Ich habe mit Trump-Zitaten getindert
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Ich habe mit Trump-Zitaten getindert

Und ich entschuldige mich hiermit für alles.

Donald Trump und die Frauen—eines der größten Rätsel unserer Gegenwart. Auf der einen Seite hat es noch nie einen amerikanischen Präsidentschaftskandidaten gegeben, der kein großes Ding aus seinem Machismo gemacht hat wie "the Donald". Es ist schon fast ironisch, dass Hillary Clinton als erste weibliche Nominierte der Geschichte ausgerechnet gegen etwas antreten muss, das mehr wie die Karikatur eines tumben Alpha-Männchens wirkt, als ein echter Mensch.

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Spätestens seit der Veröffentlichung von Aufnahmen, in denen Trump mit Benehmen prahlt, dass in jedem halbwegs zivilisierten Land als sexuelle Belästigung gelten würde, mussten sogar führende Republikaner zugeben, dass ihr Mann ein Problem mit Frauen hat. Andererseits war das nicht wirklich überraschend. Allein seit dem Beginn seiner Kampagne hat Trump genug dämliche Kommentare über Frauen für fünf Buzzfeed-Listen vom Stapel gelassen. Wenn man dann noch schaut, was er in der Vergangenheit über und zu Frauen gesagt hat, wird es noch viel unangenehmer. Frauen beleidigte er als "fett", "hässlich", "ekelhaft" oder "Bimbo". Es ist also kein Wunder, dass Trump bei weiblichen Wählern nicht gut ankommt: Wenn am 8. November nur Frauen wählen würden, würde Clinton die Wahl mit einem nie dagewesenen Erdrutschsieg gewinnen.

Andererseits: Trump behauptet selbst, er hätte wahnsinnig viel Erfolg bei Frauen. Und wenn man den Blick vom öffentlichen ins Privatleben richtet, ergibt sich tatsächlich ein etwas anderes Bild. In der Militär-Akademie, in die ihn sein Vater mit 13 Jahren schickte, bekam er zum Abschied den Spitznamen "Ladies' Man". Wenn man ihm Glauben schenkt, hat ihn dieses Glück mit den Ladys den Rest seines Lebens verfolgt—so sehr, dass er sich teilweise von dem Andrang belästigt fühlte. "Wenn hier wahre Geschichten über meine Erfahrungen mit Frauen stehen würden, oft mit scheinbar glücklich verheirateten und wichtigen Frauen", schrieb Trump in seinem BuchThe Art of the Comeback, "dann wäre dieses Buch garantiert ein Bestseller."

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Kann es also sein, dass Trump im Privaten eine völlig andere Wirkung auf Frauen hat als in der Öffentlichkeit? Und wenn ja: Hängt das vielleicht direkt mit der Eigenschaft zusammen, die wir bei seinen Auftritten so wahnsinnig unangenehm finden: seinem monumentalen, unaufhaltsamen Selbstbewusstsein? Vielleicht funktioniert die Art Prahlerei, die Trump gewissermaßen zu seinem Markenzeichen gemacht hat, beim Flirten deutlich besser. Was man auch nicht vergessen darf: Der Mann sah ja nicht immer aus wie ein orange lackierter Hybrid aus einem Menschen und einem Komodo-Waran.

Aber auch der bestaussehendste Mann braucht Charme. Ich dachte zumindest immer, wer sich permanent benimmt wie Dieter Bohlen mit Tourette, kann keinen Erfolg bei Frauen haben. Andererseits, was weiß ich schon über Frauen? Vielleicht stehen sie wirklich ja auf Dieter Bohlen mit Tourette, wenn er in einem Cadillac vorfährt?

Es gab nur eine Möglichkeit, das herauszufinden: Tinder. In der relativen Geborgenheit des Chatfensters können beide Seiten weiter gehen, als sie es sich bei einer echten Begegnung trauen würden.

Ich legte mir eine ausgedehnte Sammlung von Trump-Zitaten an: das Eigenartigste, Unverschämteste und Anzüglichste, was dieser eigenartige, unverschämte und anzügliche Mann über die Jahre von sich gegeben hat. Damit (und dem Profilbild eines gut aussehenden Kollegen) bewaffnet (die Frauen sollten ja schließlich nach rechts wischen), stürzte ich mich in die Dating-Welt. Würde Trumps brachialer Charme bei jungen Berlinerinnen im Jahr 2016 genauso ankommen wie im New York der Siebziger?

