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Und so ungern das einige User hören: Facebook hat damit absolut Recht. Nicht, weil Brüste schlimmer sind als der Nationalsozialismus oder weil Prüderie und Ignoranz besser wären als Offenheit und Aufklärung. Sondern weil der Vergleich von Busen mit Hitler zwei grundlegend verschiedene Dinge vergleicht (Jugendschutz und Meinungsfreiheit) und weil gerade Aufklärung nach dem Gegenteil von Zensur verlangt.In diesem Punkt stimmt sogar die Unterstellung, Facebook wäre ein amerikanisches Musterbeispiel. Nicht, weil es puritanisch, protestantisch und prüde ist, sondern weil es die Meinungsfreiheit immer höher hält als die Meinung einzelner, auch (und gerade) wenn diese Meinung von der Mehrheit geteilt wird und es ziemlich einfach wäre, ihr nachzugeben.Was Facebook besser verstanden hat, als alle Zensur-Verfechter im sozialen Netz, ist, dass es zu den großen Errungenschaften genau dieses sozialen Netzes gehört, auf mehr statt auf weniger Dialog zu setzen. Alles andere wäre ein Schritt zurück zu den alten Medien, in denen der Chef bestimmt, was gezeigt wird.MOTHERBOARD: Wie Großbritannien seit Jahren seine Web-Zensur ausweitet
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Ironischerweise setzt Facebook damit auch ein Zeichen gegen das Phänomen der Filterblase, für das sonst umgekehrt genauso stark kritisiert wird: Wenn Facebook Andersdenkende aus dem Feed verbannt, ist das für einige genauso schlimm, wie wenn es das nicht tut. Der Ruf nach Diversität oder eben Zensur ändert sich je nach Anlassfall—was an sich ein guter Hinweis dafür ist, dass Facebook ihm besser nicht nachkommen sollte, wenn es sich nicht von einer Seite instrumentalisieren lassen will.Damit ist Facebook übrigens auf einer Linie mit dem Arzt und Juristen Dr. Dr. Rainer Erlinger, der im SZ Magazin ebenfalls dazu rät, Nazis und andere Rechte nicht gleich zu entfreunden, sondern sich der Welt in all ihrer Abgefucktheit zu stellen (meine Worte, nicht seine).Was man gerne vergisst, ist, dass Menschen, die eine sehr starke Meinungen dazu haben, was sein darf, auch eine gewisse Tendenz dazu zeigen, zu ignorieren, was trotzdem ist. Wer glaubt, dass die Dummen immer mehr werden und man die wenigen Verbliebenen vor dem „Dummheits-Virus" schützen muss, indem man das Gedankengut im Netz zurechtstutzt, hat weder die Aufklärung noch das Internet und schon gar nicht das Prinzip von Informationsfreiheit verstanden.Wozu das im schlimmsten Fall führt, hat sich in den vergangenen Wochen gleich zwei Mal gezeigt. Zuerst, als Facebook diesen Beitrag der Satire-Seite Postillion löschen ließ, weil er offenbar von einigen Leuten gemeldet wurde, die wirklich gar nichts wissen—höchstwahrscheinlich nicht einmal, was Satire heißt.Das einzige, was die Zensur von rechtsradikalen Inhalten bringt, ist mehr falsche Sicherheit.
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Und zuletzt, als das Netzwerk die Anti-Strache-Seite Blutgruppe HC negativ gleich komplett sperren ließ. Die Ironie daran ist schwer zu übersehen. Entweder reagiert Facebook auf Hass-Postings zu passiv und wird vom Mob für seine Beitragstäterschaft kritisiert—oder aber es reagiert rasch und gehorsam und läuft damit auch Gefahr, dass die Nazi-Keule gegen Nazi-Kritiker ausgepackt wird.Das erinnert an den Kabarettisten Hubsi Kramar, der anlässlich der ÖVP-FPÖ-Regierung im Jahr 2000in voller Hitler-Montur aus seiner Limousine beim Opernball stieg, um zu verkünden: „Ich bin wieder hier."—und in bester österreichischer Behördentradition wegen Wiederbetätigung angezeigt wurde.
Sicher, man kann immer noch einen Mittelweg verlangen. Man kann fordern, dass Facebook die Feinheiten zwischen Satire und Sympathie besser verstehen muss. Genau das versucht Facebook mit seiner Taskforce in Deutschland inzwischen auch. Aber um wirklich jeden Nazi-Post zu erkennen und zu löschen, ohne dass der Löschung auch nur ein einziger Nicht-Nazi-Post zum Opfer fällt, bräuchte es vermutlich eine zweite Erde an Zensoren oder einen Algorithmus, der Skylink aus Terminator in nichts nachsteht.Solange wir keines von beidem haben, wird Facebook niemals prophylaktisch, sondern immer reaktiv auf Inhalte reagieren können. Das einzige, was die Zensur von rechtsradikalen Inhalten (und solchen, die danach aussehen) bringt, ist mehr falsche Sicherheit. Ja, Zensur bringt weniger Konfrontation mit unliebsamen Meinungen und mehr heile Welt in der Filterblase. Aber das heißt nicht, dass es diese unliebsamen Meinungen deshalb weniger gibt oder die Filterblase deshalb eher die Welt, wie sie ist, abbildet.Gegen Facebook-Zensur zu sein, bedeutet nicht, sich für Nazis stark zu machen. Es bedeutet, sich komplizierten Problemen zu stellen. Denn es ist einfach, Hass-Kommentare zu entfernen—viel schwieriger ist es, den Hass selbst zu entfernen.Markus auf Twitter: @wurstzombieKorrektur:Eine ältere Version des Artikels beinhaltete die Behauptung, dass das Wiener ÖVP-Mitglied Gerhard Loub die Sperrung der Blutgruppe HC negativ-Seite laut deren Betreibern eingeleitet hätte. Tatsächlich verwiesen die HC negativ-Betreiber in einem Twitter-Update lediglich darauf, dass Loub in der Vergangenheit die „unfairste Sperrung" ihrer Seite eingeleitet hätte, als dieser angeblich einen Urheberrechtsverstoß meldete. Gerhard Loub hat die Seite im aktuellen Fall nicht als unangebracht gemeldet und ist für die Sperrung nicht mitverantwortlich.Warum unsere FB Seite gesperrt wurde — BlutgruppeHCNegativ (@stracheFP)September 18, 2015