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Sex

Wie mein Job als Stripperin mein Verhältnis zu Geld verändert

Mal verdiene ich 900 Euro an einem Abend, trinke Champagner neben Bayern-Spielern, frühstücke mit Millionären. Und manchmal bekomme ich nur 17 Euro die Nacht.
Das ist Cherry. Sie arbeitet in einer großen Tabledance-Bar in Deutschland. Cherry ist nicht ihr richtiger Strippername, weil sie in ihrer Kolumne maximal ehrlich sein und trotzdem ihren Job behalten will

Es ist Samstag und ich brauche Geld. Ich muss noch was für die Miete abdrücken, mein Studienkredit möchte gerne abbezahlt werden und die Leute von der Krankenversicherung haben sich auch schon beschwert.

Ich sitze an der Bar und sende ein Stoßgebet an den Gott der Stripperinnen, während ich Kitty zusehe, die kopfüber an der Stange hängt und einen Tanga an hat, der genauso viel verbirgt wie ein Stück Zahnseide. Passend zu meinen trübsinnigen Gedanken singt Rihanna im Hintergrund "Bitch better have my money".

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Während ich in Gedanken überlege, meinen halben Hausrat zu verkaufen, damit mir nicht der Strom abgeschaltet wird, setzt sich jemand in Jeans und Lederjacke vor mir auf den Barsessel: Richard, 40, charmant, wenig Haare, gewinnendes Lächeln. Mit Richard habe ich gestern Nacht einige Flaschen Moët getrunken, wir haben geredet, uns gut verstanden (lag vielleicht auch daran, dass im Champagner-Nebel alles ein wenig glänzender erscheint). Er ist ein millionenschwerer Unternehmer und pendelt zwischen mehreren großen Metropolen. Meine Laune bessert sich um Welten, als ich ihn sehe. Ich weiß, er wird Geld für mich da lassen. Verliebte Männer lassen immer Geld da. Und selten hatte ich das so nötig wie jetzt.

"Ich will, dass du heute mit mir auf eine megaschicke Party gehst", sagt er ohne Umschweife, nachdem er mir ein Küsschen aufgedrückt hat.

Ich bin verdutzt: "Baby, dir ist schon klar, dass ich hier heute arbeiten muss und nicht einfach wie Cinderella abhauen kann."

Er grinst mich an. "Glaub mir, es ist nur eine Geldfrage. Würde auch gut was für dich dabei rausspringen. Ich will einfach Zeit mit dir verbringen. Mehr nicht."

"Ehm … OK …" Ich bin irgendwie ängstlich, gebe ihm aber zu verstehen, dass ich auf die Party mitkomme. Allerdings nur, weil Richard hier öfter herkommt und die anderen Mädchen mich haben wissen lassen, dass er gerne viel für seine aktuelle Stripperperle ausgibt. Er kam auch nie für Sex in den Club, sondern einfach nur, um zu feiern.

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Richard geht zu meinem Boss, sie reden miteinander, blicken zu mir, gestikulieren, ich sehe ein Bündel lila Geldscheine unter dem Tresen wandern, Chef sieht glücklich aus, Richard auch.

Fertig ist der Kamelhandel. Awkward.

"Cherry, ich hab dich für eine Nacht freigekauft!"

Äußerlich versuche ich, cool zu bleiben, aber innerlich staune ich nicht schlecht. Freigekauft? Ich dachte, das geht nur bei Nutten! 1.000 Euro für nur vier Stunden meiner Gesellschaft? Ich bin skeptisch. Und happy zugleich. In meinen Augen leuchten die Dollarzeichen.

Die Stripperin Cherry erzählt uns wieviel sie verdient und was ihr durchschnittlicher Gehalt ist

Ich beschließe, meine Skepsis über Board zu werfen, immerhin habe ich Omas Pfefferspray dabei. Ich ziehe etwas über meine Unterwäsche, schlüpfe in meine Sneaker und springe mit Richard in ein Taxi.

Ohne in der Schlange vor dem Edelschuppen warten zu müssen, werden wir von den Türstehern durchgewunken. Richard führt mich straight in den VIP-Raum, wo ich ein paar Gesichter erspähe, die mir irgendwie bekannt vorkommen. Langsam dämmert es mir … Der dunkelblonde Typ, der gerade die 8-Liter-Champagner Flasche köpft und grölend um sich schüttet, hat was mit Fußball zu tun. Ich stehe mitten im FC Bayern.

Bevor ich das richtig realisiere, zieht mich Richard zu seinen Investoren auf eine halbkreisförmige, weiße Ledercouch und schenkt mir Champagner ein. Wir unterhalten uns, tanzen, werden immer betrunkener und lästern zusammen über die wasserstoffblonden Barbies aus Silicon Valley, die versuchen, die Aufmerksamkeit eines der Fußballer auf sich zu ziehen. Lebensziel Spielerfrau? Ne danke.

