Ich war viel zu jung, um mir Trainspotting anzuschauen, als der Film rauskam. Das hielt ihn allerdings nicht davon ab, in die wohlbehütete Blase meiner vorpubertären Welt einzudringen. Es war der Film, über den meine Freunde und ich im Unterricht redeten; der Film, dessen Kinoposter wir uns mit unserem zusammengesparten Taschengeld kaufen wollten; der Film, über den wir behaupteten, ihn gesehen zu haben, bis wir ihn dann tatsächlich gesehen hatten.
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Ende der 90er, vor dem Internet und in meinem kleinen Ort, war es Trainspotting, der uns mit vielem als erstes in Kontakt brachte. Der Film war ein Portal in eine Erwachsenenwelt, die wir so noch nie zuvor gesehen hatten—weder im echten Leben noch auf der Leinwand. Quentin Tarantino hatte uns einen Blick auf Sex und Drogen gewährt, aber bei ihm war alles so ästhetisch, so stilisiert. Trainspotting beschwerte diese Welt dann noch mit einer gehörigen Portion Realität und allein weil wir diesen Film geschaut hatten, fühlte man sich—mit 12—plötzlich viel erwachsener und erfahrener. Zumindest ging es mir dabei so.Letzte Woche feierte der Film sein 20-jähriges Jubiläum und um das zu zelebrieren, habe ich mit drei Schlüsselfiguren gesprochen: Ewan McGregor, der Renton spielte, Kelly MacDonald, die Diane spielte, und Irvine Welsh, der den Roman geschrieben hat, auf dem der Film basiert. Welshs neues Buch The Blade Artist, das diesen April erscheint, ist eine Fortführung der Geschichte des Trainspotting-Charakters Begbie.
Das Buch
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Vom Buch zum Film
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Das Casting
Die denkwürdigsten Szenen
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IW: Die Szene, in der „Perfect Day" von Lou Reed im Hintergrund zu hören ist, und der Protagonist langsam im Boden versinkt—meiner Meinung nach ist das eine sehr gute Metapher für eine Überdosis und die Art, wie man dabei dem Tod immer näher kommt. Die zweite Hälfte dieser Szene besitzt dann eine kompromisslose Energie; es folgt ein dramatischer Höhepunkt nach dem anderen. Das ist mir gleich aufgefallen, weil ich schon selbst gesehen habe, dass man durch Drogen nicht zwangsläufig auf eine dramatische Art und Weise sterben muss, sondern auch einfach nur ganz langsam wegdriften und im Grunde einschlafen kann. Einige Drogensüchtige genießen dieses Gefühl sogar irgendwie—manchmal können sie sich davon dann wieder loslösen, manchmal nicht. Diese Szene hat sowohl das Grauen als auch den Reiz von Heroin für mich perfekt eingefangen. Quasi eine Art tödliche Umarmung. Ich war einfach hin und weg. Es gibt nur wenige Regisseure, die besser sind als Danny Boyle. Er weiß genau, wie man mithilfe von Bildern eine Geschichte erzählt und etwas durch eine gefilmte Sequenz visuell zum Ausdruck bringt.
Der fertige Film
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KM: Woran ich mich von der ersten Vorführung am besten erinnere, ist Bobby Carlyles Reaktion, denn ich saß neben ihm. Er kroch vor lauter Scham schon fast über den Boden. Jedes Mal, wenn er zu sehen war, hat er sich tiefer in seinen Sitz gedrückt, was ich sehr interessant fand. So fühle ich mich aber auch. Ich glaube, das ist ziemlich verbreitet. Ich habe mich nicht gern selbst gesehen. Ich mag es immer noch nicht.IW: Ich glaube, beim Soundtrack habe ich mich dann wieder ein bisschen besser einbringen können. Weil ich viele von den Musikern persönlich kannte, konnte ich direkten Kontakt zwischen ihnen [und den Filmemachern] herstellen, sodass sich der ganze Vorgang mit dem Sichern der Rechte umgehen ließ, was sie sich ohnehin nicht hätten leisten können. Die Musiker waren so begeistert von dem Film und wollten so gerne beteiligt sein, dass sie zu ihren Plattenfirmen gegangen sind und gefragt haben: „Hey, können wir ihnen diesen Song hier geben?" Das hat uns dabei geholfen, die Rechte zu günstigen Preisen oder manchmal sogar gratis zu bekommen. So ein Soundtrack wäre auf die herkömmliche Art niemals zustande gekommen. Danny hatte für Kleine Morde unter Freunden mit Leftfield gearbeitet, und ich glaube, er kannte New Order auch noch aus Manchester. Den Film umgab so ein guter Vibe, dass er auch auf die Musiker abgefärbt hat und sie uns einen Haufen Zeug überlassen haben, das uns sonst ein Vermögen gekostet hätte.Ich beziehe mich auf die meisten der Künstler im Buch: Iggy, Lou Reed, Bowie und eine Menge von dem House, den ich damals mochte. Aber was ich nicht kapiert habe, war die Britpop-Sache. Primal Scream und Damon Albarn waren befreundet und ich kannte Jarvis Cocker, aber ich habe nicht ganz verstanden, wie Britpop da reinpasste. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie das funktionieren sollte, doch es war Danny, glaube ich, der beschloss, dass wir einen modernen Touch brauchten. Das war ein Geniestreich, denn Britpop war der letzte Strang der britischen Jugendkultur, und das hat dabei geholfen, den Film als den letzten Film der britischen Jugendkultur zu positionieren.
Die Musik
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Die Reaktion auf den Film und die Vorwürfe der Drogenverherrlichung
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