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Sex

„Wo dich die Seile hinführen...“

Ich habe an einem Bondage-Do-it-yourself-Workshop teilgenommen.

„Habt ihr eigene Seile dabei?", fragt Michael. Weder Julia, Janina noch ich haben welche. Ganz anders als Jasmin und Stivi: Wenn wir hier in der Primarschule wären, wären sie die Klassenstreber.

Stivi (39) ist der Master, er knüpft ästhetische Knöpfe und ist perfekt ausgerüstet mit roten Hanf-Seilen und einem Messer in der Gürteltasche. Hanf-Seile sind robust, Jute-Seile gehen auch, lernen wir Anfänger. Hauptsache, sie dehnen sich nicht wie Baumwolle oder verbrennen die Haut wie synthetisches Material. Das alles lernen wir auch noch. Acht Meter lang und sechs Millimeter Durchmesser.

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Jasmin (31) ist auch ausgerüstet: Sie ist das Bunny von Stivi und trägt ein silbernes Metallhalsband mit Ring, um bei Bedarf eine Leine anzuhängen. Sie hat auch gebacken, Missisippi-Muffins nach einem Betty Bossi-Rezept. Die Muffins sind wichtig, um den Kreislauf stabil zu halten, denn Bondage ist eine körperliche und psychische Herausforderung, weiss sie.

Darum auch das Messer an Stivis Gürtel: Im Notfall muss die Befreiung aus den Seilen schnell gehen. Falls plötzlich ein Arm wie tot runterhängt, hat man aus Versehen einen Nerv abgeklemmt, das ist nicht so gut. Dumm ist, wenn der Arm schon dermassen gut eingewickelt ist, dass niemand mitbekommt, dass hier ein Arm sein Bewusstsein verloren hat.

Zum Glück sind wir noch Anfänger und kaum länger als zehn Minuten eingewickelt: Unsere Arme sind also ungefährdet. Vor Nervenschäden müssen wir uns nicht fürchten. Überhaupt ist Bondage eine eigenartige und gleichzeitig an-und erregende Erfahrung—diese Mischung macht es so überaus reizvoll.

Der Lausanner Michael Ronsky versteht es, Erotik, Artistik und Shibari (Japan-Bondage) in seinen schwarzen Shows auf die Bühne zu bringen, zum Beispiel im legendären Cabaret Bizarre. Dort hängen die Models in Suspension an Fleischerhacken.

Seine Workshops sind weniger spektakulär. Trotzdem gibt es selbst in diesem Tanzsaalraum Momente der Intimität mit seinem Model Lety, in denen sich die Spannung der Seile auf die Interaktion zwischen Top und Bottom überträgt.

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Eine Spannung, die wir selbst schnell spüren. Vorerst sind wir aber einfach in kindischer Freunde begeistert von den kunstvoll auf den Rücken gefesselten Händen. Stivi, der Streber, ist natürlich schon weiter: Jasmin hängt kopfüber in der Luft.

Jasmin ist über ihren Ex-Freund in die Schweizer Bondage-Szene gekommen, die anders ist als das, was Michael und Lety mit ihrem artistischen und beinahe mystischen Verständnis von Bondage lehren. Stivi und Jasmin gehen an die Fesselstammtische und sind damit Teil einer Szene, die gar nicht klein ist.

Julia (29) und ihre Freundin Janina (28) fesselten sich zum ersten Mal. Warum haben sie sich angemeldet? Die Frage wäre besser: Warum nicht? Das queere Basler Filmfestival Luststreifen hat, quasi als Begleitaktivität zum diesjährigen Thema „Süsser Schmerz", BDSM- und Bondageworkshops organisiert.

Wir sind nach zwei Stunden schon dabei, Beine und Arme über den Rücken zu verknüpfen. So kompliziert ist Bondage gar nicht. Mit guten Seilen und einigen Knöpfen und Knoten, die wir in pfadfindermässiger Seriosität an unseren nackten Unterschenkeln üben, braucht es nur Mut zur Dominanz und Kreativität in der Führung der Seile entlang dem Körper des Models.

Bondage ist zweifellos ein sexueller Fetisch. Die erotische Ästhetik und sinnliche Erregung machen den Fesselspass zum privaten Bettabenteuer und wer will das nicht? Hier geht's zu den Do-it-yourself-Youtube-Filmchen.