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Antideutsche Strukturen in der ÖH: „Wie kann man nur Schiit sein?“

Unser Gastautor ist der Meinung, dass nicht nur FPÖ und Kronen Zeitung, sondern auch die Österreichische Hochschülerschaft subtilen Rassismus betreibt.

Schiitische Hisbollah-Parade. Foto via VICE Media

Dieser Gastbeitrag wurde uns vor kurzem mit der Anmerkung ins Postfach gespült, dass er bei VICE die richtigen Leute erreichen würde. Ob damit die Angesprochenen oder ihre Kritiker gemeint sind, sei dahingestellt. Er spiegelt ausschließlich die Meinung von Pierre Ro wider.

Im Hinblick auf Rassismus in Österreich denkt man womöglich zuerst an die FPÖ und die Kronen Zeitung. Aber Rassismus geht auch subtiler: GRAS und progress zeigen wie. Und auch Freunderlwirtschaft ist nicht nur den politischen Eliten dieses Landes vorbehalten, sondern wird auch in der ÖH eifrig betrieben. Viktoria Spielmann, die ÖH-Bundesvorsitzende, führt dies in ungenierter Art und Weise vor.

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Wo anfangen frage ich mich, wenn ich mir überlege, welche Scheiße mich das letzte halbe Jahr beschäftigt hat? Am besten mit ein paar Fakten: Anfang März veröffentlichte David Kirsch ein Interview in der Universitätszeitschrift progress, das er mit der „wunderbaren Sogol Ayrom“ führte—einer bekennenden Pahlavi-Anhängerin, die den Sohn des Schahs auf diesem gemeinsamen Foto mit His Royal Highness betitelt. In ihrer Rolle als iranische „Menschenrechtlerin“ durfte sie verlautbaren, dass „sich niemand unter dem Schah vor der Polizei fürchten musste“. Das Problem daran? Ich politisiere das nicht gern, aber mein eigener Großvater wurde unter dem Schah exekutiert. Er war kein Islamist. Er war Kommunist—und leider nicht der einzige, der gefoltert und hingerichtet wurde, nachdem der Schah mit Hilfe der USA die Anfänge der iranischen Demokratie geputscht hatte.

Nun ja, Fehler können ja jedem Uni-Reporter passieren. Wusste Kirsch ja nicht, dacht ich. Wusste er aber leider schon. Kirsch und Ayrom sind beide im Umfeld von Stop the Bomb aktiv. Und für die Unaufgeklärten: Nein, diese Organisation setzt sich nicht für die globale Abrüstung ein, aber für einen Präventivschlag im Iran. Von dieser Zusammenarbeit: kein Wort.

Stephan Grigat. Foto via „Der Nahostkonflikt in Wien“, VICE Media

Auch der Gründer von Stop the Bomb, Stephan Grigat, hat Ayrom schon zitiert, als er wohl dringend eine Quoten-Iranerin benötigte. Mit welcher Qualifikation sie behaupten kann, dass nur 10 % der iranischen Bevölkerung von den Sanktionen betroffen sind, weiß niemand. Grigat ist übrigens Lehrbeauftragter an der Uni Wien.

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Okay, wen interessiert das eigentlich? Offensichtlich niemanden, aber Grigat ist leider kein ideologischer Einzelkämpfer, sondern der geistige Führer einer akademischen Kampfbewegung: der Antideutschen. Ich werde hier nur am Rande auf die abstrusen Positionen dieser Leute eingehen—das haben andere schon ausführlich getan. Nur so viel: Das sind überwiegend bürgerliche Akademiker, die sich als links bezeichnen, aber George Bush-Fans sind und—ich schwöre es euch—da fängt die Sache erst an.

Weiter im Text, bevor ich mich in den Widersprüchen der antideutschen Ideologie verliere: Nach meinen Recherchen über Kirschs und Ayroms Verstrickungen machte ich die progress-Redaktion auf ihren „Irrtum“ aufmerksam und bot einen weiterführenden Artikel mit Bezug zum iranischen Exil-Aktivismus an. Ich war auch ein bisschen investigativ unterwegs und hatte herausgefunden, dass Ayroms Iranisches Frauennetzwerk nur aus zwei Personen besteht (Maryam Farzom, Integrationssprecherin der SPÖ im 10. Bezirk, macht das „Netzwerk“ komplett). Deren Aktivismus für die Menschen- und Frauenrechte im Iran besteht wohl ausschließlich darin, auf Stop the Bomb-Veranstaltungen vor den iranischen Schläfern zu warnen, die einen globalen Jihad vorbereiten.

