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Betreten auf eigene Gefahr

Die WU Wien zerfällt langsam in ihre Einzelteile. Nach den Betonklötzen der Fassade gehen jetzt auch die Lampen zu Boden.
Titelbild von Benjamin Fievet

Es gibt sicher gute Gründe, warum sich jemand dafür entscheidet, auf der Wiener Wirtschaftsuni studieren zu wollen. Es gibt auch etliche Gründe, warum man sich dagegen entscheiden sollte, aber immerhin musste man bisher nicht Faktoren wie eigene Sicherheit, mögliche Überlebenschancen und Verletzungsgefahr mit einrechnen. Ich selbst habe bis auf die letzten zwei Semester gefühlte 120 Jahre im alten WU-Gebäude in Alsergrund studiert und konnte sorgenfrei durch die Gänge spazieren, ohne Angst haben zu müssen, dass ich von einem Betonblock erschlagen werde. Zugegeben, die Gänge waren hässlich und dreckig, genauso wie der gesamte Rest des Gebäudes. Es hatte Löcher, gekappte Kabel kamen wahllos aus den Wänden, alles war brüchig. Im Unterschied zum Neubau hatte die Verwahrlosung aber ihre Berechtigung und war auch einer der vielen Gründe, warum ich mich auf die neue, moderne WU gefreut hatte.

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Mittlerweile steht der WU Neubau seit Herbst 2013 und das große Mutterschiff, in dem auch die Bibliothek untergebracht ist, hat gestern Mittag zum dritten Mal beschlossen, sich wieder mal von einem seiner Teile zu verabschieden. Diesmal war es eine meterlange Lampenkonstruktion, die den lernenden Studenten lautstark ihre Existenz bewies und mitten in der Bib von der Decke fiel. Obwohl sich bereits zwei riesige Betonplatten—einmal im Juli 2014, das zweite Mal im Jänner 2015—von der Außenfassade lösten und auf den Platz davor krachten, muss man die allmähliche Zerstörung der WU nicht als selbstverständlich hinnehmen. Eigentlich sollten wir uns um so mehr wundern und die Mitarbeitern der zuständigen Baufirma mal fragen, wie stark betrunken sie auf einer Skala von 1 bis 10 während des Baus waren.

Mit freundlicher Genehmigung von Bao Nhat-Hoa Huynh

Die erste Zeit im Neubau war um ehrlich zu sein ziemlich cool. Die neue Umgebung, die Tischtennistische, die Smartboards, die Restaurants und Cafés haben das zähe Studienende klein wenig erträglicher gemacht. Als WU'ler ist man schnell zufrieden zu stellen. Solange, bis dann der erste Betonblock vom Himmel fiel, genau vor den Haupteingang, wo normalerweise etliche Studenten ein- und ausgehen, ihre Rauchpausen machen, wo im Winter der Glühweinstand und im Sommer der Cocktailstand steht. Dass bislang niemandem etwas passiert ist, ist wohl reines Glück. Vielleicht war der Großbrand beim Bau 2012 schon die erste Warnung davor, dass alles eher früher als später in die Brüche gehen wird, oder vielleicht hätte dort Sam Neill eben nicht so wild herumturnen sollen, um alles zu ruinieren.

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Der erste Betonklotz-Vorfall ist mir zugegebenermaßen immer irgendwo im Hinterkopf geblieben. Ich hatte zwar keine ängstlichen Schweißausbrüche, aber ich hatte und habe auch keine große Lust auf eine Begegnung mit so einem 75 kg Betonteil. Es ist nicht zu viel verlangt, wenn man sich sorgenfrei am WU-Campus bewegen möchte, ohne sich paranoid umsehen zu müssen, ob nicht aus irgendeiner Richtung Gegenstände auf einen zukommen. Der Architektin des Hauptgebäudes war das Konzept der Schwerkraft hoffentlich bewusst.

Die Antwort einer Freundin, 25. Februar 2015, selbsterklärend

Ich bin Gott sei Dank schon seit einem Jahr von diesem Ort weg und muss mich daher nicht mehr fürchten. Unentschlossenen wird zumindest die Entscheidung einfacher gemacht, ob sie ein Studium auf der WU beginnen wollen. Schwere Knock-Out-Prüfungen, Polohemden tragende Jocks und ein auseinanderfallendes Gebäude. Wer weiß, vielleicht gibt es ja bald eine große Abrissparty.

Folgt Philipp auf Twitter: @Phimiki


Titelbild von Benjamin Fievet