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Wir haben Anti-Trump-Demonstranten in Berlin gefragt, wovor sie Angst haben

"Wollen wir wirklich in einer Welt leben, in der ich mit meinem Freund nicht mehr händchenhaltend durch die Stadt gehen kann?"

"Not my president" und "Black lives matter" rufen die rund 500 Demonstranten Samstagabend vor dem Brandenburger Tor und direkt vor der Amerikanischen Botschaft. Sie demonstrieren gegen die Wahl Donald Trumps und wollen mit Reden, Gesang und Sprechchören zeigen, dass sie Trumps Sexismus, seine Homophobie und seinen Rassismus ablehnen. Wir haben mit ihnen gesprochen, um herauszufinden welche Ängste sie in die kalte Berliner Abendluft treiben:

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Taylor (27), Colorado, arbeitet in Berlin

"Nach der Wahl hat Donald Trump getwittert, gegen ihn zu demonstrieren sei "unfair". Das ist einfach nur gruselig, weil er damit die Meinungsfreiheit in Frage stellt. Grund genug heute zu demonstrieren. Außerdem ist das hier wie eine Therapie: Ich sehe, dass ich nicht die Einzige bin, die so denkt und das tut gut."

Chuck (39), USA, Lehrer in Berlin

"Ich habe viele schwule Freunde, die verheiratet und glücklich sind—dieses Recht wird ihnen bald verwehrt. Ich habe Freunde aus Mexiko, die jetzt vielleicht zurück müssen, obwohl sie amerikanischer sind als ich. Ich habe mein Heimatland immer als das offenste Land der Welt wahrgenommen. Seit ich ein Baby war, habe ich gelernt: In dieses Land darf jeder kommen und sein Glück versuchen und jetzt kommt Trump und wird das einfach so beenden?! Das kann und will ich nicht hinnehmen. Heute Abend wollen wir zeigen, dass Trump nicht Amerika ist, wir bilden das weltoffene und tolerante Gegengewicht."

Kim (23), Frankreich

"Ich sehe, wie Marine Le Pen vom Front Nationale immer populärer wird und ebenso in Deutschland die AFD. Trump ist ja nicht nur ein amerikanisches Problem. Ganz ähnliche Bewegungen haben wir in Europa auch, nur eben noch nicht so weit verbreitet. Meine größte Angst ist daher, dass wir uns mit Trump historisch gesehen zurückentwickeln und er Europa mit seinen fremdenfeindlichen und homophoben Thesen ansteckt."

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Bryan (29), USA

"Ich habe Freunde, die Trump gewählt haben. Ihr Interesse war es, das Establishment in Washington abzuwählen, und ich glaube, es war ihnen nicht bewusst, dass sie damit Rassismus, Sexismus und Homophobie extrem fördern. Es ist die Aufgabe einer Regierung, Frieden herzustellen und die Menschen zu beschützen—was Trump macht, geht gerade in die ganz andere Richtung, und das war, glaube ich, vielen Trump-Wählern nicht bewusst."

Daniel (31) mit seinem Freund Jamie (23), Berlin

"Ich glaube, auch in Europa und Deutschland ist der Populismus auf dem Vormarsch. Wir müssen uns fragen, ob wir in einer Welt leben wollen, in der meine kleine Nichte nur noch die Möglichkeit hat, Hausfrau zu werden, in der Frauen keine Rechte mehr haben und in der ich mit meinem Freund nicht mehr händchenhaltend durch die Stadt gehen kann. Unsere Großeltern mussten für viele Rechte, die wir heute für selbstverständlich halten, noch hart kämpfen und ich habe einfach die Sorge, dass diese Rechte jetzt ganz schnell wieder verschwinden."

Estevan (22), Mexiko

"Ich fühle mich verarscht und kann nicht glauben, dass man diesem Nicht-Menschen überhaupt zuhört. Vor der Zukunft habe ich keine Angst, da ich nicht glaube, dass Trump dieses System groß ändern kann. Aber die Aussage dieser Wahl ist doch: Wenn du nur genug Geld hast, kannst du dir alles kaufen und alles werden, sogar Präsident. Dass Politik im Moment so funktioniert, das macht mir große Angst. Ich spreche da noch nicht mal aus meiner Perspektive als Hispanic, sondern eher als ein vernünftiger Weltbürger, der sich von diesem Wahlergebnis einfach nur verarscht fühlt."

Jorge (22), Kolumbien

"Ich glaube, die Kurzsichtigkeit der Menschen ist ein Problem. Nur weil man Hillary Clinton nicht mag, hat man Trump gewählt oder eben umgekehrt. So darf aber doch Politik nicht funktionieren, genauso wenig wie sie durch Geld bestimmt sein darf. Es gab einige noch viel bessere Kandidaten, denen es aber einfach an Geld gemangelt hat.

Nachdem alle gemeinsam "We shall overcome" gesungen haben, ist es still ist auf dem Pariser Platz. Nach so vielen Gesprächen über Ängste kommt Estevan doch noch ein tröstender Gedanke: "Wir alle wollen doch einfach eine gute, friedliche und gerechte Zukunft haben. Mit Aktionen wie unserer heutigen Demonstration lernen wir, diese auch selbstständig zu gestalten."