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Sport

Wir haben Skateboarder gefragt, wie sie übers Skaten bei Olympia denken

Wer wird profitieren? Wer wird am Ende als Verlierer dastehen? Und wer wird beim Doping- und Drogentest durchfallen?

Jeder liebt die Olympischen Spiele, oder? | Foto: imago | ZUMA Press

Während Sportfans auf der ganzen Welt noch über die gerade erst zu Ende gegangenen Olympischen Spielen in Rio diskutieren, ruft die Ankündigung, Skateboarden ab 2020 in die Reihe der olympischen Sportarten aufzunehmen, in der Skateboard-Welt eher gemischte Gefühle hervor.

Das kollektive Fremdschämen war förmlich greifbar, als man die "weitreichende Anziehungskraft auf Jugendliche" als einen der Gründe für die Aufnahme von Skateboarden angab. Viele Skateboarder überraschte die Meldung jedoch nicht, denn entsprechende Pläne gibt es nicht erst seit gestern.

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Da ich selber skate, wollte ich herausfinden, wie meine Brettkollegen über den Einfluss der Olympischen Spiele auf die Skateboard-Welt denken. Wer wird profitieren? Wer wird am Ende als Verlierer dastehen? Und wer wird beim Doping- und Drogentest durchfallen?

Renton Millar

Professioneller Skateboarder und Vorstandsmitglied der International Skateboarding Federation (ISF)

VICE: Hey Renton. Du warst ja daran beteiligt, Skateboarden bei den Olympischen Spielen 2020 an den Start zu bringen. Wie lief das Ganze überhaupt ab?
Renton Millar: Vor gut neun Jahren fand in Boston ein ISF-Meeting statt. Damals versuchte die Roller Skate Federation bereits, Skateboarden olympisch zu machen. Ich wollte aber unbedingt, dass die Skateboarder in einem solchen Fall die Kontrolle übernehmen. Ich zweifelte auch nie daran, dass Skateboarden eines Tages olympisch wird. Genau deswegen war ein gewisser Schutz und eine gewisse Selbstbestimmung jedoch unabdingbar. Die ISF stellt quasi sicher, dass der olympische Skateboard-Wettbewerb so abläuft, wie sich Skateboarder das erhoffen.

Welche Vorteile bringt das Skateboarden auf der olympischen Bühne?
Einige Länder, in denen Skateboarden bisher noch kein Thema war, werden das Ganze meiner Meinung nach unterstützen. Aber auch Skateboarderinnen werden davon profitieren und endlich die Karriere machen können, die sie verdienen. Vor zwei Jahren bestand das Skateboard-Teilnehmerfeld bei den Olympischen Jugendspielen in Nanjing zur Hälfte aus Jungs und zur Hälfte aus Mädchen. Das fand ich richtig stark.

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Viele Skateboarder sind der Meinung, dass Skaten als olympische Sportart ziemlich scheiße ist. Wie reagierst du auf solche Aussagen?
Ich respektiere alle Meinungen. Und ich hoffe, dass Skateboarden bei den Olympischen Spielen alle Pessimisten und Nörgler dazu inspiriert, ihr eigenes Ding noch härter durchzuziehen. Unsere Leidenschaft wird aufgrund einer alle vier Jahre stattfindenden Veranstaltung garantiert nicht an Relevanz oder Authentizität verlieren.

Eine Sorge besteht ja auch darin, dass hier vor allem Leute profitieren, die mit Skateboarden nichts am Hut haben. Trifft das wirklich zu?
Ich bin mir sicher, dass auch Skater hiervon profitieren werden. Ich kenne viele Menschen, die hinter den Kulissen viel Lobby-Arbeit betreiben und sich so für den Bau und den Erhalt von Skateparks einsetzen. Das olympische Siegel erleichtert die Arbeit dieser Menschen und führt damit langfristig auch zu besseren Voraussetzungen für alle Skateboarder.

Susana Valbuena Sanchez

Skateboarderin, Rollerskaterin, Roller-Derby-Spielerin

VICE: Hey Susana. Wie denkst du übers Skateboarden als olympische Sportart?
Susana Valbuena Sanchez: Meiner Meinung nach passt das nicht zusammen. Man kann Skateboarder auch nicht so bewerten, wie es in anderen Sportarten möglich ist. Meine Lieblingsskater sind zum Beispiel nicht die, die ihre Tricks am saubersten, schnellsten oder höchsten ausführen. Nein, bei mir steht der Style an erster Stelle. Und beim Skateboarden kommt es sowieso auf den Spaß mit seinen Freunden und nicht auf irgendeinen Konkurrenzkampf an.

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Heißt das, dass Skateboarden jetzt "erwachsen" ist?
Ich hoffe nicht. Ganz ehrlich, ich denke auch, dass das komplette Konzept voll in die Hose gehen wird. Im Grunde versucht hier nur dieses Komitee, sich dort einzumischen, wo es nichts zu suchen hat.

