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Wirre Welt

Das ist der schießwütige Reichsbürger aus Bayern

Das Facebook-Profil des Mannes, der heute morgen zwei SEK-Beamte niedergeschossen hat, ist mehr als unheimlich.

Das Facebook-Coverfoto von Wolfgang P., 49 Jahre alt.

Der Mann, der sich heute morgen mit einer kugelsicheren Weste hinter seiner Wohnungstür verschanzt und das Feuer auf die SEK-Beamten auf der anderen Seite eröffnet hat, mag Pizza, Xavier Naidoo und Kampfsport. Kampfsport sogar ganz besonders: Wolfgang P., so heißt der Mann aus dem mittelfränkischen Georgensgmünd, scheint die Facebook-Seite von fast jedem Wing-Tsun-Studio in Deutschland geliked zu haben.

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Selbstverteidigung ist P. sehr wichtig—aber nicht nur mit den Händen: Er ist auch ein Fan der Facebook-Seite "Waffenbesitz zum Schutz für unbescholtene Bürger", die nicht nur Stimmung für laxere Waffengesetze, sondern auch gezielt gegen Einwanderung macht. Dabei hat P. die Waffengesetze selbst ausgereizt, so gut es ging: Laut des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann (CSU) hatte der Jagdscheinträger P. rund 30 legale Waffen in seine Waffenbesitzkarte eingetragen, darunter auch historische, scharfe Lang- und Kurzwaffen.

Als er sich weigerte, seinen Bestand vom Landratsamt kontrollieren zu lassen, entzogen die Behörden ihm die Waffenbesitzkarte und forderten ihn auf, die Waffen einzureichen. P. ignorierte den Bescheid. Stattdessen bereitete er sich auf die unausweichliche Konfrontation vor. Bei der Pressekonferenz der Polizei und des bayerischen Innenministers vermutete der leitende Beamte, P. habe wohl mit einer Waffe und der schusssicheren Weste neben sich geschlafen. Als das SEK ihn am Mittwoch um sechs Uhr morgens mit dem Ruf "Polizei, aufmachen!" weckte, ging er leise in Stellung. Kurz nachdem die Polizisten ins Haus eindrangen, begann P. durch eine geschlossene Tür aus dem ersten Stock herunter auf die Polizisten zu schießen. Ein 32-jähriger Beamter wurde lebensgefährlich verletzt. Einem weiteren Polizisten durchschoss P. den Oberarm, zwei Polizisten wurden durch Glassplitter verletzt.

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P. betrachtet den Staat—und damit auch die Polizei—als seinen Feind. Unter den Likes des 49-Jährigen finden sich auch einige Hinweise auf sein Misstrauen gegenüber der Demokratie: Ihm gefallen Verschwörungs-Seiten wie die des Moderators KenFM, "Gemeinsam gegen die neue Weltordnung" oder die Querfront-Initiative Mahnwachen für den Frieden. Und er war ein Fan der amerikanischen Anti-Polizeigewalt-Seite "Police the Police"—auch wenn auf dieser Seite niemand dazu aufruft, Polizisten kaltblütig zu ermorden, wie er das offenbar selbst versuchte.

Aber erst, wenn man sich ansieht, welche Inhalte P. auf seiner Seite selbst verbreitet, wird das ganze Ausmaß der Parallelwelt sichtbar, in der sich der Reichsbürger bewegte. Noch gestern Nachmittag teilte er einen "Weckruf an die Bevölkerung" der Gruppe "FINANZ-Diktatur nein Danke". In dem aufwendig produzierten Video werden die Zuschauer aufgerufen, das schändliche NATO-Komplott gegen Russland zu vereiteln.

Screenshot: Facebook

Als nächstes folgt ein Post des falschen "Dr. Leonard Coldwell", der vor fantasievoller Pseudo-Juristerei nur so strotzt und der irgendwie darauf hinauswill, dass man demnächst durch EU-"Gewohnheitsrecht" enteignet werde, wenn man sich nicht schleunigst die "richtige" Staatsangehörigkeit ("z.B. Königreich Bayern oder Sachsen usw.") holt. Dabei ist aber wichtig, dass man sich vor Gericht nie hinsetzt, da in der BRD "nur See- und Handelsrecht" gelte. "Der Richter ist Kapitän des Schiffes, was Sie nicht betreten sollten. Bleiben Sie bei Gericht auf dem Land, wo die Zeugen sitzen und setzen sich niemals hin." Nur dann klappt das auch mit dem "auf 12 Uhr gedrehten Siegel" des Reichskatasteramts in Krakau (ja, wirklich). Das ist offenbar alles ernst gemeint.

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Direkt danach findet sich ein Post, der sich mit dem Reichsbürger Adrian Ursache solidarisiert. Ursache sitzt in Haft, seitdem er im August einen Polizisten angeschossen hatte, als sein Haus zwangsgeräumt werden sollte. "Adrian wurde von Unrechtstätern angegriffen", schreibt der Autor. "Weil er die Wahrheit sprach und dann nicht auf ein schnelles Pferd gesprungen ist." Mit den "Unrechtstätern" sind die Polizisten gemeint, die ein Reichsbürger natürlich nicht anerkennt und die Ursache selbst als "irgendwelche Verbrecher mit der Wortmarke Polizei" beschimpft hatte.

Das meiste von dem, was Wolfgang P. auf seiner Facebook-Seite so rege verbreitet, ist so hanebüchener Unsinn, das man fast nicht anders kann, als ihn ein bisschen zu bedauern. Allerdings kommen zwischendurch auch solche Posts:

Und dann erinnert man sich, dass P. schon der zweite Reichsbürger innerhalb von drei Monaten ist, der das Feuer auf die Polizei eröffnet hat. Da zeigt sich das gefährliche dieser, an eine Psychose grenzenden Ideologie: Hier ist jemand, der 30 Waffen bei sich im Haus bunkert und offenbar wirklich davon überzeugt ist, dass der deutsche Staat nur Teil einer allmächtigen internationalen Finanzmafia ist, die es auf ihn persönlich abgesehen hat. Wolfgang P. hat sich offenbar so weit in diesen Wahn gesteigert, bis ihm sein feiger Mordversuch wie ein legitimer Akt des Widerstands vorkam.

Und P. ist nicht alleine: Kurz nach seiner Tat postet jemand auf einer Reichsbürger-Facebookseite mit mehreren tausend Fans folgenden Kommentar:

Laut Innenminister Herrmann beobachtet der bayerische Verfassungsschutz die Reichsbürger intensiv. Vielleicht wird es langsam Zeit, über das terroristische Potenzial dieser gut vernetzten Szene zu reden.