Wie sich das Leben verändert, wenn die Freundin an Krebs erkrankt

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Wie sich das Leben verändert, wenn die Freundin an Krebs erkrankt

Bei Hannah wurde mit 20 Krebs diagnostiziert. Ihr Freund hat ihren Kampf gegen diese Krankheit fotografisch dokumentiert. Abseits von düsteren Klischees.

Alle Fotos: Johnny Griffiths

Hannah trägt auf ihrem Krankenhausbett sitzend eine neue Schicht roten Lippenstift auf und benutzt dabei ihr iPhone als Spiegel. Vor einem Jahr folgte eine Woche nach ihrem 20. Geburtstag die niederschmetternde Diagnose ihres Arztes: "Es ist Krebs." Auf dem obigen Foto ist zu sehen, wie sie sich während der langwierigen und schmerzhaften Behandlung laut eigener Aussage ein Stück Normalität zurückholt, indem sie versucht, so "unkrebsartig wie nur möglich" auszusehen. Für Hannah bedeutet das, die Perücke abzulegen, ihre kurzen Haare zu akzeptieren und jedes Mal, wenn sie die Chemotherapie wie kurz vorm Tod fühlen lässt, Make-up aufzutragen.

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Krebs. Dieses Wort lässt uns immer noch zuerst an die eigene Sterblichkeit denken. Mit diesem Wissen im Hinterkopf hat es sich der frischgebackene Fotografie-Absolvent Johnny Griffiths zum Ziel gesetzt, unsere Vorstellung von dieser Krankheit zu verändern. Das alles kam, als er herausfand, dass man bei seiner Freundin Hannah Hodgkin-Lymphom im vierten Stadium diagnostiziert hatte. "Ich wollte den Krebs so zeigen, wie man ihn vorher noch nie gezeigt hatte", meint er. "Die Leute verbinden das Ganze immer mit düsteren und unglaublich negativen Bildern, aber es handelt sich dabei nicht um den sicheren Tod, sondern um eine Krankheit."

Als die Ärzte Hannah im April 2015 die eben erwähnte Diagnose mitteilten, befand sich das Pärchen noch mitten im Studium. Johnny zog mit zu Hannahs Familie und blieb während des gesamten Behandlungsverlaufs dort wohnen. Er entschied sich dazu, die Krankheit seiner Freundin zu dokumentieren, als den beiden klar wurde, dass sich ihr Leben zwar in einen Strudel aus Krankenhausaufenthalten und Chemotherapie verwandelt hatte, die Welt sich aber trotzdem noch normal weiterdrehte. "Wir erkannten, dass Johnny diese Fotos machen musste, um seinen Abschluss machen zu können", erklärt Hannah. "Während meiner Chemotherapie waren wir ja immer noch an der Uni eingeschrieben. Deshalb meinte einer von Johnnys Dozenten: 'Ich weiß zwar, dass du gerade eine schwere Zeit durchmachst, aber du musst trotzdem irgendwelche Arbeiten einreichen.'"

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Für Hannah war einer der schlimmsten Aspekte der Krebserkrankung, sich damit auseinanderzusetzen, dass ihre Freunde nicht dazu fähig waren, mit ihrer Krankheit umzugehen. "Sie redeten nicht mehr mit mir, weil sie nicht wussten, was sie sagen sollten", erzählt sie. "Deshalb wollte ich auch unbedingt, dass Johnny sein Abschlussprojekt dazu nutzt, um Krebs in einem anderen Licht darzustellen." So fand "It's Cancer" seinen Anfang.

Leider befand sich Johnny jedoch auch in einem Zwiespalt, denn zum einen wollte er natürlich ein unterstützender Beziehungspartner, zum anderen aber auch ein guter Dokumentarist sein. Das hieß, dass er irgendwo eine Grenze ziehen musste, damit die Fotoserie die Beziehung nicht komplett überschattete. "Es gab oft Momente, in denen ich meine Kamera hätte zücken können, um richtig kraftvolle und emotionale Fotos zu schießen. Aber in genau diesen Momenten wäre ein solches Vorgehen einfach nur falsch gewesen", sagt er. "Ich wollte bestimmte Augenblicke einfach nicht verpassen—zum Beispiel als man Hannah mitteilte, dass der Krebs komplett zurückgegangen sei. Da war es mir wichtig, das Ganze richtig mitzuerleben und nicht nur durch die Linse meiner Kamera mitzubekommen."

Als ich mit den beiden spreche, vervollständigen sie oft gegenseitig ihre Sätze. Wen man gemeinsam eine Krebs-Chemo durchlebt, dann schweißt das zusammen und lässt die Beziehung ganz mühelos daherkommen. Es gab auch gute Tage—wie zum Beispiel der, an dem das seltene Picknick stattfand, das Hannah mitmachen konnte, und an dem auch dieses ruhig wirkende Foto entstanden ist. "Diese drei Tage schätzte ich besonders", erklärt sie. "Ich nannte sie auch meine euphorischen Tage, weil es einfach so gut tat, sich gesund zu fühlen."

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Aber wie es bei einer Chemotherapie nun mal so läuft, verbrachten Johnny und Hannah die meiste Zeit in irgendwelchen Wartezimmern. Während eines einwöchigen Aufenthalts in einem Isolationszimmer schlug das Pärchen dann zum Beispiel die Zeit tot, indem es einfach stundenlang irgendwelche Reality-TV-Serien schaute. Diese Woche war wahrlich kein Zuckerschlecken. "Es gab keine Fenster, keine Lüftung und für mich nur einen Stuhl zum Sitzen, bei dem sich mir eine Feder in den Arsch bohrte", erinnert sich Johnny. Genau diese scheinbar endlose Woche fing er schließlich mit einem eindrucksvollen Bild ein, auf dem sich Hannah an den Krankenhauskissen zurücklehnt und den Kopf weggedreht hat.

Und obwohl Hannah im Verlauf der Behandlung die negativen Gedanken nie hat Überhand nehmen lassen, gab es dennoch auch nicht so schöne Zeiten. "Ab und an zog ich mich in meine dunkle Ecke zurück und fing an zu weinen. Und schon holte Johnny seine Kamera, um diese Momente bildlich festzuhalten", erzählt sie. "In solchen Augenblicken dachte ich mir nur: 'Mein Gott, musste du jetzt wirklich ein Foto schießen?' Rückblickend und nach bereits sieben Monate andauernder Genesung bin ich jedoch ziemlich froh, dass er genau das gemacht hat."