Was ich erst später herausfand: Claudia Aurednik, die meinen Text redigierte, hat selber mit Kirsch zu tun und profiliert sich in den antideutschen Kreisen. Nach wochenlangem Redigierens kam die nicht sehr überraschende Absage:

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„Ich habe auch sicherheitshalber mit einem Juristen, der sich mit dem Medienrecht gut auskennt, gesprochen. Der meinte, dass Stephan Grigat bei der Veröffentlichung des Textes eine Klage wegen öffentlicher Beleidigung und Verleumdung einbringen könnte. Und das möchten wir natürlich nicht. […] Du könntest aber auch gerne deinen Artikel nochmals umschreiben und Stephan Grigat und seine Organisation komplett rausnehmen.“

Die wirklich ernstgemeinte Frage an meine Kollegin: Wie ist eine solche E-Mail anders zu verstehen, als ein bloßer Einschüchterungsversuch? Ich hatte mich sogar noch einverstanden erklärt, die kritischen Aussagen gemeinsam zu besprechen, doch keine Antwort mehr erhalten.

Foto: Österreichische Hochschülerschaft | flickr | CC BY-SA 2.0

Tatsächlich traf die Zensur später auch David Kirsch. Ein Interview von ihm wurde zurückgezogen, indem zwei critical whities behaupten, dass „die Araber“ es einfach nicht mehr akzeptieren konnten, dass „die Juden“ nicht mehr ihre Hunde wären. Zensur find ich auch scheiße, wenn es einmal nicht mich trifft. Vor allem aber war der folgende Shitstorm absolut absehbar und eine Vorlage, mit der sich die antideutsche Fraktion nun selbst als zensiertes Opfer darstellen konnte.

Doch ohnehin sprang die frischernannte ÖH-Vorsitzende von der GRAS, Viktoria Spielmann, David Kirsch bei und versicherte ihm öffentlich: „Keine Sorge, wir klären dieses Missverständnis schon intern. Ich bin auf jeden Fall dran!“. Das „Missverständnis“ wurde geklärt und das Interview ging wieder online, während alternierende Beiträge, die antideutschen Dogmen zuwiderlaufen, nach wie vor keine Chance haben, in der progress veröffentlicht zu werden. Ich würde es für eine große Geste halten, wenn Spielmann sich grundsätzlich für eine Öffnung der Uni-Medien stark machen würde und nicht nur für Interviews, die David Kirsch mit Gleichgesinnten führt.

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Und wo ist jetzt der Rassismus, mit dem ich euch Anfang geködert habe? Ein Beispiel: David Kirsch fragt sich öffentlich, wie kann man nur Schiit sein. Das ist natürlich eine rhetorische Frage in der antideutschen Welt, aber ich gebe trotzdem eine Antwort: Man wird als einer geboren. Wie Hunderttausende Hazara in Afghanistan, die auf Grundlage ihrer Religion durch die Taliban verfolgt werden. Es ist einfach dumm, Schiit zu sein, mein Kirsch wohl, der auch Flüchtlingsaktivist sein will—ich finde es zumindest dumm, sich für Flüchtlinge einsetzen zu wollen und gleichzeitig die menschenverachtende Flüchtlingspolitik Netanjahus unterstützen zu müssen, die sich nicht nur gegen Palästinenser, sondern auch gegen afrikanische Flüchtlinge richtet.

Mein soziologisches Verständnis geht nicht von der freien Wahl der eigenen Religion aus und dafür sprechen auch die territoriale Grundordnung von Religionszugehörigkeit und die Fortschreibung von religiösen, nationalen und ethnischen Identitäten. Es gehört ebenso Glück dazu, an einem bestimmten Ort auf dieser Erde, in einer bestimmten historischen Konstellation, ein Denken entwickeln zu können, das sich von Religion und Ideologie emanzipieren kann. Und die Brandmarkung bestimmter ethnisch-religiöser Attribute ist für mich bloßer Rassismus und niemals „Islamkritik“.

Erschreckend ist, wie uneingeschränkt die GRAS diesen islamophoben Kurs unterstützt, was sich auch in einer antideutschen Themeneinfalt in den Medien der Uni Wien niederschlägt. Sowohl in der progress, als auch in der unique, wurde das Thema Islamophobie kaum aufgegriffen, während Antisemitismus praktisch in jeder Ausgabe behandelt wird. Dies lässt sich auch direkt mit Stephan Grigats Gedanken in Einklang bringen, der die „Gleichsetzung“ dieser beiden Rassismen kritisiert. Ich bin der gegenteiligen Meinung. Wem die antisemitischen Vorfälle auf pro-palästinensischen Demonstrationen, oder der anti-arabische Rassismus in Israel wirklich Sorgen machen (und diese nicht nur für seine Zwecke politisieren will), der würde erst Recht den Sinn darin erkennen, diese Rassismen gemeinsam zu behandeln.