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Die Eröffnung

Das war nicht ganz einfach. Ich konnte ja nicht einfach mit "Hi, du bist fett und hässlich" ins Haus fallen. Also ließ ich es erstmal langsam angehen und fragte ein paar meiner Matches, ob ihnen meine Haare gefielen, denn seine Haare sind eines von Trumps absoluten Lieblingsthemen.

Keine Begeisterungsstürme, aber zwei haben darauf immerhin geantwortet. Das ging mir nicht mit allen so. Trump-Opener, die überhaupt nicht gefunkt haben:

— Wow, wenn ich dich so sehe wünschte ich, es gäbe Anti-Viagra!

— Sag mal, hast du ein Problem mit reichen Männern?

— Hi! Kannst du Geige spielen? (Hier hätte ich dann sowohl auf "Ja" als auch auf "Nein" mit "Es ist doch total egal, ob ein Mädchen begnadet Geige spielen kann. Man will nur wissen, wie sie aussieht" geantwortet, aber dazu kam es leider nie.)

Hi! Kann ich dich Miss Piggy nennen?

— Hi! In der zweiten Klasse habe ich mal einem Lehrer ein blaues Auge verpasst. (Die Dame hat mich sofort geblockt.)

Das Kennenlernen

Trotz vieler Rückschläge und einiger herber Sofort-Blocks (dass wir die Mauer wieder aufbauen und die Ossis dafür bezahlen lassen sollten, wird man doch wohl noch sagen dürfen?) hatte ich schon am ersten Tag mehrere Chats am Laufen. Ganz wohl fühlte ich mich nicht dabei, diese Frauen derart zu verarschen. Andererseits gab es keine bessere Möglichkeit, um herauszufinden, wie echte Frauen auf Trumps eigenartige Mischung aus totaler Faktenferne und unverwüstlichem Glauben an die eigene Genialität reagieren würden. Also los.

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Nicht schlecht, Kerstin, nicht schlecht. Aber ein Trump lässt sich davon nicht beirren.

Kerstin war nicht nur belastbar, sondern fand die Angeberei offenbar auch lustig. Nur mit Trump-Zitaten hatte ich es geschafft, das Gespräch in eine anzügliche Richtung zu lenken und auch noch eine gehörige Portion Frauenverachtung unterzubringen (basierend auf Trumps Kommentaren über die Moderatorin Rosie O'Donnell). Gleichzeitig musste ich aber noch vier oder fünf andere Chats am Laufen halten. Ich hätte nie gedacht, dass Tinder so stressig sein kann.

Manchmal kackte ich aber auch in der zweiten Runde ab. Obwohl ich folgendes Zitat extra für diese Frau mit israelischem Namen ausgesucht hatte, meldete sie sich nie wieder zurück.

Nachdem ich eine ganze Reihe von Matches mit meinem eigenartig aufgeblähten Ego beeindruckt hatte, musste ich auch mal austesten, wie Trumps Sexismus in Deutschland aufgefasst würde. Als Opfer hatte ich mir eine Frau ausgesucht, die laut ihrer Beschreibung in einem Startup arbeitet.

Ich fühlte mich sehr niedrig, als ich das schrieb. Aber zu meiner großen Überraschung gab sie mir völlig recht!

Sehr viele Fragen schossen mir durch den Kopf. Nicht nur, dass sie nicht beleidigt war, sie gab mir sogar recht! Fühlte sie sich etwa wirklich geschmeichelt? Oder war sie einfach brutal ehrlich und gestand mir gerade, dass sie mit dem HR-Typen ihrer Firma geschlafen hatte? Ich war verstört, also legte ich nach:

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Tja, das war dann auch für Hannah zu viel, sie blockte mich. Ob es an der Prahlerei oder der dämlichen Aussage über Frauen lag, weiß ich nicht. Ich hatte zwar ein schlechtes Gewissen, aber immerhin war mein Glaube an das weibliche Selbstwertgefühl wiederhergestellt. Und in der Zwischenzeit ließ ich in meinen anderen Unterhaltungen einen eingebildeten Proleten raushängen—und merkte, dass das manche Frauen überhaupt nicht störte, im Gegenteil:

Manchmal waren die Unterhaltungen auch ziemlich lustig. Aber dann tauchte Anna auf, und es wurde plötzlich ernst.

Hilfe, sie wollen mich!

