natürlich ist es nicht leicht, einem One-Night Stand zu sagen, dass man vom Urologen gerade eine Tripper-Diagnose erhalten hat. Aber einfach davon ausgehen, dass das eigene Sexualverhalten niemals Grund für den juckenden Penis sein kann, ist einfach arrogant.

Nachdem es raus war ließen sich drei Beteiligten auf Tripper testen. Alle drei erhielten einen positiven Bescheid und ein Rezept für Antibiotika. Mit der Behandlung war es aber leider nicht getan. Denn, wenn du dir eine ansteckende Geschlechtskrankheit zuziehst, solltest du überlegen, an wen du sie eventuell weitergegeben hast. Und ja, du solltest es allen in Frage kommenden Personen definitiv und sofort mitteilen. Auch wenn du dich schämst. Auch wenn du damit (zu Recht) eine Beziehungskrise provozierst.

„Tripper bekommt eben nicht nur dein Nachbar oder der schwule Freund deiner Mutter. Du kannst ihn bekommen. Und das ziemlich schnell."

Eine andere Freundin von mir erfuhr während der Jahreskontrolle beim Frauenarzt von ihrer Tripper-Erkrankung. Sie hatte bis dahin keine großen Beschwerden gehabt. Wirklich weh tat ihr vor allem die Tatsache, dass Tripper grundsätzlich nur durch sexuelle Handlungen übertragbar ist. Sie hatte bisher im Glauben gelebt, eine monogame Beziehung zu führen. Sie fuhr also nach Hause und stellte ihren Freund zur Rede. Dieser schwor ihr, am letzten Wochenende wirklich „nur rumgemacht" zu haben. Diese Freundin ist mittlerweile den Tripper und ihren Freund los. Doch die Vorzüge des Single-Daseins lotet sie nicht mehr bis zum Maximum aus. Es bleibt ein gewisser Respekt vor dem eventuellen Nebeneffekten sexueller Aktivität.

Tripper bekommt eben nicht nur dein Nachbar oder der schwule Freund deiner Mutter. Du kannst ihn bekommen. Und das ziemlich schnell. Ein bisschen ungeschützt blasen oder lecken reicht. Eine lesbische Freundin von mir benutzt deshalb bei jedem One-Night-Stand ein Lecktuch. Wirklich konsequent scheint unsere Generation erst dann zu sein, wenn der eigene Penis anschwillt oder die Vagina böse juckt.

Mittlerweile haben alle drei Mitwirkenden der WG-Orgie ihren Affären und One-Night-Stands die Tripper-Botschaft überbracht. Wie schnell sich die Infektion im Freundeskreis verbreitet hat, wurde mir bewusst, als meine Schwester letzte Woche von einem Freund erzählte, der sich ebenfalls mit Tripper angesteckt hatte. Er ist über zwei Ecken mit den Leuten vom Dreier befreundet. Die Paranoia im Freundeskreis ist dementsprechend groß. So groß, dass sogar meine sexuell abstinente Mitbewohnerin einen Termin bei ihrer Frauenärztin vereinbart hat.