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Wir haben ein exklusives (inoffizielles) Interview mit Death Grips geführt

Wir haben uns in den Backstage von Death Grips geschlichen, um endlich mal mit ihnen zu reden.

Wie schafft man es, bei einem Konzert von Death Grips backstage zu kommen? Ganz einfach. Wenn ihr süße Mädchen seid, könnt ihr euch immer als Groupies ausgeben und euch hinter die Bühne schleichen. Nach ihrem Konzert im Festsaal Kreuzberg hüpften meine Freundin und ich auf die leere Bühne, gingen einfach durch die Hintertür, eine Treppe hinunter, nahmen die linke Tür und da war sie: die Band. Sie waren sehr freundlich zu Besuchern, was merkwürdig erscheint, da sie im Vorhinein jedes Interview in der Stadt abgelehnt hatten. Abgesehen von uns waren keine anderen Journalisten oder Fans da.

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Sie hatten keine Zeit für Groupies und wollten uns schnell wieder los werden. Vermutlich waren sie zu sehr mit ihrem gerichtlichen Drama beschäftigt.

Wie du vielleicht bereits weißt, haben Death Grips einen Punkt in ihrer Karriere erreicht, ab dem ihnen zu Ehren eine Seifenoper gemacht werden könnte: Ihre Plattenfirma hat sie nach einer Meinungsverschiedenheit bezüglich des Erscheinungsdatums ihres zweiten Albums No Love Deep Web rausgeschmissen. Eigentlich sollte das Album am 23. Oktober rauskommen. Death Grips veröffentlichte es allerdings schon am 1. Oktober umsonst, nachdem ihr Label das Release auf 2013 verschoben hatte.

Es kommt noch besser: Das Cover des Albums zeigt einen erigierten Penis, auf dem mit schwarzem Filzstift der Name des Albums geschrieben steht. Unzensiert können Mainstreamläden das Album nicht verkaufen und die Band benutzt mittlerweile ihre Facebook- und Twitter-Accounts, um Scheiße zu verbreiten und um die mediale Berichterstattungen über sich selbst zu sammeln. Ziemlich seltsam, da sie jedes Interview verweigern, und mit dem täglichen Posten von Medienlinks das Drama nur erhöhen. Die Band ist auch bekannt dafür, E-Mails an die Öffentlichkeit dringen zu lassen. Eine E-Mail wurde vom Senior Vice President von Epic Records, Heath Kudler, an Pete Katsis, den Manager der Band, am 1. Oktober geschickt. In der E-Mail bittet er ihn darum, das Album und alle Links dazu offline zu nehmen. In einem offiziellen Statement verkündete Epic nun, daran zu „arbeiten“, die Geschäftsbeziehung zu Death Grips aufzulösen. „Epic Records ist eine Firma, bei der die Musik an erster Stelle steht und die neue Künstler unterstützt. Das ist unsere Mission und unser Auftrag. Unglücklicherweise müssen wir uns, wenn Marketing- und Publicity-Eskapaden die eigentliche Musik in den Schatten stellen, auf unsere Grundsätze besinnen … Wir wünschen ihnen alles Gute.“ Ist das Ganze nur ein ausgefuchster Marketingtrick? Vielleicht so etwas wie Anti-PR? Oder Warum sollte man sich wie eine Drama-Queen aufführen und dann auf Tour gehen und den ganzen Hype aufsaugen?

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Es gab nur einen Weg, die Wahrheit zu erfahren—wir mussten die Band treffen und uns selbst ein Urteil bilden. Wir waren im Backstage-Bereich. Wir waren nervös, aufgeregt und fühlten uns seltsam unwohl in unserer Haut. Die Band unterhielt sich hinter einer Tür. Uns fiel nichts Anderes ein, als ihnen etwas zu trinken anzubieten. Da stand schließlich eine ganze Armee von Plastikbechern vor ihrer Tür.

