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Popkultur

Wir haben YouTuber gefragt, was sie vom neuen YouTube-Bezahlmodell halten

YouTube Red kostet ähnlich viel wie ein Netflix-Abo und soll die Videoplattform revolutionieren. Darüber freut sich nicht jeder.
Foto: imago/Fotoarena

YouTube Red—hinter diesem Titel verbirgt sich der neueste Versuch der größten Internetvideoplattform der Welt, die angebotenen Inhalte zu Geld zu machen und dem engagierten Nutzer mehr Möglichkeiten zu geben. Für 9,99 Dollar im Monat bekommen User die Möglichkeit, sich Videos ohne Werbung, offline und nach Bedarf auch als „Podcast" nur mit Ton anzugucken—ein ähnliches Angebot also, wie es das Premium-Abo von Spotify bietet. Zusätzlich sollen den zahlenden Nutzern exklusive Premiuminhalte zur Verfügung gestellt werden. Unter den „Red Originals" befindet sich dann beispielsweise auch eine Horrorshow mit YouTube-Star PewDiePie.

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Seit dieser Woche ist der Dienst verfügbar, vorerst allerdings nur in den USA. Wie Spiegel Online berichtet, ist geplant, das Angebot im kommenden Jahr auch in Deutschland zur Verfügung zu stellen. Chance für unabhängige Webvideoproduzenten oder Abzocke des Nutzers? Wirkliche Möglichkeit auf eine Neuausrichtung der Videoplattform oder ein in Zeiten von AdBlocker und „Webinhalte sollten kostenlos sein"-Mentalität zum Scheitern verdammter Versuch? Wir haben bei deutschen YouTubern nachgefragt.

David Hain (BeHaind)

Als jemand, der selbst auf YouTube Inhalte anbietet, finde ich die Entwicklung erst einmal nicht schlecht. So ein Abo-Modell á la Netflix bietet für den Kunden ja durchaus Vorteile. Noch frage ich mich aber, ob ich als YouTuber an diesen Einnahmen beteiligt werde und in welcher Höhe. Allerdings sind YouTube-Konsumenten bisher gewöhnt daran, Inhalte kostenlos zu konsumieren und sich sogar noch zu beschweren, wenn die Content-Fülle nicht gleichbleibend hoch bleibt. YouTube wird es da hierzulande schwer haben, die Zuschauer umzugewöhnen.

Darüber hinaus sehe ich ein paar paar schöne Chancen: Das Bezahlmodell könnte YouTube endlich einen Grund liefern, sich mit der GEMA auszusöhnen—zumindest bei den partizipierenden Content-Erstellern. Und es könnte dazu führen, dass sich YouTuber künftig endlich anstrengen müssen, wertige Inhalte zu kreieren. Für rund 10 Euro werden es sich die Kids hoffentlich zweimal überlegen, ob sie Schminktutorials am laufenden Band vorgesetzt bekommen wollen.

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Marco Giesel (Rocket Beans TV)

Grundsätzlich finde ich den Schritt von Google, ihre Dienste weiter zu professionalisieren, richtig und auch wichtig. Ein monatliches Bezahlmodell für ein werbefreies YouTube halte ich aber für einen Schritt in die falsche Richtung. Zwar ist dieser Dienst komplett freiwillig und gehört zu ihrem „Premiumangebot", dennoch hat es einen bitteren Beigeschmack. Zum einen bekommt der Nutzer sehr attraktive Features, wie zum Beispiel die Funktion, Videos offline zu schauen und sie sich komplett ohne Bild als „Podcast" anzuhören. Das ist vor allem für's Musik-Streaming interessant. Hierzulande dürfte das, vor allem wegen des Streits zwischen der GEMA und Google, allerdings komplett wegfallen. Das werbefreie Nutzen von YouTube halte ich für einen Tropfen auf den heißen Stein. Immer noch gibt es eine extrem hohe Anzahl an Nutzern mit installiertem AdBlocker. Weiterhin schützt dieses Programm nicht vor Werbung innerhalb des Videos. Product-Placement-Flut incoming.

Wie Musik machende YouTuber ihre Fans verarschen.

Ich denke, dass vor allem der Kreativschaffende entscheiden sollte, wie viel und wie oft er Werbung schalten möchte. Je nachdem wie konsequent er zusammen mit seiner Community arbeitet und dementsprechend es ihnen schmackhaft macht, den YouTuber zu unterstützen, schalten die Nutzer freiwillig ihre AdBlocker aus und/oder nehmen die Werbung freiwillig in Kauf. Sehr bedenklich finde ich aber das Gerücht, dass Kanäle im Partnerprogramm vor eine sehr fragwürdige Wahl gestellt werden. Entweder man bietet dieses Programm an [Anm. d. Red.: stimmt also den von YouTube bestimmten Geschäftsbedingungen zu] oder der Kanal taucht weder im Bezahlmodell, noch in der kostenlosen Variante auf. Leider ist YouTube nicht mehr das, was es früher ein Mal war: Ein Spielplatz für die mitunter kreativsten Köpfe dieser Welt, ohne auch nur eine Sekunde an die gewinnbringendste Strategie zu denken.

