FYI.

This story is over 5 years old.

Sex

Ich habe so viele Sextipps aus Frauenzeitschriften wie möglich in einer Nacht ausprobiert

"Nehmen Sie einen Kochlöffel, eine Gabel und einen Teigroller mit ins Bett und lassen Sie der Fantasie freien Lauf."

Sextipps gehören zu Frauenzeitschriften wie Diät-Anleitungen "ganz ohne zu Hungern". (Ernähre dich von gegrillter Putenbrust und Algensalat mit ölfreiem Dressing. Aber schränke dich bloß in nichts ein!) Beides scheint so viel mit Realität zu haben wie Liebeskomödien mit echten Beziehungen. Beides lese ich, etwa am Strand oder in der Badewanne, im intellektuellen Energiesparmodus. Die Ratschläge rauschen an meinen Gehirnwindungen vorbei—zusammen mit der Info, dass es jetzt Nagellack gibt, der nach Banane riecht.

Anzeige

Ich stelle mir dann immer vor, dass blondierte Redakteurinnen mittleren Alters zwei Zettel-Tüten in ihren gemütlich eingerichteten Büros haben. Aus der einen ziehen sie Schnipsel, auf denen Körperteile stehen, aus der anderen irgendwas mit Seidenschals, Eiswürfeln und Nutella. Dann führen sie die beiden Zettel zusammen und es kommt so etwas heraus wie: "Lassen Sie ihn Nutella von Ihren Nippeln lecken! Lassen Sie Seidenschals/Eiswürfel/warmen Honig an seine Eiern/Ohrläppchen/sein"bestes Stück" gleiten." Oder solche Absurditäten: "Während du ihn reitest, schlage auf seine Ohrläppchen mit den Fingern ein und ziehe an ihnen, um dich nach vorne und hinten zu wiegen!" (Cosmopolitan US).

Aber hat jemand von den Lesern—oder Autoren—jemals etwas davon ausprobiert?

Diese Wissenslücke muss geschlossen werden. Ich marschiere in einen Zeitschriftenladen und nehme die beiden erstbesten Frauenzeitschriften aus den gefühlt Hunderten Magazinen, die mit revolutionären Zwetschgenkuchenrezepten locken, mit ungeschminkten Promis und Schicksalsgeschichten von "Powerfrauen", die sich in Männerbranchen behaupten oder, ganz ohne zu hungern, 20 Kilo abgenommen haben. Danach studiere ich zusammen mit dem Mann, der sich freundlicherweise als Versuchsobjekt bereitgestellt hat, "25 Sextricks, die kein Mann vergisst." (Joy) und die "Sex Olympiade: Lustige Lustathletik—von Rasurreiten bis Volleyknallen" (Cosmopolitan).

Anzeige

Für Rasurreiten aus der Cosmo gibt es sofort ein Doppelveto:

"Stellung, bei der sich die Frau rittlings auf den Partner setzt und sich so intensiv an ihm reibt, dass Genitalbrand entstehen kann. Was für Lustschmerz-Fans—die sich zur Vorbereitung auf den großen Tag extra ein paar Stoppel stehen lassen."

(WTF? Wer findet Genitalbrand heiß?)

Auch "In der Waschanlage" (Joy) fällt flach:

"Außen sauber, innen dreckig: Kümmern Sie sich vom Beifahrersitz aus um sein bestes Stück, während Sie durch die Waschstraße fahren."

(Im Gegensatz zu wohlsituierten Joy-Leserinnen, müsste ich den Herren in der Waschanlage auf dem Fahrrad befriedigen.)

Auch bei anderen Aspekten unterscheidet sich meine Lebensrealität von der der Joy-Zielgruppe:

Sex im Versteck! Er muss Sie in der Wohnung suchen. Findet er Sie, gibt's Sex an Ort und Stelle. Vorfreude ist garantiert.

Die Leserinnen von Joy leben bestimmt zusammen mit ihrem "Süßen" in einer Vierzimmerwohnung—die sie seit fünf Jahren (deswegen ist ja die ganze Sexinspiration auch nötig) liebevoll einrichten. Deshalb haben sie bestimmt viele schöne Möbel, hinter denen man sich verstecken kann. Die Wohnsituation von Singles in Berlin: 25-Quadratmeter-Einzimmerwohnung mit fünf IKEA-Stücken. Auch ist die Küche des Herren nicht optimal ausgestattet, sodass wir beim "Küchenspielzeug"-Tipp kreativ werden müssen

Nehmen Sie einen Kochlöffel, eine Gabel und einen Teigroller mit ins Bett-und lassen Sie der Fantasie freien Lauf.

Anzeige

Weil außer der Gabel nichts Gewünschtes vorhanden ist, nehmen wir eine Muskatreibe, einen Schneebesen und einen Gemüseschäler. Statt fehlender Minzbonbons, die ich lutschen soll, damit er beim Blowjob die "kühle Frische" spürt, lege ich eine Flasche Mundwasser neben das Bett. Außerdem bewaffne ich mich mit einem Gürtel, um seine Handgelenke "sanft zu fixieren", und zünde eine Lavendelkerze an. Diese—das haben "Geruchsforscher in Studien bewiesen"—soll seine Erregung um 40 Prozent steigern.

Ich verstecke mich hinter der Gardine—so ziemlich dem einzigen Ort in der Wohnung, der dafür in Frage kommt. Folglich ist das Versteckspiel nach ungefähr 25 Sekunden vorbei, was wenig Raum zur "garantierten Vorfreude" lässt. Also muss ich den Mann noch nicht ganz angeregt zwischen den Küchengeräten auf dem Bett platzieren. Aber zum Glück habe ich ihn ja mit dem Gürtel verbunden. Da kann er sich nicht besonders wehren.

