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Popkultur

Fragen, die ,50 Shades of Grey’ aufwirft

Am Samstag startet der heiß ersehnte Streifen in den Kinos. Wir hätten da noch ein paar Fragen.
Screenshot via YouTube

Ihr werdet es nicht glauben, aber wir haben bereits mehr als nur diesen Artikel zum Thema Fifty Shades of Grey geschrieben. Hier könnt ihr euch die volle Dosis holen.

Als ich das erste Buch der Shades of Grey-Reihe vor ein paar Jahren im Ibiza-Urlaub gelesen habe, dachte ich mir, die perfekte Urlaubs-Lektüre gefunden zu haben—perfekt für den Kater vom Vortag und den Sonnenstich, der mir jeden Moment bevor stand. Als ich das zweite Buch gelesen habe, habe ich bei der Hälfte aufgegeben, als ich zum gefühlten tausendsten Mal „He thrust his cock into me and I moaned" gelesen habe. Das dritte habe ich niemals angerührt. Dass die seichte Lektüre kein Meisterwerk ist, sondern nur dazu dienen soll, einsame Frauen (und verkaterte Mädchen am Strand) ein bisschen horny zu machen, wundert mittlerweile wohl auch niemanden mehr.

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Der Film zum ersten Buch entspricht aber nicht einmal diesen ohnehin schon extra tief angesetzten Ansprüchen—er ist langweiliger, maximal unrealistischer und nicht einmal annähernd sexy Bullshit. Wozu die Verfilmung eines Sex-Romanes, wenn der erste Kuss erst nach Minute 48 passiert? Liebe Filmemacher, warum denkt ihr, sind unzählige Karten für die Premiere des Filmes seit Ewigkeiten reserviert? Weil wir heiße Körper, maskierte Gesichter und Schauspieler, die ihre abgeklebten Geschlechtsteile aneinander reiben, sehen wollen. Und nicht, um die nervtötende Geschichte zweier völlig verkorkster Personen voller Komplexe zu sehen. Nach dem Film gingen mir viele Fragen über den Sinn des Lebens und vor allem den Schwachsinn dieser Geschichte durch den Kopf, die mir zwei Stunden meines Lebens geraubt hat.

Achtung, dieser Artikel enthält Spoiler!

Wie wird man in gefühlt einem Tag vom Mauerblümchen zur Sexgöttin?

Zu Beginn des Filmes ist Anastasia Steele das plakative Mauerblümchen mit der zugeknöpften Bluse und dem scheuen Blick. Als sie das Büro von Christian Grey, seines Zeichens Sexgott und verwegener Unternehmer, zum ersten Mal betritt, fällt sie nach allen Regeln der Kunst natürlich erstmal hin. Nachdem Grey sie einmal (natürlich sehr wild) küsst, verwandelt sich die verklemmte Jungfrau Ana zur selbstbewussten Göttin, die zumindest so tut, als wisse sie, was sie wolle und Mister Grey sogar ein bisschen zappeln lässt. Woher dieser Sinneswandel? Hat Grey ihr Rückgrat wachgeküsst? Oder ist sie geschickter, als wir denken, und das Mauerblümchen-Ding war nur gespielt? Wahrscheinlich ist beides nicht der Fall und es handelt sich einfach um eine sehr schlechte Buch-Vorlage, die im echten Leben so niemals passieren wird. Falls sich Anastasia aber wirklich in kürzester Zeit von der grauen Maus in einen halbwegs selbstbewussten Vamp verwandelt hat, hat sie unser aller Respekt verdient.

Ist Christian Grey ein Stalker?

Definitive Antwort: Ja. Die beiden Turteltauben haben sich erst einmal gesehen, als Grey sie an ihrem Arbeitsplatz aufsucht. Als sie an einem Abend mit ihren Freunden feiern geht und sich betrinkt, taucht er plötzlich in der Bar auf und zerrt sie zu sich nach Hause. Und nachdem sich die beiden gefühlte zehn Sekunden kennen, flüstert er ihr dramatisch ins Ohr, dass er sie nicht in Ruhe lassen kann, aber nicht gut für sie ist. OK, wir haben es verstanden, Christian. Du hältst dich selbst für unglaublich gefährlich, aber kannst deine Finger einfach nicht von dieser unberührten Blume lassen. Bitte hör trotzdem auf, wie ein unheimlicher Stalker plötzlich überall aufzutauchen und ihr dann auch noch einzureden, dass du sie nur retten wolltest, weil zu viel Alkohol nicht gut für ihren Körper ist. Denn schließlich muss sie in Zukunft in Form und allezeit bereit für ein paar Schläge und deinen Penis sein.

Was soll die Entjungferungs-Szene?

