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Was Trumps Präsidentschaft verändern könnte

Nur Amerika zählt und den Klimawandel gibt es nicht—was uns mit Trump an Politik bevorsteht.

Erst der Schock, dann die Frage: Was passiert jetzt? | Foto: imago | Levine-Roberts

Die erste Fassungslosigkeit ist vorbei. Daran gewöhnt haben wir uns trotzdem nicht. Zu lange haben wir uns amüsiert über Trumps bizarre Frisur, haben über die Witze über den "ersten orangefarbenen Präsident" gelacht und haben uns empört, dass ein Mann mit "Grab her by the pussy"-Mentalität gegenüber Frauen tatsächlich Präsident von Amerika werden wollte. Und jetzt haben wir den Salat. Ein Präsident, der den Klimawandel leugnet, die Globalisierung verweigert und dessen Höschen jedes Mal ein bisschen feucht wird, wenn er ein oberkörperfreies Bild von Putin findet.

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Dann kommt die Frage: Was heißt das denn jetzt überhaupt? Für das politische Klima, für das reale Klima, für Europa? Wohl noch viel weniger als bei jedem anderen Kandidaten ist bei Trump abzuschätzen, was wirklich passieren wird. Wahlversprechen bleiben in diesem Fall hoffentlich einfach Wahlversprechen (wie die Mauer an der Grenze zu Mexiko). Wenn man einmal überlegt, wie lange Obama brauchte, um seinen wichtigsten Plan—die Krankenversicherung für alle—umzusetzen, lässt das hoffen, dass vieles von dem, was Trump so will, in den nächsten vier Jahren einfach heiße Luft bleibt.

Aber was genau will er eigentlich (außer Obamas größte Leistung sofort abzuschaffen)? Hier sind Trumps Forderungen, die auch uns betreffen—und erste Einschätzungen von Experten, was wirklich passieren könnte:

Wirtschaft: America first

Trump holt Wähler ab, denen vor allem wichtig ist, dass es dem eigenen Land—den USA—gut geht. Für eine Studie befragte das Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln Leute, die von Wirtschaft eigentlich nichts verstehen. Das Wirtschafts-Laien finden einen Arbeitsplatz im eigenen Land wichtiger als fünf oder zehn neue Arbeitsplätze in einem anderen. Trump würde da vermutlich zustimmen. Vielleicht kein Wunder, dass er denkt wie die Laien, immerhin hat der nächste Präsident der größten Volkswirtschaft der Welt bisher vier Insolvenzen hinter sich.

Trump will unter anderem: Zölle für ausländische Produkte hochziehen. Nach dem Motto: "Die Globalisierung hat es nie gegeben!" Als Trump in New York seinen Wirtschaftsplan vorstellte, erzählte er erst mal schön plakativ von der Stadt Flint in Michigan mit hoher Arbeitslosigkeit. Ford will dort eine Fabrik schließen und nach Mexiko verlagern. Trump kenne viele "großartige" Amerikaner, die keinen Job haben. Seine völlig wahnsinnige "Lösung": Mexikaner raus und eine Mauer um Mexiko.

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Die Frage ist: Wird er seine irrsinnigen Pläne wirklich durchziehen? An der Börse stürzten die Kurse unmittelbar ab. Leute verkaufen Aktien und kaufen Gold. Anleger mögen keine Unsicherheit und wenn Trump mit seinen Mal-so-mal-so-Aussagen, seinem mangelnden Wissen und seiner mangelnden politischen Erfahrung eines nicht ist, dann verlässlich.

Angst haben nicht nur Anleger, sondern auch die deutschen Auto-Firmen. Wenn es teurer wird, die Wagen in die USA zu exportieren, verlieren sie Geld. Nach Großbritannien gibt es jetzt also noch einen großen Handelspartner, bei dem es schwer abzuschätzen ist, wie es weiter geht.

Ein Wirtschaftsexperte der New York Times prophezeit: "Wir können uns auf eine weltweite Rezession einstellen, ohne Ende in Sicht. (…) Für die Wirtschaft ist gerade—wie in allen anderen Belangen—etwas Schreckliches passiert." Das ist ziemlich viel Pathos für einen Wirtschaftsartikel, aber: We feel you.

Klimawandel: gibt es nicht

Der Klimawandel ist eine Erfindung der Chinesen, um die amerikanische Wirtschaft zu schwächen. Das ist die Meinung des nächsten amerikanischen Präsidenten.