Viele Leute argumentieren damit, dass die Olympischen Spiele vor allem in Entwicklungsländern mehr finanzielle Mittel für Skateparks bringen werden. Wie siehst du das?
Bullshit. Glaubt wirklich irgendjemand, dass man jetzt überall in Afrika Skateparks baut, nur weil Skateboarden olympisch ist?

Werden die Olympischen Spiele die Grundlagen für die weibliche Skateboard-Welt verbessern?
Ich glaube nicht. Wenn das jedoch tatsächlich der Fall sein sollte, dann bin ich sogar gewillt, meine Meinung zu diesem ganzen Thema zu ändern. Männer werden auch in Zukunft den Großteil der Skateboard-Welt ausmachen. Und als Frau braucht man da schon starke Eierstöcke, um die ganzen starrenden Augen im Skatepark zu ignorieren—vor allem am Anfang, wenn man noch nicht so gut ist und einfach nur ein bisschen skaten will. An diesem Umstand wird sich nichts ändern, bis in den Skateparks mehr Frauen unterwegs sind.

Nigel Cameron

Skateboard-Coach und Mitbegründer von Totem Skateboarding

VICE: Hi Nigel. Du arbeitest ja täglich mit jungen Skateboardern zusammen. Wie denken die übers Skaten bei den Olympischen Spielen?
Nigel Cameron: Denen ist das ziemlich egal. Wenn man mit dem Skateboarden anfängt, dann will man einfach nur Sponsoren finden und kostenloses Zeug abstauben. Für die Profis sind die Olympischen Spiele wohl nur ein weiterer Schritt in ihrer Karriere, aber die jungen Leute aus den ärmeren Gegenden scheißen da drauf. Die wollen wirklich nur Spaß haben.

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Und wie denkst du persönlich über diesen Schritt?
Viele Marken wollen halt ein Stück vom Skateboard-Kuchen abhaben. Unternehmen wie etwa Nike haben ja gemerkt, welche Vorteile das Ganze hat. Und diese Entwicklung bringt wiederum mehr Aufmerksamkeit, Geld und Möglichkeiten für die Skater. In der Skateboard-Welt betrachtet man die Olympischen Spiele allgemein gesprochen jedoch eher mit Verachtung.

OK, die Olympischen Spiele versprechen sich vom Skateboarden also diverse Verbesserungen. Gilt das auch vice versa?
Das Dasein als olympische Sportart bringt auch dem Skateboarden einige Vorteile, die jedoch nicht direkt greifen werden. Ich bin Mitglied der Sydney Skateboarding Association und weiß deshalb auch, dass wir so mehr Spielraum in Bezug auf die Beantragung von besseren Einrichtungen und ordentlicheren Skateparks haben. Hier schließt sich quasi der Kreis und auch wir profitieren langfristig von dieser Entwicklung.

Cameron Sparkes

Mitglied der Sydney Skateboarding Association

VICE: Hey Cameron. Viele Skateboarder sind der Meinung, dass ihre Leidenschaft bei den Olympischen Spielen nichts verloren hat. Wie siehst du das?
Cameron Sparkes: Ich kann beide Seiten verstehen. Wenn ich mich jedoch für eine dieser Seiten entscheiden müsste, dann wohl die negative. Ich weiß zwar, dass diese Entwicklung uns dabei hilft, bessere Skateparks und so weiter bauen zu können, aber ich glaube auch, dass das Ganze die falschen Leute in unsere Kultur bringt. Skateboarden gilt im Kontext der Olympischen Spielen zum Beispiel schon als "Sport". Meiner Meinung nach ist jedoch genau das Gegenteil der Fall. Der Wettbewerbsgeist der Spiele steht doch im krassen Gegensatz zu den kulturellen Werten, die im Skateboarden so wichtig sind.

Wer profitiert von dieser Entwicklung am meisten?
Viele Leute, die davon profitieren, sind keine Skateboarder. Werden diese Leute hier alles ausnutzen, um ihre Ziele zu erreichen? Auf jeden Fall! Das soll jetzt allerdings nicht bedeuten, dass diese Entwicklung nicht auch Vorteile für Skater bringt.

Werden die Doping- und Drogenkontrollen Probleme machen?
Nein. Also manchen Leuten vielleicht schon. Ich glaube, dass das einfach so sein wird wie bei den anderen Sportarten. Irgendwie finde ich es aber auch traurig, dass man immer genau dieses Thema anspricht. So befeuert man doch nur unnötige Klischees.

Welchen Einfluss werden die Olympischen Spiele auf die Skateboard-Welt haben?
Der Graben zwischen den Leuten, die die großen Wettbewerbe befürworten, und den Leuten, die dagegen sind, wird sich wohl noch weiter vergrößern. Die Skateboard-Welt ist jetzt nicht dem Untergang geweiht, aber es werden sich halt zwei Lager bilden—nämlich zum einen die "ernsten" Profis und zum anderen die Skater, die einfach nur Spaß haben wollen.

Würdest du Australien bei den Olympischen Spielen vertreten?
Auf gar keinen Fall.