Als Christian erfährt, dass Ana noch Jungfrau ist, will er sie natürlich sofort entjungfern. Er trägt sie mit seinen (durch das ständige Auspeitschen von Frauen) gestählten Armen in sein Kingsize-Bett (in dem er natürlich immer nur alleine schläft, weil er keine Nähe erträgt), küsst sie etwa zehn Sekunden lang und bumst sie dann sofort ohne Vorwarnung. Und sie findet das Ganze natürlich total geil. Wenn eure Entjungferung genau so abgelaufen ist, und ich Ana Unrecht tue, meldet euch bitte bei mir. Aber welches Mädchen, das keinerlei sexuelle Erfahrung hat, würde ihren ersten Sex so ertragen, ohne vor Schmerzen zumindest ein bisschen zusammenzuzucken, anstatt sich vor übersteigerter Lust auf dem Bett zu winden? Hollywood, ich habe Neuigkeiten für dich: Entjungfert zu werden kann ganz schön weh tun und ist erst recht dann nicht angenehm, wenn man ohne Vorwarnung und/oder Vorspiel gevögelt wird. Ana sieht das anders und fühlt sich sichtlich wohl dabei, sich von Grey ihre unberührte Muschi sprengen zu lassen.

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Wie stellt sich Anastasia eine gesunde Beziehung vor?

Nachdem Ana ihre Entjungferung überlebt hat, eröffnet ihr Christian, dass sie eine Verschwiegenheitserklärung und einen ausführlichen Vertrag unterzeichnen muss, in dem genauestens geregelt ist, was er, der Dominant, mit ihr, der Submissive, machen darf, und wo die Grenzen sind (Anal Fisting lässt sie sofort aus dem Vertrag streichen). Ana unterzeichnet die Verschwiegenheitserklärung, ohne mit der Wimper zu zucken. Findet sie es normal, professionell aufgesetzte Dokumente zu unterschreiben, die ihr zukünftiges Sexleben regeln? Ana bekommt ein eigenes Zimmer in Christians Luxus-Apartment und zum Uni-Abschluss schenkt er ihr ein Auto, das sie nach dem üblichen „Das kann ich doch nicht annehmen, hihi!" natürlich annimmt. An diesem Punkt des Filmes stellt sich mir ernsthaft die Frage, ob Ana es in Ordnung findet, von einem Mann gekauft zu werden, der sie ab der ersten Sekunde wie sein Eigentum behandelt hat und sie vertraglich dazu verpflichtet, sich von ihm jederzeit ficken zu lassen und keinen Alkohol mehr zu trinken.

Warum lässt sie sich auf dieses Spiel ein, obwohl sie verliebt ist?

Natürlich verliebt sich die kleine Ana in den großen, bösen, grauen Wolf. Auch, nachdem er ihr gesagt hat, dass er nicht der Typ für das „Girlfriend-Thing" ist, will sie ihn immer wieder dazu bewegen, sich wie ein normaler Mensch mit Gefühlen zu verhalten. Wahrscheinlich macht sie den Fehler, den alle verzweifelten Tussis in Filmen machen: Sie denkt, sie kann ihn ändern. Aber hey Ana, du wirst es nicht schaffen. Nur weil er im Vertrag eine zusätzliche Klausel für dich eingefügt hat, die regelt, dass ihr einmal pro Woche auf ein „normales Date" geht, ist er noch immer kein anderer Mann, der dich liebt und dich neben ihm schlafen lässt. Er ist ein kontrollsüchtiger Freak, der dich offensichtlich ziemlich fertig macht, weil du sehr oft weinst. Mittlerweile glaube ich, dass du mindestens genauso masochistisch bist, wie Christian sadistisch.

Warum geht sie nicht einfach nach Hause?

Nachdem Ana das erste Mal den Popo mit einem Gürtel versohlt bekommt, weint sie und geht in ihr Zimmer. Als Christian zu ihr kommt, schickt sie ihn weg. Sie bleibt die Nacht und geht erst nächsten Morgen nach Hause, obwohl sie sichtlich geknickt ist und eigentlich nicht hier sein will. Warum gehst du nicht einfach nach Hause, Mädchen? Dein gestörter Stecher hat eine ganze Garage voller Autos, einen Chauffeur und einen Helikopter, du hast also genug Wege. Aber zu diesem Zeitpunkt hat sie ihre ohnehin nicht sehr große Selbstachtung wohl schon gänzlich aufgegeben.

Ist das wirklich schon SM?

Mir ist klar, dass in einem Hollywood-Film, der ab 16 Jahren freigegeben ist, keine allzu expliziten Szenen zu sehen sein werden. Trotzdem verfehlt der Film hier eindeutig das Thema. Meine einzige Hoffnung in den Film war es, dass er mich ein bisschen horny macht, doch auch diese letzte Freude blieb mir verweigert. Ehrlich gesagt war ich schon über die paar Nippel und Brüste ziemlich froh. Aber was in diesem Film als SM dargestellt wird, ist der weichgespülteste Scheiß und nur ein Zeichen dafür, wie prüde wir sind. Wenn wir einen festen Klaps auf den Hintern und das Festhalten der Hände über dem Kopf während dem Sex schon als sexuelle Ausschweifung sehen, ist unsere Gesellschaft ärmer dran, als ich dachte. Durch 50 Shades of Grey wird in unserer Gesellschaft keinesfalls mehr Akzeptanz für SM geschaffen. Im Gegenteil: SM wird stigmatisiert und als etwas abgestempelt, das kontrollsüchtige, komplexbeladene und gebrochene Menschen als Ventil nutzen. Verena auf Twitter: @verenabgnr