Steigende Waffenkäufe: Im Gespräch mit einem Berliner Waffenhändler
Foto: imago | Christian Ohde

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Steigende Waffenkäufe: Im Gespräch mit einem Berliner Waffenhändler

Der Inhaber des Waffenladens "Soldier of Fortune" über Kunden, Kaufpsychologie und Pfeffergel, das Angreifer markiert, auch wenn sie wegrennen.

Deutschland greift zu Waffen: Die Zahl der kleinen Waffenscheine ist laut Bundesinnenministerium im vergangenen Jahr im 50 Prozent gestiegen, von 270.000 auf knapp 400.000. Den kleinen Waffenschein braucht, wer Schreckschusspistolen tragen will. Dafür muss man nur einen Antrag ausfüllen und, je nach Bundesland, 30 bis 150 Euro zahlen. Legal kaufen kann man diese Waffen aber auch so. Pfeffersprays kann jeder bei sich tragen, solange darauf ein Hinweis steht, dass sie für die Tierabwehr gedacht sind.

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Wir haben mit dem Berliner Waffenhändler Pavel Sverdlov gesprochen, dem Inhaber des Geschäfts "Soldier of Fortune", und nachgefragt, warum die Deutschen waffentechnisch aufrüsten.

VICE: Wie lief Ihr Geschäft im letzten Jahr?
Pavel Sverdlov: Im vergangenen Herbst ist die Nachfrage nach Verteidigungswaffen plötzlich angestiegen. Es war schon ziemlich offensichtlich warum: wegen der unkontrollierten Einwanderung nach Europa. Viele haben Angst bekommen. Die hatten das Gefühl, dass der deutsche Staat und die EU die Situation nicht im Griff haben.

Dann war da die Silvesternacht in Köln. Bei uns wurde anschließend alles an Sicherheitsartikeln leergefegt. Wir konnten keinen Nachschub bekommen, weil bei Herstellern und Lieferanten alles ausverkauft war. Bei manchen Waren mussten wir Monate warten, bis die wieder lieferbar waren.

Da ist offensichtlich ein Gefühl der Unsicherheit. Nach den Ereignissen in Köln haben Leute direkt gesagt, dass sie Angst haben wegen der sexuellen Übergriffe.

Wer kauft bei Ihnen?
Alle möglichen Leute. Männer kaufen Pfefferspray für die Frau, die Tochter, die Mutter. Manche kommen ganz verunsichert zu uns, wie in einen Sexshop. Die entschuldigen sich dann dafür und sagen: "Ich war noch nie in so einem Geschäft." Generell kommen inzwischen viel mehr Frauen zu uns und viel mehr ältere Leute, das war früher auch ziemlich selten.

Was für Waffen werden am häufigsten nachgefragt?
Das Pfefferspray, das kostet nur 7 Euro. Davon verkaufen wir 20 bis 30 Flaschen pro Tag. Dann gibt es noch das Pfeffergel für 30 Euro und Schreckschusspistolen für etwa 150 Euro.

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Wie wirken die denn?
Sie benutzen alle einen Stoff, der aus Chilischoten hergestellt wird. Auch die Schreckschusspistolen, für die gibt es Pfeffermunition. Der Reizstoff führt zu Atemproblemen und Augenschmerzen. Die Pistole wirkt nur auf eine Entfernung von bis zu drei Metern. Das Pfefferspray hat eine Reichweite von bis zu acht Metern. Aber wenn der Wind falsch steht oder man es drinnen einsetzt, kann es sein, dass man es selber abkriegt. Da ist dann Pfeffergel besser. Außerdem hat das einen Farbstoff, der den Angreifer markiert, auch wenn er wegrennt.

Welche Waffe würden Sie empfehlen?
Das Gel, das ist am effektivsten.

Und warum kaufen Leute dann überhaupt Schreckschusspistolen?
Das hat sicher eine psychologische Wirkung. Manch einer fühlt sich sicherer, wenn er so eine Waffe in der Hand hat. Nur kann es eben auch zur Verwechslung mit einer richtigen Pistole kommen. Da muss man vorsichtig sein.

Wie war die Nachfrage in den letzten Monaten?
Nachdem die Stimmung beim Thema Flüchtlinge im April und Mai ruhiger geworden ist, wurde auch weniger gekauft. Aber seit der Attentatswoche kommen wieder mehr Leute. Ob die Waffen bei einen Terroranschlag helfen, ist natürlich die Frage. Man kann sich nicht mit einer Schreckschusswaffe gegen einen LKW wehren oder gegen jemanden, der eine Maschinenpistole hat.

Finden Sie es problematisch, dass sich immer mehr Leute bewaffnen?
Wenn die Leute ein Pfefferspray dabei haben, finde ich das nicht schlimm. Aber es ist natürlich nicht schön, dass sich in der Gesellschaft dieses feindliche Gefühl verbreitet. Das finde ich besorgniserregender, als dass jemand eine Dose Pfefferspray in der Tasche hat.

Tragen Sie selbst eine Waffe?
Nein, ich habe keine Angst.