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Es ist nicht einfach als Frau im Journalismus

Weshalb fragt meine Kollegen nie jemand während eines Interviews, ob sie Single sind, One-Night-Stands oder Intimpiercings haben?
Illustration von Jonas Herbst

Ich habe lange überlegt, ob ich diesen Artikel schreiben soll. Erstens, weil ich niemanden vor den Kopf stoßen möchte und zweitens, weil ich mir ziemliche Sorgen darüber gemacht habe, dass er falsch verstanden werden könnte. Dass ich aber solche Angst hatte, ihn zu schreiben, hat mich schlussendlich dann nur darin bestätigt, es doch zu tun.

In meinem Job hat man ​viel mit Menschen zu tun. Mit freien Autoren, Interviewpartnern, Menschen, die einem bei der Recherche helfen. Einige davon findet man sympathisch, man bewundert vielleicht ihre Arbeit oder versteht sich einfach nur sehr gut und vielleicht will man auch in Zukunft noch öfter mit ihnen zusammenarbeiten. Ich habe noch nie den Anspruch gestellt, als seriöse Journalistin wahrgenommen zu werden. Weder von anderen Journalisten, noch von denen, die meine Artikel lesen. Das ist, wenn man bei VICE arbeitet, generell schon einmal nicht sehr einfach, weil viele Menschen davon ausgehen, dass man auf Drogen Texte redigiert und während dem Jour Fixe Orgien feiert.

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Ich habe es schon ein wenig satt, diesen Menschen zu erklären, dass wir eben auch eine ernsthafte Redaktion sind, in der es stressig zugeht und in der hart gearbeitet wird—auch wenn wir tendenziell jünger sind und uns nicht nur durch die Gespräche beim Mittagessen von anderen Medien unterscheiden. Aber langsam habe ich diese Vorurteile irgendwie akzeptiert und somit auch, dass ich mich nicht hinter einem Schild an Professionalität oder einem Arbeitgeber, dessen Name die Menschen so etwas glauben lässt, verstecken kann, wenn es um meine Arbeit geht. Und in diesem Zusammenhang sind mir im letzten Jahr, in dem ich als Redakteurin arbeite, einige Dinge aufgefallen. Zum Beispiel die Häufigkeit, mit der solche Nachrichten kommen:

Ich habe vor ungefähr einem Monat dein Autorenprofil bei VICE als Tab in meinem Browser geöffnet, ist immer noch offen. … Willst du mit mir ein Eis essen gehen? Ich lade dich auch nicht ein. Und klar, kannst auch nach 5 Minuten gehen; ohne Rummachen.

​Oft wollen Leute, denen ein bestimmter Text gefallen hat oder die ich einmal interviewt habe, beziehungsweise die einen Text für unsere Seite geschrieben haben, sich mit mir treffen, einfach weil sie einmal quatschen wollen. Das ist ja generell nichts Außergewöhnliches in diesem Berufsfeld. Die Männer in der Redaktion werden das auch des Öfteren gefragt. Der Unterschied ist, dass die Anfragen bei mir ausnahmslos von Männern kommen und dann mit so etwas wie „Ich hab dich vor einem Monat auf Tinder gesehen, wir sollten mal bei einem Bier über die Arbeit reden" oder „Hast du eigentlich einen Freund?" beginnen.

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Das ist natürlich nicht schlimm. Trotzdem weiß ich, dass ich mit diesen Leuten auch in Zukunft zusammenarbeiten oder sie noch einmal treffen werde. Und ich möchte auch niemanden vor den Kopf stoßen, dem ein Artikel von mir gefallen hat. Dreimal in der Woche Ausreden erfinden zu müssen, weshalb man zwar auf Tinder war, aber nicht Biertrinken gehen möchte, ist trotzdem anstrengend. Und vor allem auch notwendig, weil du genau weißt, dass, wenn du auf dieses Bier gehst, der Abend fast nur unangenehm enden kann.

Manchmal kommen da von ehemals Interviewten SMS wie „Ist VICE nicht so eine Art ,literarischer Swingerclub'?" oder „Bist du eigentlich Anhängerin der VICE-One-Night-Stand-Freieliebe-Mentalität …?". Nicht wenige fragen während einem Interview nach meiner Nummer, was ich nach dem Interview noch mache, wo ich sonst noch überall Piercings habe (ich habe eines in der Nase), oder sagen, sie geben mir nur dann ein Interview, wenn ich ihnen meine Nummer gebe oder auf ein Date mit ihnen gehe.

Ich bin immer dafür, dass man sich etwas traut, dass man Menschen sagt, wenn sie einem gefallen, aber das ist es ja nicht, was mich beschäftigt. Nur weil jemand in einem Artikel gelesen hat, dass ich Single bin, heißt das nicht, dass ich mich über etliche Nachrichten freue, in denen mir Männer schreiben, dass ich nicht Single sein müsste, wenn ich mich doch nur mit ihnen treffen würde. Wenn meine Kollegen Interviews führen, werden sie auch nicht mittendrin gefragt, ob sie das Gespräch an einen anderen Ort verlegen möchten. Natürlich kommt auch manchmal völlig konstruktives Lob und über nichts freue ich mich mehr, aber zu einem großen Teil kommt aber eben so etwas wie „Du hast jetzt einen Fan! Habe gerade deinen neuen Artikel gelesen. Schade das du in Wien wohnst, ich hätte dich gerne kennengelernt." oder:

Pretty much liked your article ,Warum das Leben Mitte 20 manchmal schrecklich ist'. … Tinder nutz ich (leider?) nicht. Also klassisch: Was hältst du von Kaffee?


​Keiner von denen, die das schreiben, denkt daran, dass mich das irgendwie verletzen könnte. Natürlich nicht, irgendwo sind es ja auch einfach nur Komplimente und manchmal freue ich mich auch darüber. Und ganz rational kann ich es auch nicht anders erklären, als damit, dass ich meine Arbeit damit herabgewürdigt finde. Natürlich freue ich mich auch, wenn jemand glaubt, ich könnte ihm gefallen, aber jede Mail, Facebook- oder Twitter-Nachricht, in der ein Text von mir als Vorwand genommen wird, um mich anzugraben, kränkt mich etwas. Jeder freie Autor, der in einem stinknormalen Mailverkehr auf die Idee kommt, es vielleicht doch einmal zu versuchen, und jeder Interviewte, der sich nach dem Interview nicht nach dem Erscheinungsdatum erkundigt, sondern fragt, ob ich ihn auf eine Veranstaltung begleiten möchte, tut dasselbe.

Ich möchte nicht grundlos jammern. Ich wünsche mir nur, irgendwann einmal für die Arbeit, die ich mache, geschätzt zu werden und nicht dafür, dass manche glauben, mit mir Sex haben zu können. Und genau das wünsche ich mir auch für alle anderen Frauen in allen anderen Berufen.

Hanna ist auch auf Twitter: ​@hhumorlos