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Popkultur

Will uns ‚Game of Thrones‘ eigentlich verarschen?

Wenn sonst nichts passiert, sterben die Hauptcharaktere eben wie Fliegen. Warum die Serie aller Serien so frustrierend und langweilig geworden ist:

Alle Fotos: © [2015] Home Box Office, Inc. All rights reserved/Sky

Es ist nicht einfach, dem größten Fantasy-Epos unter der Sonne (Sorry, Tolkien, aber die Zeit von behaarten Füßen ist vorbei) zu folgen, ohne in regelmäßigen Abständen einen emotionalen Zusammenbruch zu erleiden. Wir hatten die Enthauptung von Sympathieträger Ned Stark, die berüchtigte Red Wedding, die bei mehreren Leuten eine akute Antipathie gegen Salz und Brot hervorgerufen haben dürfte, und nicht zuletzt natürlich auch den brutalen Tod von Oberyn Martell gegen Ende der vierten Staffel. Man kann also sagen: Dass die Zuschauer in regelmäßigen Abständen Autor George R. R. Martin und die Verantwortlichen hinter der HBO-Serie (die in Deutschland parallel zur US-Ausstrahlung auf Sky gezeigt wird) verfluchen, ist nichts Neues. Seit das Finale der fünften Staffel ausgestrahlt wurde, laufen sie allerdings richtig Sturm.

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Die Folge „Mother's Mercy" war vielleicht nicht das blutigste, grausamste oder überraschendste (wobei man über letzteren Punkt durchaus streiten kann), was Game of Thrones seinen Fans bisher vorgesetzt hat. Tatsächlich ist sie jetzt, nach all den epischen Schlachten, sinnlosen Toden, kompromisslosen Entscheidungen und menschlichen Abgründen an einem Punkt angekommen, an dem die Handlung vornehmlich eins ist: frustrierend. Und das liegt nicht vornehmlich daran, dass die Hauptcharaktere einmal mehr wegsterben wie Fliegen.

„Haha!", ruft George R. R. Martin (oder die Serienverantwortlichen. Wer weiß das schon so genau) nach dem Staffelfinale und benetzt sein Kinn dabei mit Speichel. „Ihr dachtet, dass jetzt wirklich was passiert, aber der Charakter stirbt! Damit habt ihr wohl nicht gerechnet!". Doch, ehrlich gesagt schon. Und das ist das Problem. Game of Thrones hat sich mittlerweile so darauf eingegroovt, nach dem typischen „Dinge anteasen - Leerlauf - Aufbau zum großen Finale - jemand stirbt/alles zerschlägt sich wieder" zu funktionieren, dass es eine Art Serienentsprechung zu einer Erektionsstörung geworden ist. „Sorry, das ist mir noch nie passiert. Lass es uns morgen noch mal versuchen" lügt HBO, dreht uns den Rücken zu und schläft, und alles was uns bleibt, ist die Hoffnung darauf, dass es in der nächsten Staffel anders wird. Was zur Hölle ist da am Sonntag eigentlich passiert?

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(Und ja, jetzt kommen die richtig krassen Spoiler.)

Nehmen wir zuerst einmal die Storyline von Daenerys, die, rein vom Potential her, eigentlich die spannendste ist. Schließlich ist sie die mit den Drachen. Seit Staffel 2 warten wir darauf, dass die letzte Tochter der legendären Königsfamilie endlich nach Westeros übersetzt und sich am Kampf um den eisernen Thron beteiligt. Stattdessen müssen wir dabei zugucken, wie sie in schicken Fummeln mit reichen Großgrundbesitzern rumhängt, feststellen muss, dass ihre Feinde überall lauern und sich dann ihre erste größere Armee verschafft. Was zugegebenermaßen ein ziemlich epischer Moment war, ab dem es so richtig hätte losgehen können. Aber dann wollte sie eben erst mal alle Sklaven dieser Welt befreien und Meereen einnehmen. Eine Entscheidung, die nicht einmal ihre Berater verstanden haben.

So war's bei der ‚Game of Thrones'-Ausstellung in Berlin.

Gegen Ende der fünften Staffel wurde es dann aber endlich interessant. Zumindest ein bisschen. Daenerys traf auf unser aller Lieblingscharakter Tyrion, schon freute man sich darauf, dass die beiden Hand in Hand auf ledrigen Schwingen gen Haupthandlung fliegen würden—und dann greift die maskierte Guerilla-Aufstands-Fraktion von Meereen ein, Daenerys flieht auf dem einzigen Drachen, den sie nicht in ein Kellerverlies gesperrt hat, sitzt anschließend irgendwo alleine im Nirgendwo fest und ihre Alliierten haben nun die womöglich unfassbar spannende Aufgabe, sie zu suchen. Eineinhalb Staffeln quälend lahme Meereen-Geschichte für absolut gar nichts. Da ist es fast zynisch, dass das Auftauchen der Dothraki gen Schluss nahelegt, dass sich die Thronerbin doch wieder mit dem Reitervolk zusammenschließt, in das sie zu Beginn der ersten Staffel eingeheiratet hat—was bedeutet, dass Staffel 2, 3, 4 und Großteile von Staffel 5 beinahe komplett pointless waren.