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Wie alle anderen Mädels aus meinem Club bin ich superstolz auf meine selbstverdiente Kohle. Aber Strippen ist ein Spiel mit dem Risiko. Du kannst an einem Abend mit ein paar hundert Scheinen nach Hause gehen oder auch mit NICHTS. An meinem schlimmsten Abend bekam ich 17 Dollar, ein Stripdollar entspricht einem Euro. Als Tänzerin bekommst du keinen Stundenlohn, sondern nur eine geringe Gage. Verdient wird an Dollars, Lapdances, Shows und wenn du mit den Männern für einen Privattanz aufs Zimmer gehst.

Mein Club ist eher so der Starbucks unter den Stripclubs: coole, junge Mädels, familiäre Atmosphäre, diverse Hipster, aber reich wird man dort nicht. Wenn man richtig Kohle scheffeln will, sollte man nach München gehen, ins Land der Polohemden, Chinos und Segelschühchen. In München habe ich in einem super-luxuriösen High-Class-Tabledance gearbeitet, in dem sich hauptsächlich P1-Gänger, Schauspieler, Unternehmer und andere Instagram-schöne Menschen (Beruf: Sohn oder Erbe) trafen. Sogar als blutiger Amateur habe ich in München in meiner ersten Nacht 900 Euro verdient. Als Trinkgeld bekam ich ein Päckchen Koks.

Mit String und Hidschad—Nadia Ali strippt für die Rechte muslimischer Frauen

In München sind aber auch die Stripperinnen ein ganz anderer Schlag. Deutsch spricht dort niemand, und jeder verdiente Cent wird in die nächste Schönheits-OP investiert. Gemachte Brüste, aufgespritzte Lippen, Wangenknochen-Implantate, Arschimplantate, Nose-Job, Fettabsaugung an den Oberschenkeln, Lidstraffung, Extensions, Tanning-Salon, Acryl-Krallen, Wimpernverlängerungen, Lifting, Fruchtsäure-Peeling. Bei manchen sieht es fantastisch aus, andere sehen aus, als seien sie Familienmitglieder der Jacksons.

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Ich bin vollkommen glücklich mit meiner Handvoll Busen, mein Belohnungszentrum flüstert mir nach einem harten Wochenende andere Kaufwünsche zu: "Komm schon, hol' den guten grünen Detox-Saft, auch wenn er total überteuert ist." Das gleiche sagt es mir auch bei teurer Unterwäsche, Taxi-Fahrten, Weed, dem nächsten Spa-Aufenthalt und jedes Mal, wenn ich die Beautyecke im TK Maxx betrete. Kontraproduktiv, wenn man noch Studienschulden abbezahlen muss.

Seitdem ich strippe, habe ich ein anderes Verhältnis zu Geld. Meine Zeit ist mir Gold wert. Wenn ich mich also mit jemandem treffe (mit Schwanz), den ich nicht kenne, dann erwarte ich, dass irgendwas dabei herauskommt. Geld, Gras, gutes Essen, Spaß, Connections … oder einfach nur ein guter Flirt. Aber nur langweilig einen Kaffee trinken und mir die Probleme seines Leben anhören, nein danke. Dann höre ich innerlich die Minuten verstreichen: Zehn Minuten sind ein Privattanz: 25 Euro.

Im Tabledance lernst du von Anfang an: Trink den Champagner schnell aus, bestelle gleich den nächsten. Wenn du zwei Stunden an so einer Flasche rumnuckelst, wirst du zur Gratis-Psychologin. Zeit ist Geld. Und dieses Denken schleicht sich bei vielen Mädchen vom Rotlicht ins Tageslicht.

Strippen versaut dich für dein späteres Berufsleben. Danach fällt es schwer, einen Job zu machen, der nur durchschnittlich bezahlt wird. Ein paar meiner Kolleginnen haben gerade Abi gemacht, sind jung, schön, intelligent, aber warum eine schlecht bezahlte Ausbildung anfangen, wenn man an der Stange easy Cash machen kann? Leider bleiben deshalb viele Frauen dort kleben wie Winnie Puuh am Honigtopf.

Einige Stunden später im Club bin ich ziemlich dicht und hänge lachend um Richards Hals, während seine Investoren das blonde Frischfleisch von draußen zu uns in die Lounge geholt haben. Spielerfrauen werden sie wohl nicht mehr, aber vielleicht wird's ja noch was als Groupie von einem Investor.

Richard und ich verabschieden uns und lassen die Anzugträger mit den balzenden Blondinen zurück. Zeit für Frühstück. Wir fahren ins Hotel, um uns auf Richards riesiger Terrasse das dekadenteste Frühstück aller Zeiten zu gönnen. Während wir im warmen Sonnenlicht auf einer weißen Liegefläche Grüntee trinken, fühle ich mich mehr wie (eine verkaterte) Audrey Hepburn und nicht mehr ganz so nuttig "freigekauft". Gegen so einen Lifestyle wie Richard Rich Bitch ihn pflegt, hätte ich nichts. Aber jemanden Reichen heiraten zu müssen, will ich dafür nicht.

Bevor ich gehe, drückt mir Richard noch einen Kuss auf die Wange und einen 500-Euro-Schein in die Hand. Sieht aus, als wären meine Schulden bald abbezahlt.