Der Flohmarkt am Naschmarkt ist der wienerischste Ort Wiens

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Der Flohmarkt am Naschmarkt ist der wienerischste Ort Wiens

"Zum Beispiel verkaufen Männer hier Eckerl-Käse von Clever um wenige Cent, gebrauchte Labellos – den Logos nach zu urteilen aus den 90ern."

Jeden Samstag findet am Naschmarkt der traditionelle Flohmarkt statt, bei Schönwetter sollen sich dort angeblich an einem Samstag sogar bis zu 15.000 Menschen einfinden, um Ramsch zu kaufen. Liest man sich Bewertungen auf Tripadvisor zu diesem regelmäßigen Feilsch-Event durch, ist von "offensichtlichem Diebesgut" und "unbrauchbarem Krimskrams" die Rede. Die Touristen, die den Flohmarkt besucht haben, scheinen ihn also nicht sonderlich lieb gewonnen zu haben – und zugegebenermaßen kann man es ihnen auch kaum übel nehmen.

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Als ich das erste Mal selbst auf dem berühmten Flohmarkt am Naschmarkt war, habe ich ihn gehasst. Das liegt ziemlich wahrscheinlich daran, dass meine Standard-Vorstellung eines Flohmarktes irgendwas mit Vintage-Mode und Kleiderkreisel zu tun hat und etwas weniger mit Nazi-Reliquien, gefakten iPhone-Ladekabeln und miefigen Pelzmänteln (in denen mit etwas Glück Nazi-Reliquien oder gefakten iPhone-Ladekabeln eingesteckt sind).

Aber ich war jung und dumm und genau wie bei Justin Bieber brauchte ich mehrere Anläufe, bis ich den Flohmarkt am Naschmarkt zu schätzen wusste. Ich habe mich damit abgefunden, dass ich dort eher selten (bisher ganze zwei Mal) Levi's-Jeans um 2 Euro finden werde, dafür aber allen möglichen anderen weirden Scheiß.

Zum Beispiel verkaufen Männer hier Eckerl-Käse von Clever um wenige Cent, gebrauchte Labellos (den Logos nach zu urteilen aus den 90ern) oder verschiedenste Schwulenpornos auf VHS (vermutlich noch ein Jahrzehnt älter). Es gibt Skulpturen von Menschen, die gerade Sex haben, einzelne Schuhe und Wasserhähne; alte Bilder, Vasen, dreckige Kuscheltiere, alten Schmuck. Also alles, von dem ihr noch nicht wusstet, dass ihr es schon immer wolltet.

Mindestens so verschieden wie die Sachen, die man am Naschmarkt-Flohmarkt kaufen kann, sind auch die Verkäufer selbst. Manche reisen mit professionellen Ständen an, andere breiten lediglich eine Decke am Boden aus, auf der sie ihren Krimskrams ausschütten und die Preise, die für die Sachen verlangt werden, haben nur recht wenig mit der echten Welt zu tun.

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Wenn du Glück hast, kann es vorkommen, dass dir die übergewichtige Frau im nachgemachten Miley-Cyrus-Shirt ein altes Buch für 50 Cent verkauft und dir auch noch einen schönen Tag wünscht. An manchen Tagen wünscht dir der einbeinige Verkäufer von gegenüber aber einen ziemlich schlechten Tag, weil du gerade versucht hast, den Preis für das gerahmte Familienfoto einer fremden Familie von 25 auf 2 Euro runter zu handeln.

Alles in allem ist der Flohmarkt am Naschmarkt wahrscheinlich einer der wienerischsten Orte Wiens: Menschen beschimpfen sich, weil sie im Gedränge angerempelt wurden, es wird über den Preis eines zerbrochenen Spiegels gestritten – und dennoch (oder gerade deswegen) ist der Besuch dort für ziemlich viele Menschen eine ihrer wichtigsten Samstagstraditionen geworden.

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