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Ähnliches gilt für eine andere weibliche Hauptrolle, die immer mal wieder das Potential zu ganz großem zeigte: Sansa Stark. Ende der vierten Staffel verwandelte sich das Westeros-Äquivalent einer enervierenden Barbiepuppe endlich in eine starke Frau, einen düsteren Racheengel, der zusammen mit Littlefinger (wo ist der eigentlich?) den Norden zurückerobern wollte. Dazu muss sie Ramsay Bolton heiraten, der Zuschauer freut sich bereits darauf, wie ihr cleverer Plan, den sie bestimmt irgendwann irgendwie ausgeheckt hat, langsam in Fahrt gerät—und dann stellt sich heraus: Es gab gar keinen Plan. Sansa wird von ihrem Mann vergewaltigt, scheint noch hilfloser als zu ihrer Zeit in King's Landing und springt schließlich zusammen mit ihrem Ziehbruder Theon vom locker 30 Meter hohen Burgwall in die vermeintliche Freiheit. Würde die sechste Staffel damit beginnen, dass beide mit gebrochenen Beinen im Schnee stecken und dort langsam und qualvoll erfrieren (langweiliger als Brandon Starks Storyline kann das auch nicht sein), es würde mich nicht wundern.

The Creators Project: So entstand der größte Drache von Game Of Thrones.

Kommen wir also zu dem Teil des Game of Throne-Finales, der die meisten Leute auf die Palme gebracht haben dürften: der Tod von Jon Snow. Ja, dem Typen, der als zuverlässiger Good Guy versuchte, die Menschen aus Westeros endlich mit den Wildlingen jenseits der Wall zu versöhnen, um sich gemeinsam gegen die White Walker zur Wehr zu setzen, die zum Großangriff auf die sieben Königreiche blasen. Während in King's Landing elaborierte Pläne geschmiedet wurden, jede Storyline mit Tyrion aus Prinzip funktioniert und sich andere Paarungen Westeros' für Buddy-Movie-Auskopplungen qualifizierten (Arya und der Hound, Jamie und Brienne), holten einen die Geschichten von Castle Black immer wieder in die bittere (und leider auch ein bisschen langweilige) Realität der Fantasywelt zurück. „Winter is coming", Ehre ist das allerwichtigste und wenn ich versuche, Revue passieren zu lassen, was im hohen Norden eigentlich so im Laufe der vergangenen Staffeln passiert ist, sehe ich vor meinem inneren Auge nur Jon Snows stetig betroffenes Gesicht.

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Sollte ich mich dann nicht freuen, dass dieser Teil der Geschichte nun ein jähes Ende erfahren hat, weil das Nachtwachen-Oberhaupt von seinen Krähenkollegen gemeuchelt wurde (und das auch noch unter der Prämisse, ein Verräter zu sein, sich also demselben Vorwurf aussetzen zu müssen wie sein vermeintlicher Vater Ned Stark in der ersten Staffel)? Nein, tue ich verdammt noch mal nicht, weil dieser Charakter viel zu viel Potential hatte, das nie ausgespielt wurde. Immer, wenn man sich einmal mehr durch Schneegestöber und bedeutungsvolle Gespräche vor entsättigter Kulisse quälen musste, gab es doch zumindest die Hoffnung darauf, dass die große Stunde vom Bastard von Winterfell erst noch kommen würde.

Das Beste an ‚Game of Thrones' sind seine Frauenfiguren.

Als Anführer einer Armee gegen die Eiszombies. Vielleicht würde er auch endlich mit seinen Geschwistern Bran und Sansa vereint werden, die sich schließlich beide in mehr oder minder unmittelbarer Nähe zur Wall befinden Oder, und das wäre eigentlich am spannendsten: Es gäbe endlich eine Antwort auf die Frage nach seiner Mutter. Egal, ob man ihn als Charakter nun mochte oder einfach sehnsüchtig darauf gewartet hatte, dass seine Geschichte endlich ins Rollen kommt—wer wütend über seinen plötzlichen Tod ist, ist es absolut zu Recht.

Die einzige Storyline, bei der das abrupte Ende wirklich Sinn macht, ist die von Stannis Baratheon. Nachdem er nicht nur seinen Bruder ermordet, sondern in der vorletzten Folge sogar seine Tochter verbrannt hat, um sie dem Lord of Light zu opfern und dessen Unterstützung im Kampf gegen die Boltons in Winterfell zu bekommen, ist er ein toter, komplett entmenschlichter Charakter. Seine Frau bringt sich um, seine Leute desertieren und sogar die Magierin Melisandre lässt ihn zurück. Seine Geschichte endet als Parabel darauf, was der unstillbare Hunger nach Macht aus einem Menschen machen kann. Und ist damit—neben der Geschichte von Arya Stark—eine der wenigen, die sich noch homogen, nachvollziehbar und nicht qualvoll in die Länge gezogen anfühlt.

Ich habe versucht, mir 40 Stunden lang ‚Game of Thrones' anzusehen.

Westeros ist eine düstere, kompromisslose Welt und dass sich genau das auch in der Geschichte widerspiegelt, ist eigentlich ein Zeichen für gutes Storytelling. Deswegen kann nicht jeder Plan zum Erfolg führen und deswegen müssen auch mal die „Guten" sterben, während die „Bösen" eine Staffel nach der anderen überleben. Wenn aber gefühlt jede große Storyline ins Leere läuft oder vorzeitig endet, die Serie also bis auf wenige Ausnahmen keine der Versprechungen einlöst, die sie dem Zuschauer ständig macht—dann ist das frustrierend. Oder das Lied von Eis und Feuer trotz aller Liebe zum Detail und umfangreicher Backstory im Großen und Ganzen doch keine so gute Geschichte, wie wir all die Jahre geglaubt haben.

Wenn Lisa sehr aufgebracht ist, äußert sie das meistens bei Twitter. Folgt ihr doch einfach mal.