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Popkultur

Wie Instagram jungen Menschen dabei hilft, mit Krebs klarzukommen

Nachdem man bei mir Hodenkrebs festgestellt hatte, wurden die sozialen Netzwerke zu einem Werkzeug, durch das ich dem Krankheitsverlauf einen ganz eigenen ehrlichen und humorvollen Anstrich geben konnte.

Ein Instagram-Foto von Annie Goodman während ihres Kampfs gegen einen Hirntumor

Wenn du erfährst, dass du an Krebs erkrankt bist, dann verändert sich auf einen Schlag dein ganzes Leben. Neben der Herausforderung, einfach nur am Leben zu bleiben, gibt es jedoch auch noch andere schwierige Entscheidungen, die man treffen muss. Ein Beispiel: Will man sein Schicksal wirklich mit der Welt teilen? Legt man die Social-Media-Accounts lieber ad acta und konzentriert sich stattdessen darauf, wieder gesund zu werden? Oder macht man doch ganz normal so weiter wie bisher? Als ich an Krebs erkrankte, entschied ich mich dazu, mein Instagram-Profil auch weiterhin zu pflegen. Da es in den sozialen Netzwerken ja darum geht, sein Leben mit anderen zu teilen, wollte ich das mit meinem vom Krebs gezeichneten Leben genauso tun.

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Ich will hier eine Sache jedoch gleich klarstellen: Krebs ist weder spaßig noch irgendwie glamourös. Von heute auf morgen wird dein normales Leben auf den Kopf gestellt und plötzlich von teuren Medikamenten, inspirierenden Broschüren sowie Übertreibungen („Du bist ein richtiger Kämpfer!") bestimmt. Man fühlt sich wie in einem Paralleluniversum und es ist unglaublich schwer, das Ganze für die Leute, die so etwas noch nicht durchlebt haben, verständlich zu machen.

2012 haben die Ärzte bei mir Hodenkrebs diagnostiziert. Die anschließenden Gespräche über dieses Thema wurden immer ganz schnell richtig unangenehm, denn aus unerfindlichen Gründen wollten mir viele meiner Mitmenschen von irgendwelchen Bekannten erzählen, die ebenfalls an Krebs erkrankt sind … und schließlich auch daran starben. Um solche Interaktionen zu vermeiden, zog ich mich immer weiter zurück und erlaubte es nur noch bestimmten Leuten, mich zu besuchen. Bei Instagram, Twitter und Facebook war ich jedoch weiterhin so aktiv wie eh und je, denn dort konnte ich so über meinen Zustand reden, wie ich es wollte—in meinen eigenen Worten und ohne jeglichen Erklärungsbedarf.

So lernte ich auch Menschen wie etwa Annie Goodman kennen, eine junge Frau Mitte 20, die mit einem Hirntumor zu kämpfen hatte. Obwohl ich in Los Angeles wohnte und sie in New York, entwickelte sich zwischen uns schnell eine Freundschaft und wir gingen quasi mühelos von Twitter über E-Mails zu SMS-Nachrichten über. Mit ihr zu reden, machte mehr Sinn, als irgendwelche Gespräche mit meinem unmittelbaren sozialen Umfeld zu führen, denn sie wusste ja aus persönlicher Erfahrung, was ich da durchmachte.

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Andere junge Krebspatienten konnten ähnliche Erfahrungen machen. „Einige meiner besten Freunde sind Krebspatienten, die ich durch Twitter, Facebook und Instagram kennengelernt habe", erzählt mir Suleika Jaouad, eine Autorin aus New York, bei der im Mai 2012 sowohl ein myelodysplastisches Syndrom als auch akute myeloische Leukämie festgestellt wurde. Damals war sie erst 22. „Ich finde nicht, dass jeder Mensch zu seiner Krankheit schreiben oder Bilder posten muss. Die Social-Media-Plattformen können jedoch auch ein wunderbares Sprungbrett in eine Community von Leidgenossen sein und durch sie fühlt man sich weniger einsam."

Mithilfe der Freunde, die ich online gefunden hatte, war es mir endlich möglich, über die Aspekte einer Krebserkrankung zu reden, die oftmals vergessen werden—wie zum Beispiel Sex, posttraumatische Belastungsstörungen oder ausfallende Zähne (ja, die Chemotherapie macht auch die Zähne kaputt). Ich brauchte einfach mehr als irgendwelche abgedroschenen Phrasen und Gefühlsduseleien. Indem ich meine Erfahrungen im Internet teilte, fand ich Menschen, denen es ähnlich erging.

