Ein Flüchtling zeigt, wofür er seine Sozialhilfe ausgibt

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Monatsbudget

Ein Flüchtling zeigt, wofür er seine Sozialhilfe ausgibt

Onur erhält monatlich umgerechnet etwa 400 Euro von der Sozialhilfe und lebt in Zürich – der drittteuersten Stadt der Welt.

Alle Fotos vom Autor In unserer Serie "Monatsbudget" zeigen Menschen aus den verschiedensten Schichten und Lebensrealitäten der Schweiz, wofür sie ihr monatliches Einkommen ausgeben. Weil Asylbewerber in der Schweiz nicht arbeiten dürfen, sind sie auf Sozialhilfe angewiesen. Das Bundesamt für Statistik (BFS) veröffentlichte am Dienstag die Sozialhilfestatistik aus dem Flüchtlingsbereich. Berücksichtigt wurden darin Flüchtlinge mit Asyl (Ausweis B) sowie vorläufig aufgenommene Flüchtlinge (Ausweis F). Wie das BFS mitteilt, bezogen im Jahr 2015 20.130 Flüchtlinge Sozialhilfe. Das sind 80.8 Prozent aller Personen im Flüchtlingsbereich. Die Quote ist rückläufig, 2012 lag sie noch bei 86 Prozent.

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Wir sprachen mit Onur, der seinen richtigen Namen aus Angst vor Repressionen hier lieber nicht lesen möchte. Onur ist ein 24-jähriger Asylbewerber aus Teriq, Syrien, lebt seit einem Jahr und fünf Monaten in Bülach bei Zürich und lernt an der Autonomen Schule Zürich Deutsch. Wir wollten von ihm wissen, wie viel Sozialhilfe er in Zürich erhält und wofür er sie ausgibt:

VICE: Wie gross ist dein Monatsbudget?
Onur: Ich bekomme jeden Monat 477 Franken vom Sozialamt ausbezahlt.

Hast du daneben noch weitere Einkünfte?
Nein, ich darf nicht arbeiten. Es ist mir leider verboten, ich weiss auch nicht wieso. Sonst würde ich sehr gerne arbeiten.

Was sind deine monatlichen Fixkosten?
Der mit Abstand grösste Posten ist das Verkehrsabo für 134 Franken. Dann bezahle ich noch jeden Monat 20 Franken für mein Handy-Abo.

Was ist mit Miete und Krankenkasse?
Die übernimmt das Sozialamt. Ausser den Zahnarzt, den müsste ich selber bezahlen.

Wofür gibst du sonst noch regelmässig Geld aus?
Diesen Monat musste ich mir neue Unterrichtsmaterialien für den B2-Deutschkurs kaufen. Die Kosten dafür beliefen sich auf 55 Franken. Zum Coiffeur gehe ich nicht mehr, aber dafür gab ich früher noch 20 Franken aus.

Das heisst, dir bleiben diesen Monat 268 Franken für Kleider und Essen?
Ja, voll wenig, oder? Und das in einem der teuersten Länder der Welt! Zudem muss ich mir wegen der Jahreszeiten andauernd noch neue Kleidung kaufen. Die Kleider, die ich mir im Sommer gekauft hatte, sind jetzt zu kalt.

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Wo kaufst du deine Kleider?
Im C&A, dort sind sie am günstigsten.

Leistest du dir ab und zu auch etwas?
Ja, im Sommer hatte ich mir Reebok-Sneakers für 110 Franken gekauft. Dafür musste ich sechs Monate lang sparen.

Wofür sparst du momentan?
Ich würde gerne das Display des Smartphones reparieren, das mir mein Bruder geschenkt hat. Die Reparatur kostet jedoch 200 Franken, ich weiss nicht, ob sich das überhaupt lohnt.

Für Schweizer Verhältnisse hast du ein sehr kleines Budget. Was stört dich daran am meisten?
Ich finde es schade, dass ich mir nicht leisten kann, mit Freunden was trinken zu gehen. Dadurch fehlt mir der soziale Anschluss. Ich bemühe mich sehr, Kontakte mit Schweizern zu knüpfen. Soziale Aktivitäten laufen hier oft im Café ab, weswegen ich mich manchmal etwas ausgeschlossen fühle. Sie bieten mir zwar immer an, mich einzuladen, aber das tut mir weh. Ich möchte sie auch gerne einladen, oder zumindest meine eigenen Kosten tragen können.

Was machst du, wenn du Ende Monat kein Geld mehr hast?
(lacht) So wie jetzt? Ich habe gestern von einem Freund Geld geliehen. Ich weiss, das ist keine nachhaltige Lösung, aber was soll man machen?

Wie viel Geld wäre deiner Meinung nach angebracht?
700 Franken würden mir schon reichen. Aber 477 sind in Zürich echt zu wenig.

Was sind deine Zukunftspläne?
Ich möchte eine Arbeitserlaubnis erhalten und als Dolmetscher arbeiten. Deswegen lerne ich momentan intensiv Deutsch.

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