Goldener Leberkäse, gekackter Honig und dichtende Aliens: Wiener Künstler im Porträt

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Goldener Leberkäse, gekackter Honig und dichtende Aliens: Wiener Künstler im Porträt

Für manche kommt Kunst bekanntlich immer noch von Können. Diese Künstler können Honig kacken, Leberkäse vergolden und Außerirdische channeln.

Für manche kommt Kunst bekanntlich immer noch von Können. Meistens ist damit etwas anderes gemeint als das Talent, im Rahmen einer Ausstellung Honig zu kacken oder die Gedichte von außerirdischen Freunden zu channeln, aber ja, auch das ist Kunst in ihrer Reinform. Und vor allem ist es Kunst, wie sie auch in Wien passiert – obwohl man Derartiges vielleicht eher in Berlin oder Übersee vermuten würde. 

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Um diesen neuen Strömungen und ihren Vertretern ein halbwegs würdiges Porträt zu widmen, hat Ema Kaiser-Brandstätter von der Parallel Vienna für uns eine völlig subjektive Auswahl an Lieblingskünstlern und -künstlerinnen getroffen und gemeinsam mit der Fotografin Dina Lucia Weiss diese Strecke kuratiert.

MARTIN GRANDITS

Ein Besuch beim Meister ist immer ein bisschen besonders. Ohne ihn geht in der Wiener Kunstszene, die er gerne bei sich in seinem Atelier in 1010 Wien versammelt, eher wenig. Als ich ankomme, schläft er noch; die Zeugnisse des Vorabends sind evident. Zwischen dem ganzen Alk und sonstigen Genussmitteln liegen auch seine Kunstwerke verstreut: Die vergoldete Leberkäse-Semmel zum Beispiel, die als Sinnbild des Proto-Österreichers zeigt, dass er alles in Kunst verwandeln kann, ohne dabei seine Ansprüche zu enttäuschen. Ironie, Sarkasmus und Kritik am politischen Systemen spielen dabei fast immer eine genauso wichtige Rolle wie sein Trieb, sich quer über alle Medien von Malerei und Skulptur bis Graffiti auszutoben.

Als ich ihn auf seinen Erfolg anspreche wird Martin grantig. Er sagt, dass er nie wieder Interviews geben will. Angeben ist nicht so seins. Dass er in Top-Sammlungen von Wien bis L.A vertreten ist und als lebende Legende gehandelt wird, ist ihm eher unangenehm. Martin, Brudi – wenn du nicht willst, dass andere über dich schreiben, ist es höchste Zeit für eine Autobiografie.

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ANGELIKA LODERER

Montags in der Secession. Für Besucher ist geschlossen, aber ich habe einen Zettel unterschrieben, der uns erlaubt, in die Kuppel hochzuklettern und dort Fotos von Angelika Loderer zu machen. Wörter wie "Lebensgefahr", "baufällig", und "nicht für die Öffentlichkeit bestimmt" fallen.

Angelika hat gerade eine Soloausstellung im grafischen Kabinett in der Secession und während ich auf sie warte, drifte ich ein bisschen in ihre Kunstwerke ab. Ihre bevorzugten Materialien sind Wachs, Gips und Guss-Sand, ihre Themen heißen Fragilität und Vergänglichkeit – und das Ganze verbindet sie mit ziemlich monumentalen und gewaltigen Arbeiten. Inzwischen zählt sie zu den bedeutendsten Bildhauerinnen der Stadt und darüber hinaus.

Für unser Shooting hat sie ziemlich viel ziemlich schweres Fotoequipment dabei und klettert die zwei Ebenen unters Dach über die wackeligen Leitern hinauf wie ein Bergpuma. In dem Moment wird mir auch irgendwie klar, wie sie es geschafft hat, sich in einem von Männern dominierten Beruf durchzusetzen. Im Gespräch erzählt mir die Künstlerin aus dem steirischen Feldbach, wie früher in der Kunstgießerei die Wände noch mit den Porno-Kalendern ihrer Kollegen gepflastert waren.

RADE PETRASEVIC

Von außen ist das Alte Zollamt im 3. Bezirk eine riesige Baustelle. Ein Geheimweg führt zu dem einzigen Besetzer, der hier noch ein Atelier im Untergrund hat. Darin malt der 34-jährige Wiener mit Balkanwurzeln seine sogenannten "Pattern-Recognition-Bilder" mit Ölfarben. Wer einmal einen solchen Rade gesehen hat, erkennt ihn fix wieder. Die Bilder hängen genauso in privaten Kunstsammlungen wie in Clubs von Wien bis London. Zu den Werken hat Rade vor allem ein Statement parat. Es lautet: „Es ist eh wurscht" und könnte genauso gut ein Kommentar auf die Prätention der Szene, das Klischee des eigenen Künstlerdaseins oder die Bilder selbst sein.