Insgesamt hatte ich schon mit Dutzenden Frauen Kontakt aufgenommen, war bei vielen abgeblitzt, hatte aber auch einige gefunden, die meine grenzenlose Angeberei zumindest irgendwie unterhaltsam fanden. Ich musste anfangen, auszusortieren, indem ich Trumps Beleidigungen auspackte.

Bäm, damit war Saskia raus, sie antwortete mir nicht mehr. Plötzlich erschien aber ein neues Problem auf der Bildfläche, und das hieß Anna. Mit Anna hatte es relativ harmlos angefangen (wir sprachen über Strip-Golf, meinen Reichtum und Viagra). Es ging aber schnell in eine eindeutige Richtung. Und es dauerte nicht lange, bis sie mich offen herausforderte!

Ich war platt. Die wollte nicht mehr chatten, die wollte zur Sache kommen. Immerhin hatte ich endlich eine Vorlage, um meinen 1.000-Dollar-Spruch auszupacken: Ring frei für die Pussy!

Anna schluckte das, als sei sie Pacman, und verlor dabei nie das Ziel aus den Augen. Verzweifelt schoss ich noch Trumps Weisheiten über Analsex und das Standgebläse hinterher, aber diese Frau ließ sich von nichts beirren!

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Eine Kollegin, der ich mein Leid klagte, lachte mich nur aus. "Was hast du denn gedacht?", sagte sie. "Der Standard-Typ auf Tinder ist ein perverser Arsch. Diese Mädchen kriegen jeden Tag tausendmal widerlichere Scheiße geschrieben." In ihrer Stimme schwang mehr als nur ein bisschen Verbitterung mit. Zur Bekräftigung zeigte sie mir auf Tinder einen Typen, dessen Profil nur aus einem Bild von drei Fingern und den Worten "Die einzige Frage ist doch: Zwei Finger oder drei?" bestand. Ich begann zu verstehen: Neben solchen Männer musste The Donald wie ein Südstaaten-Gentleman aus bester Kinderstube wirken. Eigentlich traurig.

"Sometimes by losing a battle you find a new way to win the war." — Donald Trump

Auch Christiane, die meinen Prahlereien sonst geduldig gelauscht hatte, ging irgendwann die Geduld aus. Sie wollte den superreichen Vollidioten jetzt endlich kennenlernen!

Langsam kam ich in Bedrängnis. Ich hatte nie angenommen, dass irgendjemand diesen Müll so lange aushalten und sich dann tatsächlich auch noch mit mir treffen wollen würde! Wie sollte ich damit umgehen?

Natürlich hatte ich immer noch eine sichere Option in der Hinterhand: die richtig miesen Dinger, die Killer-Beleidigungen, von denen Trump mehr als genug in die Mikrofone der Welt gerufen hat. Aber nachdem ich mit diesen Frauen über mehrere Tage hin- und hergeschrieben hatte, brachte ich es einfach nicht übers Herz, sie als "fette Schweine", "Hundegesichter", "Miss Putzfrau" oder "fett, hässlich und widerlich" zu beschimpfen. Nicht mal zu einem schlappen "Du bist keine 10 mehr, weil man ohne Titten keine 10 sein kann" konnte ich mich durchringen.

Ich musste aufgeben. Gegen Annas entfesselte Libido kam ich nicht an, genauso wenig wie gegen Christianes sehr verständlichen Wunsch, einmal in Berlin einen 30-Jährigen mit einem eigenen Auto kennenzulernen, auch wenn er redet wie BWL-Justus.

Aber was hatte ich dabei gelernt? Zum ersten, dass es sehr viel Spaß machen kann, sich vor wildfremden Menschen danebenzubenehmen (vor allem, wenn man sich hinter einem Smartphone verstecken kann). Und zum zweiten, dass es durchaus Mädchen gibt, die bereit sind, eine massive Dosis an Großkotzigkeit und Macho-Sprüchen zu tolerieren—auch wenn ich natürlich nicht weiß, wie ernst sie mich wirklich genommen haben. Möglicherweise war es ja sogar die Großkotzigkeit, die manchen Frauen imponierte? Vielleicht dachten sie, dass ja irgendwas dahinter stecken muss, wenn einer so von sich selbst überzeugt ist.

Allerdings: Nur weil manche Frauen mit dummen Macho-Sprüchen zurechtkommen, heißt das noch lange nicht, dass es OK ist, was Trump so von sich gibt. Also, America, swipe left!