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Ein Reiseführer zu den schönsten AfD-Hochburgen

Fahrt zu den Orten, in denen sehr viele Menschen AfD und NPD gewählt haben. Zur Kulturverständigung.
Der Bitterfeld Chemie-Park. Ein Traum in Grau | Foto: Joeb07 | Wikimedia commons | CC BY 3.0

Gut, niemand möchte sich als Urlauber am Strand von Einheimischen die Sonnenschutzmilch mit Baseballschlägern auftragen lassen. Zugegeben, so ein Szenario ist selbst für Mecklenburg-Vorpommern recht unwahrscheinlich und doch, die Leute haben Angst. Man stelle sich das nur vor: Reisewarnungen wurden ausgesprochen. Für die Insel Usedom zum Beispiel. Grund hierfür sind die fulminanten Erfolge der AfD bei den jüngsten Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern. Hier ein Ranking:

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und hier eine aktuelle Reiseinformation zur Ferieninsel — Gereon Asmuth (@gereonas)5. September 2016

Natürlich ist ein Urlaubsboykott eine Möglichkeit, auf solche Wahlergebnisse zu reagieren, doch wir machen da nicht mit. Wo kämen wir denn hin, wenn wir rechtem Gedankengut komplett den Boden überließen? In einer solchen Zeit muss die Devise lauten: "Jetzt erst recht dort hin, wo's wehtut!" Kurbeln wir mit unseren Urlaubskassen lieber die Wirtschaft an, um den AfD-Wählern die Laune zu verbessern, und zeigen ihnen, dass Fremdes nicht immer schlecht ist. Deshalb hier der ultimative Reiseführer, um euch die Hochburgen der AfD schmackhaft zu machen. Doch fangen wir mit Bitterfeld-Wolfen in Sachsen-Anhalt an.

Bitterfeld-Wolfen

Der Bitterfeld Chemie-Park. Ein Traum in Grau | Foto: Joeb07 | Wikimedia commons | CC BY 3.0

Mit 33,4 % der Erststimmen und 31,9 % der Zweitstimmen erzielte die AfD im Wahlkreis 29 bei bei den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt im März 2016 das landesweit beste Ergebnis (+ NPD: 2,2 Prozent). Dabei ist die Stadt gar nicht mal so mies, wie man es anhand der Protestwähler meinen könnte.

Einen Spaß für Jung und Alt bildet allein schon der Chemie-Park mit seinen rund 360 Unternehmen. Darunter zählen illustre Namen wie Silicon Products Bitterfeld GmbH, die GKW Gemeinschaftsklärwerke, vor allem aber hat die Bayer AG dort einen Standort, wo sie die gesamte Aspirin-Produktion für ganz Europa hergestellt—Kopfschmerzen ade!

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Zu den berühmten Persönlichkeiten der Stadt gehört hingegen Paul Othma (1905–1969): Elektriker, Sprecher des Streikkomitees vom 17. Juni 1953, verurteilt zu zwölf Jahren Zuchthaus. Auch Erwin Ding-Schuler (1912–1945) hat sich einen Namen gemacht—er war SS-Sturmbannführer und erster Lagerarzt des KZ Buchenwald, wo er auch Gasbrand-, Typhus- und Gelbfieberimpfstoffe in Menschenversuchen an Häftlingen erprobte.

KUNST und ARCHITEKTUR werden in Bitterfeld auch ganz groß geschrieben. Eins der Wahrzeichen der Stadt ist ein begehbarer und rot illuminierter Penis. Wie Jesus steht auch er magisch auf dem Wasser.

Foto: Michimaya | Wikimedia commons | CC BY-SA 3.0

In dem Sinne: Hereinspaziert nach Bitterfeld; oder besser gesagt "hereingefahren": Verkehrsgeografisch ist die Region nämlich top angebunden. Sie ist an das Netz der S-Bahn Mitteldeutschland angeschlossen. Die Linie S2 verbindet dabei Markkleeberg-Gaschwitz über Leipzig Hbf (tief) und Bitterfeld mit Dessau stündlich. Eisenbahnerherz, was willst du mehr?!

Foto: Joeb07 | Wikimedia commons | CC BY 3.0

Zeitz

Auch das knapp 30.000 Einwohner-Städtchen Zeitz steht dem großen Bruder Bitterfeld-Wolfen in kaum etwas nach. Mit 31,6 Prozent der Stimmen gewann André Poggenburg das Direktmandat für die AfD und bei der Zweitstimme wurden die dortigen Sympathieträger mit 30,4 Prozent zur stärksten Partei bei den Landtagswahlen in Sachen-Anhalt gewählt (+ NPD: 4 Prozent). Und wie in Bitterfeld hält auch Zeitz für alle Industrie- und Eisenbahn-Ästheten mit der Bioethanolanlage der Südzucker Bioethanol GmbH ein Leckerli bereit:

Foto: High Contrast | Wikimedia commons | CC BY 3.0 DE

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Zur Geschichte der Stadt: Erstmals urkundlich als "Cici" erwähnt wurde die AfD-Hochburg im Jahre 967. Kaiser Otto I. und Papst Johannes XIII gründeten den Ort zum Zweck der Christianisierung der slawischen Bevölkerung und weiteren Festigung der deutschen Herrschaft. Kappe 600 Jahre vorgespult machte 1570 die Hexenverfolgung auch im Ortsteil Suxdorf Halt. Einer Eva Geißler wurde der Hexenprozess gemacht, im Anschluss folgte dann die Verbrennungen.