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Marie Meimberg

An sich finde ich es erstmal geil, eine Alternative zum jetzigen Ad-Share-Modell zu haben. Nicht nur, weil mich persönlich Werbung oft einfach nervt. Weil sie viel zu oft viel zu scheiße ist. Sondern auch, weil es als jetziges Bezahlmodell für viele Creators nicht gut funktioniert. Wenn YouTube Red so aufgeht, wie YouTube sich das erträumt, wäre das auch für Webvideomacher ein Traum. Weil die Einnahmen/View sich enorm verbessern könnten. Und das ist geil. Gerade weil der Ad-Share immer schlechter geworden ist. (Und das, obwohl die Werbeeinnahmen gesamt von YouTube gestiegen sind. Das liegt ganz einfach daran, dass sich das mehr gewordene Geld auf viel mehr gewordenen YouTuber verteilt und so unterm Strich für jeden einzelnen weniger auf dem Konto ankommt). Gleichzeitig wissen wir alle noch zu wenig, um wirklich zu sagen, ob YouTube Red supergeil wird, oder nicht. Wie genau wird das Geld auf die Creators umverteilt? Hier werden ähnliche Algorithmen greifen wie die, mit denen YouTube ohnehin schon arbeitet. Also die Algorithmen, die machen, dass die Sami Slimanis und 10 Arten von Challenges in Deutschland so erfolgreich sind.

Und: Wer zahlt die 9,99 Dollar warum? Wer einzelne YouTuber supporten möchte, wird das bestimmt auf anderen Wegen besser erreichen. Patron und Co. machen da für den einzelnen Webvideoproduzenten einen größeren Unterschied. Und möchte ich wirklich 9,99 Dollar für werbefreie DM-Hauls zahlen? Oder investiere ich die lieber in Netflix? Für Musik macht das noch am ehesten Sinn. Im Vergleich zu Spotify und Co. Aber das ist in Deutschland ja auch wieder eine ganz andere Geschichte. Generell finde ich es super, Leuten klar zu machen, dass guter Content was wert ist. Und Leuten, die Werbung so ätzend finden, dass sie mit AdBlockern arbeiten, eine Alternative zu bieten, auch. Aber dann muss auch der geile Content her, für den man bereit ist, 9,99 Dollar zu zahlen. Und da sehe ich die eigentliche Baustelle auf YouTube Deutschland.

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Alexander Böhm (AlexiBexi)

In der Theorie interessant, in der Praxis wahrscheinlich scheiße. Nicht, dass das Nacheifern bekannter Modelle etablierter Anbieter eine Schande wäre, nein. Der Inhalt macht mir Sorgen. „Exklusive Inhalte" mit etablierten YouTube-Gesichtern—was wollen die mit denen machen? Das Rad neu erfinden? Bezahltes RTL inklusive HD+, nur mit anderem Logo? Das mag vielleicht international funktionieren, da dort auch niveauvollere beziehungsweise qualitative Inhalte im Fokus größerer Reichweiten stehen, doch wenn ich an den deutschen Markt denke … Früher dachte man bei YouTube an kotzende Katzen, heute an zum Kotzen verhaltende Beauty-Tanten oder inhaltslose Personenkultkulturen. Ob man dann für 10 Geldstücke im Monat seine vermeintliche Blase der Vielfalt noch enger schnüren möchte …?

Ich war im Gasometer auf einer YouTube-Blogger-Show

Die Idee an sich ist natürlich gut, aber: Wichtig wäre definitiv die Möglichkeit zu haben, Vielfalt zu erleben. Ich will nicht SCHON WIEDER die immer gleichen Gesichtern in unterirdisch billigen TV-/Netflix-/Kino-Ripoffs ertragen. Ich will die schlummernden Schätzchen sehen. Ich will nicht auf ausgelutschten Achterbahnen mit hirnlos sabbernden Kleinkindern mitrutschen, ich will dahin, wo Mama und Papa sich ihre Zeit vertreiben, wenn die Kinder im Bällebecken umherdödeln. Und ich hoffe, nie nie nie nie nie wieder die inzwischen käuflich erwerbbaren Startseitenplätze der YouTube-Startseite sehen zu müssen. Oh, darf man das etwa nicht wissen?

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Michael Buchinger

Ich bin immer ein bisschen kritisch, wenn man eine Sache, die ohnehin schon seit Jahren ganz gut funktioniert, ändern möchte. „If it ain't broke, why fix it?", frage ich mich auch bei YouTube Red. Zwar klingt das Wegbleiben der Werbung wie ein ziemlich reizvolles Feature, aber ein Drittel meines Freundeskreises nutzt ohnehin bereits einen AdBlocker für diese Zwecke. Videos speichern und sich offline—wie zum Beispiel im Flugzeug!—ansehen hört sich toll an, doch andererseits glaube ich, dass ich auch ein paar Stunden überleben könnte, ohne mir Beauty Hauls und Katzenvideos anzusehen. Vielleicht sollte ich mal wieder ein Buch lesen?

Wie man vielleicht merkt, stehe ich YouTube Red, wie den meisten Dingen, die mir neu sind, noch ein klein wenig kritisch gegenüber. Aber hey: Das war auch bei Diensten wie Spotify Premium oder Amazon Prime der Fall, und mittlerweile bin ich beiden seit mehreren Monaten guter Kunde. Mir bleibt wohl nichts anderes übrig, als YouTube Red—wenn es so weit ist—zu testen und mir selbst ein Bild von der Vor- und Nachteilen zu machen.

Lisa ist nicht bei YouTube, dafür aber bei Twitter. Folgt ihr doch mal.


Titelfoto: imago | Fotoarena