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Einen Abend auf dem Konzert von Andreas Gabalier

Der Volks-Rock'n'Roller scheint unter anderem genau jene anzusprechen, die bei Gelegenheit gerne behaupten, das Volk zu sein.

Gabalier hat seine eigenen Becher in die Stadthalle gebracht. Und wir eine kleine Flasche Schnaps.

Andreas Gabalier ist wohl einer jener „großen Söhne" Österreichs, die er gerne in seiner Version der Hymne besingt. Zumindest ist er es dann, wenn man diese Größe nach der Anzahl verkaufter Platten misst. Vielleicht sogar dann, wenn groß bedeutet, dass er eine volle Stadthalle mehr als nur begeistern kann.

Und am aller ehesten dann, wenn man sich fragt: Welcher Musiker schafft es, das meiste eigene Merchandise während eines Konzerts zu tragen? Auch der größte Verteidiger der Töchter in der Hymne muss neidlos zugeben, dass die Antwort nur Andreas Gabalier sein kann.

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Was tut man also auf einem Gabalier-Konzert als Nicht-Gabalier-Fan? Man sieht sich die Menschen an, man versucht, auszurechnen, wie viele rote Karos insgesamt in der Stadthalle gerade auf Hemden, Sonnenbrillen, Schals, Schlüsselanhängern, Dirndln und Unterhosen herumtanzen und man spricht mit denen, die Hemden, Sonnenbrillen und Unterhosen ihres Stars tragen.

Zwei Dinge habe ich auf Andreas Gabaliers Konzert gelernt. Erstens: Ich habe einen minimalen Hang zur Selbstkasteiung. Zweitens: Menschen zeigen sich mir gegenüber gerne auch einmal von ihrer allerschlechtesten Seite.

Der Anfang des Konzerts war gut. Wirklich. Der Volks-Rock'n'Roller schafft es, dass man tanzen und singen will und im nächsten Lied schafft er es, dass man nur noch weinen möchte. Er macht Witze, die bei seinem Publikum ausgezeichnet ankommen,—darüber, ob man verliebt oder verheiratet ist zum Beispiel. Lautes Gelächter. Er kann, was er tut und während des Konzerts habe ich mich mehrmals gefragt, womit Andreas Gabalier sein Geld verdienen würde, wenn er nicht singen könnte. Vielleicht wäre er in die Politik gegangen oder er würde genau das tun, was er jetzt tut, nur mit mehr Autotune.

Aber ja, der Anfang des Konzerts war gut. Jeder kann mitschunkeln, auch ich, die von Gabalier nur „I sing a Liad fia di" kennt. Das Lied singt er zu Beginn und irgendwann gegen Ende und macht dabei kreisende Bewegungen, die wohl sexy sein sollen. Ein wenig erinnert Gabalier dabei an Marco Wanda, der Luzia auf den Konzerten auch gerne zweimal singt und dabei Bewegungen macht, die zwar sexy aussehen sollen, aber bei mir eher Schaudern auslösen.

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Man steht also zwischen vielen glücklichen Menschen in Karos und denkt sich: Hier ist's ja eh ganz nett. Jeder hat seinen Spaß. So schlimm ist das ja nicht. Zwischendrin sammelt Gabalier BHs von Frauen ein und schenkt ihnen dafür gratis Tickets für zukünftige Shows.

Die BHs hängt er an seinen Mikrofonständer, der aus Holz, rot-weißen Tüchern und Geweihen gebastelt ist. Ein bisschen so wie Korns HR Giger-Mikro, nur mit mehr Volkstümelei. Das Mädchen im Dirndl neben mir sagt zu ihrem Freund: „Das ist jetzt aber nicht sein Ernst." Ist es. Auch an der Decke hängen Dutzende BHs, die hier vor der Show als Deko (?) hingehängt wurden.

Irgendwann wird es dann politisch. Der Applaus, der ausbricht, als Gabalier über Meinungsverbote und die alte Hymne spricht, ist ohrenbetäubend. Die ganze Halle pfeift, klatscht, ruft und trampelt. Wie es scheint, gibt es hier niemanden, der nicht seiner Meinung ist. Die Medien würden ihn oft als den bösen, bösen Andreas Gabalier darstellen, aber zum Glück habe er seine Fans und ihre unbeschreibliche Unterstützung.

Die Hallen seien schneller ausverkauft als früher und das zeige ihm, dass er da was richtig machen würde. Es geht hier nicht um seine Musik. Es geht um die Hymne. Es geht darum, dass er mal Heinz-Christian Strache, mal Xavier Naidoo verteidigt oder Facebook vorwirft, ihn zu zensieren. Es gibt halt viele „Weichgewaschene" in Österreich, aber er als Steirerbua hat eben eine eigene Meinung und deswegen singt er die Hymne auch so „wie sie sich gehört".

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Der Volks-Rock'n'Roller scheint unter anderem genau jene anzusprechen, die bei Gelegenheit gerne behaupten, das Volk zu sein (egal, wie klein ihre Zahl auch ist). Spricht man mit Menschen hier über Dinge wie die Hymne oder Gleichberechtigung, stößt man schnell an die Grenzen ihrer Geduld. Und ich kann wirklich lange diskutieren—auch mit Menschen, deren Meinung ich absolut nicht teile. Hier ein Beispiel einer Unterhaltung, die ich so, nachdem es passiert ist, gleich abgetippt habe:

Betrunkener Mann: „Töchter in die Hymne … Wir haben wichtigere Probleme!"
Ich: „Vielleicht, ja. Aber man kann auch mehrere Dinge gleichzeitig behandeln."
Betrunkener Mann: „Aber wir sollten nicht Zeit in so an Schas stecken."
Ich: „Dann tu es doch nicht. Dann lass die Töchter doch einfach in der Hymne stehen und akzeptier es. Die Energie verschwendet ihr, die ihr gegen die Töchter in der Hymne ankämpft."
Betrunkener Mann: „Weil wir nicht wollen, dass sie da reinkommen!"
Ich: „Aber sie stehen doch schon seit Jahren drin!"
Betrunkener Mann: „Was? So ein Blödsinn. Echt? Da ist was an mir vorbeigegangen."