Wer braucht schon Sexshops, wenn er eine gut gefüllte Küche hat? | Foto: privat

Das einzige, wozu meine Fantasie angesichts des Küchenarsenals auf dem Bett reicht, ist das Spiel "Rate das Küchengerät". Im Falle von Korkenzieher und Schäler ist das ziemlich schnell erledigt. Letzteres stößt verständlicherweise nicht auf viel Begeisterung, dafür aber überraschenderweise die Muskatreibe. Der Herr findet es ganz gut, wenn man sie gegen seine Nippel drückt ("ein ganz neues Gefühl!"). Auch die Gabel findet durchaus Anklang, solange man die Zacken nicht zu unsanft gegen die Haut drückt. Allerdings kommt es mir recht kannibalistisch vor, in dem nackten Mann vor mir zu stochern wie in einem 180cm großen Steak.

Anzeige

Dann ist der Minz-Blowjob dran plus etwas, das in der "Cosmo Sex Olympiade" unter dem brachialen Namen "Hodentörnen" läuft, im Prinzip aber nur bedeutet, dass ich seine Eier lecken soll.

Das Mundwasser fühlt sich für ihn wohl tatsächlich kühl und angenehm an, aber nur für ein paar Sekunden, sodass ich einmal pro Minute nachspülen muss. Eigentlich bin ich ganz froh, dass wir keinen Ganzkörperspiegel haben, in dem er mir, wie zur Luststeigerung empfohlen, dabei zusehen soll, wie ich ihn beglücke. Ich bin mir nicht sicher, ob ich ein sexy Bild abgebe, während ich den Blowjob ausführe, parallel dazu mit der Muskatreibe gegen seine Nippel drücke und zwischendurch Mundwasser aufnehme und ausspucke wie bei der Zahnvorsorge. Ich selbst bin jedenfalls erleichtert, dass ich das alles nicht sehen kann. Ich würde vor Lachen sterben.

Was dann so ähnlich auch ohne Spiegel und ohne Lachen passiert, weil ich mich vor Überlastung meiner Koordinationsfähigkeit an Penis und Mundwasser verschlucke und huste, bis ich keine Luft bekomme. Der Mann kann mir dabei nicht einmal gegen den Rücken klopfen (seine Hände sind ja mit dem Gürtel verbunden!). Ich setze mich im Bett auf, um mich auszuhusten, und lande dabei mit dem Hintern auf der Muskatreibe. Das alles fühlt sich immer mehr an wie eine schlechte Comedy.

Es braucht einige Minuten und erektionserhaltende Maßnahmen, bin wir zum nächsten Schritt übergehen können, bei dem ich seinem Penis mittels warmem Tee im Mund ein Temperatur-Wechselbad verpassen soll. Auch hier gilt: Die Wirkung ist wohl angenehm, aber, um sie aufrecht zu erhalten, muss ich ständig nachtrinken. Ein halber Liter ziemlich heißen Tees reicht ungefähr für anderthalb Minuten Blowjob. Außerdem habe ich mir die Zunge verbrannt.

Anzeige

Danach halte ich mir, wie von der Joy vorgeschlagen, während des Blowjobs einen Vibrator gegen die Wange. Er findet das "zumindest interessant", aber mein verminzter, verbrannter, durchgerüttelter Mund hat bald keine Lust mehr. Immer häufiger denke ich daran, warum ich nackt, mit einer übervollen Blase (Tee) zwischen einer ausgeleerten Küchenschublade in einem Zimmer hocke, das immer mehr nach Secondhandladen riecht (Lavendel!). Also schließen wir das Ganze mit dem "Sper(ma)wurf" ab.

"Wenn er—entgegen sämtlicher Absprachen—in ihren Mund kommt, und Sie ihm das Ejakulat aus Rache zurückgeben. Entweder spuckend oder küssend."

Abgesehen davon, dass ich hier Cosmos Sicht auf die zwischengeschlechtliche Beziehungen problematisch finde (haben die Autorinnen etwa Sex mit Ärschen, die gegen den Willen der Partnerin in den Mund ejakulieren?), ist das vielleicht der sinnvollste Tipp: Kein Mann, der nicht weiß, wie sein Sperma schmeckt, soll dasselbe von seiner Partnerin verlangen.

Danach erklären wir das Experiment für beendet, ohne dass wir "Ramm-Po-Lin" ausprobiert haben, oder "Cockey"

"Sportart, bei der der Mann keinen Hockeyschläger, sondern einen mindestens halbsteifen Pimmel zur Hand nimmt und damit zuschlägt. Und zwar teasend gegen die Vagina. Trifft er dabei das Gesicht ist das nicht Cockey, sondern Anpimmeln, und wird mit einem Platzverweis geahndet."

(Und wieder: Wo finden die Cosmo-Damen eigentlich solche männlichen Soziopathen?)

Ich glaube, wir sind beide erleichtert, als ich den Mann losbinde. Wir bewerten die Küchengeräte nach Sexyness (Korkenzieher 0, Sahnespaten 4, weil er sich recht gut zum Spanking eignet) und lachen erstmal drei Minuten durch. Die Stimmung danach ist so blödelig und entspannt, dass der (völlig tipp-freie) Sex danach ziemlich unverkrampft ist. Und deswegen gut. Zumindest für etwas waren die Sexratgeber dann doch sinnvoll.