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Wir haben in Wiener Kaffeehäusern geschmust

Nachdem ein lesbisches Paar wegen eines Begrüßungskusses aus dem Café Prückel geworfen wurde, wollte ich die Wiener Kaffeehäuser noch ein bisschen weiter fordern.
Aufnahme eines alten Cafehaus
Foto von VICE Media

Letzte Woche wurde ein lesbisches Paar des Café Prückels verwiesen, weil es sich zur Begrüßung geküsst hatte. Die Besitzerin hatte darauf geantwortet, dass sie nicht homophob sei, in traditionellen Wiener Kaffeehäusern generell nicht geschmust werden sollte und sie auch Heteros rauswirft oder zumindest ermahnt, wenn sie rummachen (wobei das Paar sagt, es habe sich nur zur Begrüßung geküsst). Aber vielleicht hat „rummachen" ab einem gewissen Alter ja eine andere Bedeutung oder Toleranzgrenze und außerdem war ihre genaue Wortwahl eigentlich „umadum machen".

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Was auch immer im Café Prückel vorgefallen ist, ich persönlich bin davon überzeugt, dass Heteros beim Schmusen nicht so schnell ermahnt oder des Lokals verwiesen werden—jedenfalls habe ich noch nie von so etwas gehört. Also habe ich in vier traditionellen Wiener Kaffeehäusern geschmust, um zu sehen, was passiert—und um zu beweisen, dass Heteros eben nicht aus dem Lokal geworfen werden, wenn sie „umadum machen".

Café Jelinek

Am Anfang bin ich noch alleine und will mich schon im Voraus beim Kellner entschuldigen, der sehr höflich ist. Mir gegenüber sitzen zwei Männer, im ganzen Jelinek sind Spiegel verteilt, man sieht also auch um drei Ecken, wenn am anderen Ende des Cafés jemand rumschmust. Mein Experimentierpartner kommt und am Anfang ist es extrem komisch. Nicht, weil wir nicht schon öfter geschmust hätten, sondern weil wir ja versuchen, unser Umfeld so zu nerven, dass wir rausgeworfen werden.

Während dem Rumschmusen reden wir also darüber, wie unser Tag war, in welche Cafés wir noch gehen wollen und lachen die ganze Zeit wie Teenager. Der Kellner kommt, nimmt unsere Bestellung auf, er bringt die Bestellung, fragt, ob wir auch etwas Essen möchten, kommt wieder, holt sich die Speisekarte und gibt sie den Männern am Nachbartisch, ein Rosenverkäufer kommt, fragt, ob wir eine kaufen wollen. „Habibi, hast du Zeit?", fragt er. Ich habe keine Zeit, ich muss arbeiten. Es interessiert absolut niemanden, was wir hier aufführen.

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Schmusezeit: 50 Minuten

Café Ritter

Symbolbild, weil der Kellner ja gar nicht böse war. Foto: VICE Media.

Es ist nicht mehr so komisch, wie im Jelinek, was unter anderem auch an dem Bier liegt, das wir dort getrunken haben. Unser Kellner im Café Ritter ist zirka 60 und interessiert sich genau so wenig dafür, was wir machen, wie der Kellner im Jelinek. Er nimmt unsere Bestellung auf, bringt sie und füllt sogar den Zucker auf unserem Tisch nach, während wir ihn völlig ignorieren und die Hand meiner Begleitung schon seit einer halben Stunde an meinem Hintern klebt. Er verliert kein Wort über unser Verhalten, aber beim Abkassieren grinst der Kellner mich an. Ich fühle mich ziemlich schlecht, also bekommt er, wie alle Kellner an diesem Abend, irrational viel Trinkgeld.

Schmusezeit: 1 Stunde

Café Sperl

Nirgendwo auf der Welt sind die Kellner unfreundlicher als im Café Sperl. Nicht einmal in anderen Wiener Kaffeehäusern. Aber irgendwie ist an diesem Abend alles anders. Das Café ist beinahe leer, am Nachbartisch machen Chefin und eine Angestellte die Abrechnung. Wir sitzen genau gegenüber der Theke und alle Kellner, die noch da sind, schauen uns widerwillig beim Schmusen zu.

Wir werden zweimal gefragt, was wir trinken möchten, weil ich mich nicht entscheiden kann und kein Bier mehr möchte, der Kellner gibt uns also eine Minute (während der wir nicht in die Karte schauen und er sich ziemlich verarscht vorkommen muss), kommt dann wieder und bringt unsere Bestellung. Er ist höflich und sagt kein Wort.

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Schmusezeit: 45 Minuten

Rüdigerhof

Rechts wird über die Kunst des Mittelalters gelesen, links über die Welt diskutiert. Meine Begleitung raucht jetzt, um die Nerven zu beruhigen.

Im Rüdigerhof ist einmal ein Paar am Tisch neben mir gesessen und hat die ganze Zeit rumgeschmust. Wild. Es waren ein Mann und eine Frau und sie wurden weder ermahnt noch rausgeworfen. Irgendwann haben sie auch einfach aufgehört zu konsumieren, ihre leeren Gläser sind vor ihnen gestanden und sie haben noch ein paar Stunden weitergemacht. Ich hatte an diesem Abend ein Gespräch, das man nicht führen möchte, wenn Menschen neben einem rumschmusen, mein Hund hat währenddessen unter dem Tisch gekotzt. Der Abend war trotzdem lustig.

Dass man im Rüdigerhof schmusen kann, wie es einem beliebt, war mir also schon klar, bevor ich dort war. Und es ist auch in unserem Fall nicht anders. In keinem Café hat irgendjemand etwas gesagt, es war überall mehr als ein Begrüßungskuss, manchmal noch ein bisschen mehr als mehr als ein Begrüßungskuss, vielleicht nach Christl Sedlar auch ein „öffentliches Ärgernis". Trotzdem hat niemand etwas gesagt. Beim Gehen entschuldige ich mich bei den Jungs am Nachbartisch. Sie lachen, es könnte ihnen nicht egaler sein.

Schmusezeit: 1 Stunde 30 Minuten

Prückel

Gestern war ich nicht im Prückel, weil ich schon vor Jahren dort war, geschmust habe und nicht rausgeworfen wurde, wie ich schon in meinem ersten Artikel über den Vorfall geschrieben habe. Nach vier Bier und vier Stunden und fünf Minuten Schmusen—und sei es mit dem Besten aller Schmuser—wollte ich außerdem nach Hause. Im Vergleich zu meiner anderen Wiener Lokaltour, bei der ich in den schlimmsten aller Restaurants gegessen habe, war der gestrige Abend aber überdurchschnittlich gut.

Das Café Prückel ist dafür nächste Woche an der Reihe. Die Argumentation der Besitzerin, dass eine Ermahnung nicht an der Sexualität liegt, sondern am Schmusen selbst, ist Blödsinn. Nirgends wurden wir anders oder gar unfreundlich behandelt. Da muss sich das Prückel also was anderes überlegen. Mobilisiert eure Schmusepartner, schmiert euch bis dahin viel Honig auf die Lippen und dann #KüssenimPrückel. Jetzt erst Recht.

Hanna ist auch auf Twitter: @hhumorlos.