Sein Freund, der ein T-Shirt trägt, auf dem „Heimat bist du großer Söhne" steht, lacht. Er weiß zwar, dass die Töchter schon in der Hymne stehen, deswegen glaubt es mir sein Freund auch irgendwann, aber toll findet er das trotzdem nicht: „Dann müsste man die Leiberl ja irgendwann viel länger drucken. Mit den Söhnen schaut das doch super aus, die Töchter noch dran, dann geht mir das Leiberl ja irgendwann bis zu den Knien."

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Im nächsten Satz und anderen Unterhaltungen werden mir Dinge erklärt wie: „Nur Frauen ohne Selbstwertgefühl wollen in der Hymne stehen", „Frauen sind doch eh in der Hymne: Von wo kommen denn die Söhne, ha?", „2015 sollte man über sowas nicht diskutieren. Die Frauen sind wie die Männer, da müssens doch nicht extra in die Hymne", „Aber das muss ich schon sagen: Frauen sind eh gleich viel Wert wie Männer" oder „ich bin sicher nicht sexistisch. Weißt du, wer bei uns daheim die Küche eingerichtet hat? Nicht meine Frau. Ich war das. Ich hab gesagt, wie die Küche aussehen soll."

Sehr viel Bier hilft dabei, diese Dinge nicht allzu ernst zu nehmen, obwohl sie es eigentlich sind. Dass Frauen noch immer weniger am Lohnzettel stehen haben, liegt unter anderem an Einstellungen wie dieser—und der Tatsache, dass sie nicht von wenigen vertreten wird. Und Andreas Gabalier, einer der Großmeister des „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen" trägt dazu bei, dass es etwas ist, auf das man stolz sein kann, wenn man diese Meinung teilt.

Den Medien nicht zu glauben, Dinge zu sagen, die politisch inkorrekt sind—das ist etwas, auf das man derzeit stolz ist. Weil es zeigt, dass man kritisch ist, nachdenkt, sich nichts einreden lässt. Nicht von der Politik, nicht vom „Rotfunk" und auch von sonst niemandem (außer vielleicht von seinen Vorbildern in der Stadthalle und auf Facebook). Nachdem Gabalier also betont, wie böse ihn die Medien manchmal darstellen und man sich seine Meinung nicht verbieten lassen darf, singt er sein sehr theatralisches Lied „A Meinung haben". Damit ihr euch das Lied nicht anhören müsst, hier ein paar Ausschnitte:

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„Wos is des bloß, wo kummt des her, neue Zeit, neues Land, wo führt des hin? Wie kann des sein, dass a poar Leut, glauben zu wissen, wos a Land so wü. Is des der Sinn ana Demokratie? Dass ana wos sogt und die andern san tü. A Meinung ham, dahinter stehn, den Weg vom Anfang zu Ende gehen. Wenn sei muaß ganz allan."

Das mit der eigenen Meinung denken übrigens auch die anderen, mit denen ich an diesem Abend spreche. Der junge Herr am Foto zum Beispiel. Das Eiserne Kreuz? Das habe er sich aus privaten Gründen stechen lassen. Es nerve ihn, dass er da immer wieder drauf angesprochen würde. Nach einem Unfall habe er sich das tätowieren lassen. Wieso er einen Hitlergruß andeutet? Nur ein Spaß. Nach dem Foto deutet er noch mit zwei Fingern einen Hitlerbart an. Warum er das tut, wenn er sich doch so heftig von rechtem Gedankengut distanziert? Nur als Scherz. Und weil ihm das wegen dem Tattoo halt so oft vorgeworfen würde.

Am Ende habe ich neben viel Bier auch viele Fragen im Kopf. Zum Beispiel, ob die Dinge, die Andreas Gabalier auf der Bühne mit seinem Volks-Rock'n'Roll halb im Spaß und halb im Ernst sagt, einfach nur den Leuten aus der Seele sprechen oder nicht doch auch dazu beitragen, dass diese Einstellungen legitimiert werden. Vielleicht hole gar nicht ich das Schlechteste aus den Menschen heraus, sondern die Stars und öffentlichen Figuren, die Sätze sagen wie: „Es gibt viele Weichgewaschene in diesem Land".

Versteht mich nicht falsch: Jeder Mensch soll seine eigene Meinung vertreten und von unserer Demokratie Gebrauch machen. Zeigt meinetwegen gerne durch politische Inkorrektheit, wie frei ihr seid. Ihr habt ja recht: Lasst euch nicht vorschreiben, was ihr sagen dürft und was nicht. Aber lebt dann auch mit den Konsequenzen. Lebt damit, dass andere euch weiterhin Kontra dafür bieten werden, weil auch das zum größeren Konzept von Meinungsfreiheit gehört. Lebt damit, dass ihr mit dem Beharren auf die reine Söhne-Hymne auch dafür steht, dass Frauen weiterhin nicht vollständig gleichberechtigt sein werden. Auch, wenn ihr daheim bestimmt habt, wie die Küche aussieht.

Hanna auf Twitter: @HHumorlos