The concept of global warming was created by and for the Chinese in order to make U.S. manufacturing non-competitive.
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) 6. November 2012

Auf einer Wahlkampfveranstaltung im letzten Jahr wurde Trump gefragt, was er als Präsident gegen den Klimawandel tun will. Seine Reaktion: Er fragte das Publikum, wer denn eigentlich an den Klimawandel glaube. Die Antwort: nur die allerwenigsten. Herzlichen Glückwunsch. Die USA sind weltweit nach China der zweitgrößte Produzent von CO2. Wenn also Präsident Trump nicht daran glaubt, dass CO2 etwas mit der Erderwärmung zu tun hat, bzw. die Erderwärmung eigentlich nur eine große Verschwörung der chinesischen Reptiloiden sei, dann sind das eher ungünstige Vorzeichen. Seit Montag findet in Marokko die Weltklimakonferenz statt. Eines der wichtigsten Ziele davon ist, das Pariser Abkommen zum Klimaschutz aus dem letzten Jahr zu implementieren, in dem beschlossen wurde, die Erderwärmung in diesem Jahrhundert auf höchstens 1,5 bis 2 Grad zu begrenzen. Trump hat bereits im Wahlkampf angekündigt, das Abkommen nicht mehr anzuerkennen (obwohl die USA es vor dem G20-Gipfel in China ratifiziert haben). Sofort wird das allerdings nicht funktionieren: Jan Kowalzig von der Hilfsorganisation Oxfam sagte der Tagesschau, dass ein Ausstieg der USA mindestens drei bis vier Jahre dauern würde. Sollte die Welt doch nicht so ein dunkler Ort sein, wie es an Tagen wie heute wirkt, bleibt eine kleine Hoffnung, dass es keine zweite Amtszeit Trumps geben wird und die nächste US-Präsidentin (davon gehen wir dann mal aus) ein weniger problematisches Verhältnis zur Wissenschaft hat.

Geopolitik: Hello Russland

"Wenn jemand nicht mit einem Twitter-Konto umgehen kann, kann er nicht mit den Atomcodes umgehen", spottete Barack Obama über das Twitter-Verbot für Donald Trump. Doch genau das ist jetzt eingetreten, Trump ist ab Januar für die Außenpolitik der USA verantwortlich. Natürlich wissen wir nicht, was nun passieren wird. Trumps Außenpolitik ist ein "blinder Fleck, noch nicht beschlossen", wie Markus Kaim von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) uns im Gespräch erzählt. Vor der Wahl hatte Trump immer wieder einen isolationistischen Kurs in der Außenpolitik durchblicken lassen. Mehr Konzentration auf sich selbst und die vermeintlich eigenen Interessen: America first. Sogar das Engagement in der NATO stellte Donald Trump in Frage. Wegen der laufenden Aufrüstung in Osteuropa im Zuge der Ukraine-Krise fragte er sich: "Warum sind immer wir diejenigen, die in der Führung sind?" Es besteht also die begründete Annahme, dass die USA sich als Weltmacht zurückziehen werden. Sollte Europa militärisch zu schwach sein, könnte Russland sich ermutigt fühlen, Ost-Europa weiter zu destabilisieren. Das alles könnte zu außenpolitischen Spannungen führen. Sollten Trump und Putin einen Deal über Osteuropa abschließen, wären "die baltischen Staaten und Polen die Leidtragenden", so Markus Kaim. Fallen die USA als Schutzmacht und hauptsächlicher NATO-Geldgeber weg, müsste Europa deutlich mehr für seine Sicherheit aufwenden. Bisher bezahlen die USA 72 Prozent des NATO-Etats. Deutschland wäre als stärkste Volkswirtschaft bei einer Neuregelung gefordert. Das würde den Staatshaushalt natürlich mehr belasten. Allerdings gibt Deutschland derzeit gerade mal 1,2 Prozent des Bruttosozialprodukts fürs Militär aus, obwohl sich die NATO-Staaten 2002 auf zwei Prozent geeinigt hatten. Politikwissenschaftler Markus Kaim hält eine solche Umverteilung der finanziellen Lasten für plausibel. Europa wird sich möglicherweise auf instabilere Zeiten einstellen müssen. Trump wird nicht direkt mit Putin paktieren. Möglicherweise wird sich das Verhältnis der USA zu Russland wie jenes der Türkei zu Russland entwickeln: zwei autoritäre Präsidenten, die sich an einem Tag verteufeln, am nächsten Tag aber wieder lieben. Das größte Problem an Trump könnte seine Unberechenbarkeit sein. Es ist vorstellbar, dass er außenpolitisch keinen isolationistischen Kurs fährt, sondern das Gegenteil. Oder was ganz anderes. Trump scheint selbst nicht zu wissen, was er vor hat.