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burkaverbot

Warum Verfassungsrechtler das Vollverschleierungsverbot für problematisch halten

"Ich halte das für einen Eingriff in das Privatleben, der gegen Artikel Acht der Menschenrechtskonvention spricht", sagt der Experte Heinz Mayer.

Foto: Metropolico.org | flickr | CC By-SA 2.0

Wenn man ganz genau hinhört, sagte Christian Kern am Montag, als man das Regierungsprogramm Neu öffentlich vorstellte, ja folgendes: "Wir haben dem Vollverschleierungsgebot zugestimmt." Ohne Zweifel ein schöner Versprecher.

Aber so richtig glücklich hat Kern in puncto Verschleierungsverbot auch abseits von diesem Lapsus nicht gewirkt. "Das ist ein Schritt, der uns nicht leicht gefallen ist", sagte er. "Aber nur, weil wir uns bei Symbolen nicht einigen können, wäre es falsch, die materielle politische Aufgabe nicht einer Umsetzung zuzuführen", hieß es bei der Pressekonferenz. Soll heißen: Man hat sich hier ein ganz schönes Stück auf die ÖVP zubewegt. Die wiederum freut sich. Das "Burka-Verbot" wurde von Kurz & Co. erst Ende 2016 ins Spiel gebracht, obwohl man sich bei dem Thema gegenüber zuerst jahrelang skeptisch bis ablehnend gezeigt hatte.

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Österreich soll nun nach Frankreich und Belgien also der dritte europäische Staat werden, in dem das Tragen eines Gesichtsschleiers im gesamten öffentlichem Bereich verboten ist. Eine Französin hatte gegen das Verbot in ihrem Land vor dem Europäischen Gerichtshof geklagt, bekam 2014 aber unrecht. Der EGMR hielt die Gesetzesbegründung Frankreichs für menschenrechtskonform, mit 15:2 Stimmen.

Der österreichische Verfassungsjurist Heinz Mayer sieht das hierzulande jedoch anders. Gegenüber VICE sagt er: "Ich halte das für einen Eingriff in das Privatleben, der gegen Artikel Acht der Menschenrechtskonvention spricht. Dieser Eingriff ist nur zulässig, wenn es ein dringendes soziales Bedürfnis gibt, wenn – etwas allgemein ausgedrückt – der soziale Frieden gestört wäre. Derzeit gibt es so eine solche Störung in Österreich aber nicht, weil es ja auch faktisch keine Burkas oder Gesichtsschleier gibt." Schätzungen zufolge wird der Niqab beziehungsweise die Burka in Österreich von 100 bis 150 Personen getragen. Oft sind es Touristinnen aus den Golfstaaten.

Zum Umstand, das Frankreich mit dem Gesetz auch beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte durchkam, meint Mayer: "Es kann sein, dass das Verbot in einem anderen Land gerechtfertigt ist, in Österreich sehe ich das aber nicht. Ich wüsste jedenfalls nicht, wie man das Verbot in Österreich verfassungsrechtlich begründen kann."

Auch der Verfassungsexperte Bernd-Christian Funk hält ein generelles Verbot für "juristisch äußerst problematisch", wie er gegenüber VICE erklärt. Endgültige Klarheit werden aber auch hierzulande nur höchstinstanzliche Urteile bringen können. Dass es dabei zu anderen Entscheidungen kommen könnte als in Frankreich, hält er für gut möglich.

Thomas auf Twitter: @T_Moonshine

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