„Klar kann man auch viel über Krebs lesen, aber durch ein Bild von mir während der Chemotherapie macht man sich doch eher Gedanken, dass das Ganze wirklich so passiert."

Dazu geben uns die sozialen Netzwerke auch noch ein Ventil für unsere komödiantische Ader. So schrieb Goodman unter einen ihrer Posts zum Beispiel, dass niemand Angst zu haben brauche, weil es sich ja nicht um Ebola handeln würde.

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Nachdem man bei Erik Bergstrom, einem 33 Jahre alten Comedian und Cartoon-Zeichner aus New York, Hodgkin-Lymphom im vierten Stadium diagnostiziert hatte, machte er das ganze sofort auf den Social-Media-Plattformen publik. „Ich wartete, bis eine Biopsie analysiert wurde und die Krebserkrankung zu 100 Prozent feststand", meint er. „Als es dann soweit war, habe ich keine Sekunde gezögert und das Ergebnis sofort geteilt. So schrieb ich bei Facebook und Twitter, dass ich Krebs haben würde und jetzt erstmal Bock auf Sex hätte. Da ich die sozialen Netzwerke oft dazu nutze, irgendwelche Witze zu reißen, erschien mir das einfach wie der richtige Schritt."

Während seines Krankheitsverlaufs postete Bergstrom dann regelmäßig auf allen Social-Media-Kanälen. Ihm zufolge haben die Bilder seinen gesunden Freunden dabei geholfen, zu verstehen, war er da überhaupt durchmachen musste: „Klar kann man auch viel über Krebs lesen, aber durch ein Bild von mir während der Chemotherapie macht man sich doch eher Gedanken darüber, dass das Ganze wirklich so passiert."

Die 26-jährige Paralympics-Weitspringerin Lacey Henderson hat aufgrund eines Weichteilsarkoms ihr Bein verloren und ist der Meinung, dass sich die Leute mit Fotos schneller und besser identifizieren können. Indem man Bilder postet, erklärt man etwas, das nur schwer zu verstehen ist—und das auf eine ganz persönliche Art und Weise.

„Erst als ich bereits zwei Monate der Therapie hinter mir hatte und schon gar keine Haare mehr besaß, habe ich etwas zu meiner Krebserkrankung gepostet", erzählt mir die 25 Jahre alte Kelsey Morris, bei der ein Osteosarkom festgestellt wurde. „Irgendwann bin ich einfach an einem Punkt angekommen, an dem sich meine Beiträge in den sozialen Netzwerken nicht mehr authentisch angefühlt haben, weil ich einen so großen Bestandteil meines täglichen Lebens einfach wegließ."

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Als ich im Laufe meiner Behandlung immer schwächer wurde, wuchs in mir der Wunsch nach der Unterstützung durch meine kleine Internetgemeinschaft in Form von Likes. Neben Goodman nahm ich so auch zu anderen Leuten Kontakt auf, die ein ähnliches Schicksal entweder selbst schon durchgemacht hatten oder bei Freunden und Familienmitgliedern beobachten konnten. Krebs schafft es irgendwie, Leute auf eine komplett eigene Art und Weise zusammenzubringen.

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Nach dem Ende meiner Chemotherapie reiste ich schließlich nach New York, um Goodman endlich auch persönlich kennenzulernen. Bei unserem Treffen redeten wir dann über alles, was durch die Krebserkrankung beeinflusst wird: Beziehungen, die Arbeit, das Leben und auch die Instagram-Aktivität. Eine ehemals rein digitale Verbindung verwandelte sich in eine wunderschöne menschliche Verbindung. Die Macht der sozialen Netzwerke ermöglichte nicht nur unsere Freundschaft, sondern hält manche Menschen sogar weiter am Leben—auf gewisse Art und Weise bis in alle Ewigkeiten.

Nichtmal ein Jahr nach unserem Treffen ist Goodman dann gestorben. Selbst in ihren letzten Tagen postete sie aber noch fleißig bei Instagram und bis zum Ende verlor sie dabei niemals an Ehrlichkeit und Humor. Indem sie ihren Alltag mit dem Internet teilte, hinterließ Goodman eine unglaublich berührende Chronik ihres Lebens mit Krebs: Sie meisterte ihr Schicksal mit viel Humor, Frohsinn und Aufrichtigkeit—und ihre Social-Media-Profile beweisen das. Durch das Internet hatte sie einen eigenen Weg gefunden, für immer weiterzuleben.