Im Dreißigjährigem Krieg sah sich dann die Zeitzer Burganlage mehrfacher Belagerungen ausgesetzt, bis schließlich schwedische Truppen die Bischofsburg Ende 1644 zerstörten—dafür aber kann sich das wunderschöne Schloss Moritzburg als die frühbarocke Residenz der Herzöge von Sachsen-Zeitz wirklich sehen lassen:

Foto: Michael Sander | Wikimedia commons | CC BY-SA 3.0

Was die kulinarische Spezialitäten des Ortes anbetrifft, so muss der Milbenkäse definitiv genannt werden. Beim Herstellungsprozess lassen Ausscheidungen von Milben die Milch reifen, daher der Name. Im Zeitzer Ortsteil Würchwitz, wo die Produktion dieser Köstlichkeit auf Hochtouren läuft, feiern die Menschen die Milben derart ab, dass sie ihnen sogar ein Denkmal setzten—das Kunstwerk ist immer einen Besuch wert:

Foto: AndreasPraefcke | Wikimedia commons | CC BY-SA 3.0 Natürlich geht so ein Käse für sich allein nur schwer die trockene Kehle runter; Freunde des Rebensaftes und feucht-fröhlicher Stimmungen können jetzt vom 17. bis zum 18. September das zehnte Zeitzer Weinfest besuchen. Das Showtanzprogramm performen "Pöschis Tanzmäuse" von der Tanzfabrik Lucka und am Abend bis in die Mitternacht hinein heizt die Partyrockband Vorsicht Weiber dem Partyvolk dann so richtig ein. In diesem Sinne: Wein, Weib und Gesang—die Welt zu Gast bei Zeitzer Freunden!

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Usedom

Auf Usedom werden Ideen, die im Suff kommen, eben noch umgesetzt | Foto: imago | photo 2000

In Trassenheide holte die AfD bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern Anfang September 40,7 Prozent, die NPD 3,3. Die Welt steht dort Kopf—in einem Haus, in dem unten oben ist! Das Dach steckt im Boden, das Klo hängt an der Decke. Angeblich wird man in dem Haus auch ein bisschen seekrank. Die Idee sei nach viel Bier am Stammtisch entstanden, heißt es auf der Website der Attraktion. Die zwei polnischen Freunde Klaudiusz Gołos und Sebastian Mikiciuk philosophierten biertrinkend über den Stammtisch vor ihnen. Wir stellen uns das so vor: "Der ist gerade, aber wir könnten ihn auch umdrehen!" – "Wir könnten auch ein Haus verkehrt herum bauen." Und auf Usedom werden Suff-Ideen eben noch umgesetzt. Ein Perspektivwechsel hört sich doch großartig an, für unsere weltoffenen Freunde dort.

Wem das zu schräg ist, der kann auch ins Museum gehen. In Peenemünde (AfD 46,8%, NPD 5,6 %) steht das Historisch-Technische Museum. Auf der Website wird das im allerersten Satz folgendermaßen angepriesen:

Die Heeresversuchsanstalt Peenemünde war zwischen 1936 und 1945 eines der modernsten Technologiezentren der Welt. Im Oktober 1942 gelang von hier aus der weltweit erste Start einer Rakete ins All. In der benachbarten Erprobungsstelle der Luftwaffe wurden Flugkörper mit revolutionärer Technik getestet.

Juhu, Nazi-Technik! Die Distanzierung vom Krieg kommt, wenn auch nicht als U-Turn, sondern eher als kleiner Schlenker: "Die Forschung diente jedoch von Beginn an nur einem Ziel: Hochtechnologie sollte militärische Überlegenheit schaffen." Wer mal einen Blick auf das Gelände werfen will: Es gibt es ein Webcam-Bild, das sich alle fünf Minuten aktualisiert. Das Gespür für fortschrittliche Technik und den Puls der Zeit ist nicht zu übersehen.

Peenemünde, über 50 Prozent für AfD und NPD—wie wäre es mit einem Besuch der ehemaligen Heeresversuchsanstalt? | Foto: imago | Arnulf Hettrich

Wahlkreis Greifswald V

Hier holte die NPD 6,9 Prozent und die AfD 26,4 bei den Landtagswahlen. Allein schon die Namen der Städte des Wahlkreises sind ein Gedicht: Klein Luckow, Jatznick, Löcknitz, Brietzig, Rothenklempenow. Brietzig besitzt laut Wikipedia sogar Baudenkmäler. Dazu gehören eine "Kirche mit Friedhofsmauer und Portal" oder ein Denkmal mit der offiziellen Bezeichnung "Wegweiser an der alten Landstraße nach Papendorf". Jatznick wartet mit einem historischen Schrankenwärterhaus auf. Für die Wilden gibt es Bespaßung im Tanzclub Pasewalk-Straßburg. Zum Beispiel beim Sommerfest: "Nach einem reichhaltigen Buffet, welches die Mitglieder selbst kreiert hatten, mussten die Kalorien wieder abgebaut werden und dafür sorgte der Trainer an diesem Abend mit vollem Einsatz", heißt es auf der Website unter dem Schlagwort Feiern.