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Foto eines ISIS-Fans auf Facebook, via VICE Media

Auch mein darauffolgendes, kritisch geführtes Interview mit einem jüdisch-israelischen BDS-Aktivisten werdet ihr nicht in der progress lesen können, während die GRAS eine Veranstaltung mitorganisierte, indem die BDS-Kampagne als „Lösung der Judenfrage“ polemisiert wurde. Es mehren sich die (jüdischen) Stimmen, die eben in dieser Art von vereinfachter Darstellung, einen Beitrag sehen, der dem Antisemitismus fahrlässig Vorschub leistet. Diese intolerante Positionierung der GRAS scheint immer noch kein Thema beim grünen Nachwuchs zu sein und hat sich wohl auch noch nicht auf das Wahlverhalten der Studierenden ausgewirkt, die die antideutsche Basisgruppe (BaGru PoWi) ja eigentlich aus der ÖH gewählt haben. Es geht also nicht nur um inhaltliche Meinungsverschiedenheiten, sondern auch um Demokratie, medialen Pluralismus, journalistische Ethik (und Qualität), sowie die Sichtbarmachung der antideutschen Strukturen in der ÖH.

Es mag sein, dass wir in Österreich größere Probleme haben als das (aber wie ihr wisst, ist genau das auch das dümmste Todschlagargument gegen alles. Aber ich bin auch dabei, wenn es mit den Antideutschen und ihrer grasgrünen Schirmfrauschaft gegen Rassismus und Homophobie geht—das ist nun mal Pflicht. Aber dass diese Leute die Deutungshoheit über Rassismus in unserer Uni gewonnen haben geht mir zu weit. Es macht natürlich auch die Entscheidung noch schwieriger, wen man als Antirassist in Österreich eigentlich noch wählen kann, wenn Spielmann die Zukunft der Partei bedeutet.

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Meine letzte gute Tat für Wien wird eine Petition gegen diese Scheiße sein, die ich aber erst Anfang des Semesters publik machen werde. Bei Interesse könnt ihr mir eine E-Mail an zensur.oeh@gmail.com schicken. Von den Antideutschen würde ich mir wünschen, dass ihr diesen Artikel shitstormt, wenn es inhaltliche Anmerkungen gibt. Ich werde mich nicht mehr persönlich mit euch auseinandersetzen, sorry. Peace!

Lisa Zeller von der ÖH sieht den Sachverhalt natürlich ein wenig anders. Einige Tage nach der Veröffentlichung hatten wir folgendes Statement im Mail-Eingang:

Gegendarstellung zu den Behauptungen über die progress-Redaktion

Die Entscheidung, den Artikel nicht zu veröffentlichen, war eine redaktionelle und nicht eine individuelle, wie hier impliziert wird. Auch ich habe mich damals gegen die Veröffentlichung geäußert und mit Claudia Aurednik entschieden, den Artikel nicht zu veröffentlichen. Grund war nicht, dass uns die Ideologie nicht passte, wie hier behauptet wird. Der Hauptgrund war, dass mit Pierre Ro ein Artikel über „Soziale Bewegungen im Iran und von Exilioppositonellen“ ausgemacht wurde: Sein von uns angenommener Vorschlag: „Ich würde mich eher auf die Konflikte innerhalb der iranischen Exilopposition im Kontext der Menschenrechte konzentrieren, aber auch Zitate bekannter MenschenrechtsaktivistInnen zitieren. In vielerlei Hinsicht ist das ein Spiegel der Strömungen im Iran PLUS den Strömungen die per se nicht wirksam im Iran arbeiten können. Der historische Abriss ist auch ganz interessant, weil er erklärt, wann und wo Ziele durch ziv.ges. Aktivismus erreicht werden konnten.“ Wir haben von Pierre Ro, der selbst nicht unter seinem bürgerlichen Namen veröffentlicht, jedoch nach mehrmaligem Redigieren einen Text erhalten, der eine persönliche Abrechnung und Schimpftirade gegenüber einzelnen Personen dargestellt hat und der medienrechtlich fragwürdig war. Aufgrund der persönlichen Übergriffe und Bloßstellungen haben wir ihm angeboten, zu einer unserer Redaktionssitzungen zu kommen. Im Herbst hätte er dazu die Möglichkeit gehabt. Sein Text entsprach jedenfalls nicht den qualitativen Ansprüchen der Redaktion.

Lisa Zeller von progress online