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PHILIP MUELLER

Die Begrüßung um 11 Uhr Vormittag erfolgt genau so, wie sich das für Philip Mueller gehört: mit edlem Champagner, aber aus billigen Pappbechern. Zeit, um die Gläser vom Vorabend zu spülen, hatte Philip nicht. Der Verdacht liegt nahe, dass die Party im Atelier oberhalb einer Autowerkstätte im 15. Bezirk erst 10 Minuten vor unserem Treffen ein abruptes Ende gefunden hat. Der Generationswiener ist mit seinen 28 Jahren einer der wichtigsten figurativen Maler seiner Generation – insofern hat er also Anlass genug, um sein Leben zu feiern.

Schon mit 18 hatte er einen Vertrag mit einer ausländischen Galerie; und das akademische Umfeld der Angewandten war für ihn die Hölle auf Erden, oder wie er dazu sagt: "Ein völliges Abstumpfen der Leidenschaft und des Talents." Alles was er kann, hat er sich autodidaktisch erarbeitet. Er ist Gründungsmitglied und kreativer Direktor der Wiener Achse (gemeinsam mit Aram Haus) – einem Förderverein für junge Talente – und ich spreche ihn nicht nur deswegen gerne mit Malerfürst an. Auch sein Kleidungsstil passt zu dieser Beschreibung: romantisch, fast nostalgisch, mit einem Hauch von europäischem Untergang und russischer Dekadenz, die er beide täglich zelebriert.

MARIANNE STÅLHÖS

Nach den Besuchen in den anderen versifften Ateliers, hat die Werkstätte der jungen Künstlerin im Vergleich fast schon ein unwirkliches Ambiente. Alles ist strukturiert, lichtdurchflutet, clean und durch die Luft weht ein süßlicher Duft nach Früchtetee. Marianne bezeichnet sich selbst als "Swexikanerin, einer Mischung aus Schwedin und Mexikanerin" und liebt Pommes mit Mayo.

Mit ihr über ihre Kunst zu sprechen, ist nicht ganz einfach, aber genau das macht die schüchterne, kopflastige Performance- und Installations-Künstlerin auch so sympathisch. Wenn man sich die Zeit nimmt, erfährt man aber einiges über die Rolle, die gesellschaftspolitische Themen wie Gendergleichstellung und Patriarchat-Propaganda für sie spielen, seit Marianne vor 4 Jahren nach Wien kam, weil sie eine Veränderung nötig hatte, wie sie sagt. Wir hoffen, dass sie uns vorerst erhalten bleibt.

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MILAN MLADENOVIC

Ich treffe Milan nicht in seinem Atelier wohnt er noch bei seiner Pornodarsteller Mami, sondern gleich im Peng! Shop wo eine seiner überwältigenden Installationen permanent zu sehen ist. Ich erkenn ihn nicht gleich, hat er sich seine Matte extra für uns abrasiert.

Sein großes Yugoherz ist aber am gleichen Fleck geblieben. Wir trinken einen Cafe vorerst, die Milanklaue schließt sich und ich werde in ein Gespräch über Wissenschaft und Atomphysik, seinen Spezialgebiet, verwickelt. Eine Zeitdimension später, es ist mittlerweile Nachmittag, deadlines und so, schaffe ich es endlich ihn nach seinem nächsten Kunstprojekt zu befragen. Er offenbart sich: „Ich werde ein Kabel komplett verschlucken, es hinten anstecken und eine Glühbirne im Mund leuchten lassen."

PARASTU

Anstatt eines beschreibenden Textes hat Parastu darauf bestanden, in diesem Artikel mit einem Gedicht von Manfraid, ihrem außerirdischen Freund, vertreten zu sein, für den sie es dechiffriert hat.

parastu is 11324 years old

maybe

she is not from here or there

where she is from there is no where

or there

and it does not matter because there is no matter for that matter

parastu and her friends dont dance

theyre connected but dont hold hands

connected not through space or time

connected far beyond this rhyme

born not with or without eachother

not born or dead but with eachother

united forever to discover

unravel uncover

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in an unimagined receiver

lies what you are seeking for

that door

we are here

come

find your own answers

my friendly earthling dancers

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