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Berliner Behörden sind vielleicht noch schlimmer als österreichische

Es fühlt sich an, als würde man gegen eine Wand aus Post-its, Computern mit Windows 95 und missmutigen Sachbearbeitern laufen.

Willkommen in der Bürokratie, hier im Bürgeramt Berlin-Charlottenburg | Foto: imago | Stefan Zeitz

Wenn man Österreicher fragt, was sie an ihrem Land am schlimmsten finden, kommt man neben dem derzeitigen Wahldebakel und dem Vorwurf, dass alle Menschen hier ständig jammern (jammernd vorgetragen) ziemlich schnell auf die Bürokratie zu sprechen. Genau genommen ist die Bürokratie auch der Grund, warum so viele jammern und das Behördenchaos mit ein Grund, warum der VfGh die Wahl aufgehoben und dem "österreichischen Schlendrian" den Krieg erklärt hat.

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Ja, Behörden-Chaos und Bürokratie-Overload sind so typisch österreichisch, dass man sich kaum vorstellen kann, dass es woanders genauso schlimm (oder schlimmer) sein soll. Erst recht nicht in Deutschland, das den Ruf hat, pingelig und überkorrekt zu sein. Aber ausgerechnet bei unseren nördlichen Nachbarn gibt es ein Gallier-Dorf, das uns jetzt eines Besseren belehrt: die Bundeshauptstadt Berlin.

Berlin: Sie wollen sich ummelden? Kein Problem! Wir hätten noch einen Termin frei am 2.November im Bürgeramt Marzahn. 2.11.? Marzahn? WTF?
— Mehmet G. Daimagüler (@DaimagM) 8. September 2016

Was wäre der Smalltalk unter Zugezogenen ohne das obligatorische "Du willst dich hier melden? Vergiss es einfach" oder ein "Bis du deinen Wohnsitz in Berlin angemeldet hast, kannst du dir auch noch Übergangsweise einen kambodschanischen Pass machen lassen". Will man hier etwas von einer Behörde, läuft man gegen eine Wand aus Post-its, Computern mit Windows 95 und missmutigen Sachbearbeitern.

Glaube es ist einfacher jemanden in Timbuktu zu erreichen, als jemanden bei den Berliner Behörden.#airporttweet #ditisberlin
— Jo (@_Jo07) 6. September 2016

Schlimm wird es, wenn es nicht nur um ein paar Briefe geht, die im Zweifel an die falsche Adresse gehen, sondern um Flüchtlinge, die an den Osterfeiertagen zum LaGeSo bestellt werden—und natürlich keine Mitarbeiter antreffen. Kurz vor der Berlin-Wahl am Sonntag haben wir für euch die vier absurdesten Berliner Behörden-Possen zusammengetragen:

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Platz 4: Dieser Termin ist kein Schreibfehler

Der Moment, wenn das Gericht darauf hinweist, dass der Termin am 19.01.2018 kein Schreibfehler ist. #Überlastung pic.twitter.com/wZPWUAv2wj
— Justillon.de (@justillon) 5. September 2016

Ja, das ist wirklich echt. Das Amtsgericht Berlin-Mitte vergibt einen Verhandlungstermin für Januar 2018. Und schreibt vorsorglich dazu, dass es kein Scherz ist. Fettgedruckt steht zu Beginn: "Dieser Termin ist kein Schreibfehler". 16 Monate muss derjenige also warten, bis sein Anspruch nach einem Verkehrsunfall verhandelt wird—der Brief kam aus der Abteilung 111 für Verkehrsangelegenheiten. Der Empfänger ist nicht der Erste, der lange auf seinen Termin warten muss, sagte das Amtsgericht. Schon mehrfach seien dort Termine vergeben worden, die in der fernen Zukunft liegen.

Platz 3: Hat uns ja niemand was gesagt!