Mit zwei Bechern bewaffnet schob ich meinen Kopf durch die Tür. „Wasser?“, fragte ich.
Die Drei sahen auf und nickten. Der Leadsänger, Stefan „MC ­Ride“ Burnett, war nett. Zach Hill, der Schlagzeuger, sah verdächtig aus. Und das dritte Bandmitglied, Andy Morin, beugte sich über einen Laptop (vermutlich war er damit beschäftigt, E-Mail-Anfragen von Journalisten zu löschen) und nahm uns kaum wahr. Der Raum war leer, kalt und absolut nichts Interessantes passierte—das komplette Gegenteil der adrenalingeladenen Show auf der Bühne 15 Minuten vorher. Willkommen in der Wirklichkeit. Es gab kein Waschbecken—nur Sofas und einen Kühlschrank, der bis auf drei Dinge vollkommen leer war: Eine Flasche Wodka, ein Bier und eine große Flasche Apfelsaft. Wasser gab es leider keins. Schnell machte ich zwei Becher mit Apfelsaft voll. Ich bin gemein, ich hätte drei machen sollen, aber Andy konnte seinen Blick nicht vom Laptop heben, also ließ ich ihn in Frieden. Was ich über Musiker gelernt habe, ist, dass sie hören wollen, dass sie gute Arbeit geleistet haben, wenn sie von der Bühne kommen.

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„Das war eine tolle Show!“, sagte ich, während ich Stefan um den Hals fiel. Auf der Bühne hatte er geschwitzt, jetzt tat er es überhaupt nicht mehr. Er trug inzwischen ein blaues Baumwoll-T-Shirt. Er wirkte ehrlich gerührt von meinem Kompliment.
„Danke! Danke, dass wir hier sein durften!“, sagte er. Ich habe keine Ahnung, für wen er mich hielt. Vielleicht die Club-Betreiberin? Was auch immer es war, er dachte wohl, ich sei jemand Wichtiges. „Ich kann mir vorstellen, dass ihr in letzter Zeit viel durchgemacht habt“, sagte ich und bot ihnen den Apfelsaft an.
„Ja“, sagte Stefan, den Blick zu Boden gerichtet. „Vor allem mit eurem Label“, sagte ich.
„Es ist keine einfache Zeit“, sagte er.

Stille.

Der Drummer, Zach, warf mir einen direkten, kalten Blick zu. „Nun“, sagte ich. „Wenn man eine harte Zeit durchlebt, muss man sich durchkämpfen. Irgendwann ist sie vorbei.“ Wie Winston Churchill schon sagte: „Wenn du durch die Hölle gehst, geh weiter!“
Er nickte. Zach schenkte mir ein halbes Lächeln, während ihm der Schweiß den Rücken hinunterlief. Wie schon zuvor auf der Bühne stand er oben ohne da. Er nippte an seinem Apfelsaft.
„Nun, jetzt haben wir Apfelsaft“, sagte Zach.
Ich nickte. Ich fühlte, dass meine Einladung im Begriff war abzulaufen. „Dürfen wir ein Foto machen?“, fragte ich. „Wir sind große Fans.“
„Nein, wir lassen uns nicht fotografieren, tut uns leid“, sagte Stefan mit aufrichtiger, mütterlicher Stimme.

Ich lächelte, nickte und ging. Einen letzten Versuch war es wert—Benedicte ging zurück und fragte noch mal nach einem ein Foto. „Wir sind wirklich große Fans“, sagte sie. „Kann ich nicht doch schnell ein Foto von euch machen?“
„Tut uns leid“, sagte Zach. „Wir müssen die nächsten Tage planen. Ihr müsste jetzt verschwinden.“ „Aber ich will euch Berlin zeigen“, sagte Benedicte.
„Daraus wird leider nichts“, antwortete Stefan. Schließlich traten sie am nächsten Tag in Brüssel auf.

Zu beschäftigt, um sich mit Groupies abzugeben? Sie warfen hinter uns die Tür zu und beim Gehen hörte ich noch jemanden im Raum sagen: „Ich wette, in dem Apfelsaft ist Wodka.“ Sie lachten. Ihre Show war vorbei, aber nicht für lange. Das Drama für Death Grips geht weiter, auf und hinter der Bühne.