Nidal R. machte an einem frühen Sonntagmorgen vor 3 Jahren mit 1,16 Promille eine Spritztour durch Berlin, in einem Porsche, der nicht ihm gehörte. Einen Führerschein hatte der 31-Jährige auch nicht. Er ist der Staatsanwaltschaft als Intensivtäter bekannt. Gegen sieben Uhr morgens wollten ihn zwei Beamte anhalten, weil er deutlich zu schnell fuhr, doch Nidal R. drückte aufs Gaspedal. Während der Flucht prallte er gegen sechs Autos. Er verletzte einen 35-jährigen Golffahrer und seine 47 Jahre alte Beifahrerin. Nachdem er einen Mini auf einen Skoda geschoben hatte, legte er den Rückwärtsgang ein, obwohl hinter ihm ein Polizeiwagen fuhr. Erst als die Wagen zusammenstießen, hielt er an. Politiker und Politkerinnen waren sich einig: Dafür sollte er in Untersuchungshaft. Doch nach Informationen der Berliner Morgenpost konnten die Richter keinen Haftbefehl erlassen, weil die Polizei der Staatsanwaltschaft nicht Bescheid gab, dass überhaupt etwas passiert ist. Wenn die Staatsanwälte keinen Antrag stellen, können die Richter auch nichts entscheiden. Ärgerlich für Polizei, Gericht und die Verletzten. Und Intensivtäter Nidal R. freut sich, Berliner zu sein.

Platz 2: Die einen essen Osterbraten, die anderen warten vorm LaGeSo

Das LaGeSo in Berlin | Foto: Grey Hutton

Das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) kam über Monate überhaupt nicht hinterher mit ihrer Arbeit. Flüchtlinge mussten tage- und nächtelang warten. Ein Video zeigte, wie Sicherheitskräfte auf zwei Iraker einprügelten. Ein falscher Termin ist also bei Weitem nicht das Tragischste, womit sich Flüchtlinge und Helfer dort herumschlagen mussten, aber es zeigt, wie ein dummer Fehler im Computerprogramm Menschen den Tag so richtig versauen kann. "Arbeitet das LaGeSo auch am Feiertag?", fragte am Gründonnerstagabend dieses Jahres ein Flüchtling. Er hatte ein Schreiben dabei, wonach er am Karfreitag einen Termin hatte. Im LaGeSo in Moabit bekam er während des Asylverfahrens Leistungen. Er war mit dem Termin nicht allein. Die Osterfeiertage waren im elektronischen Kalender nicht verzeichnet. Am Ostermontag kamen also bis zu Mittag etwa 30 Personen zu der Behörde. Ihre Termine fanden natürlich nicht statt—die Mitarbeiter wussten schließlich, dass sie an Ostern nicht arbeiten müssen. Am Karfreitag sollen ebenfalls um die drei Dutzend Menschen dort gewesen sein. Sie alle wurden wieder weggeschickt.

Platz 1: Wir haben heute leider doch keinen Arbeitsvertrag für dich

Wohl die ärgerlichste Berliner Berhördengeschichte aus den letzten Jahren: Die Arbeitsagentur wollte zum 1. März 2011 hundert neue Mitarbeiter in Jobcentern einstellen. Die Mitarbeiter waren schon ausgewählt und zur Vertragsunterzeichnung eingeladen. Doch einen Tag vor dem Termin erhielten die Ausgewählten ein Schreiben. Die Arbeitsagentur teilte ihnen mit, sie sollten sich arbeitslos melden. Viele von ihnen hatten ihre alten Stellen für den neuen Job gekündigt. "Wir bedauern das", sagte der Sprecher der Arbeitsagentur Olaf Möller damals. Es fehle an einer wichtigen Gremienentscheidung. Für die Menschen muss es sich angefühlt haben, als würde Heidi Klum in Form einer Jobcenter-Beamten vor ihnen sitzen mit den Worten: Wir haben heute leider keinen Vertrag für dich. Aber hey, du kannst dich arbeitslos melden. Alles fast wie bei Germany's Next Topmodel.