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Das Urteil: Hüseyin C. wird in drei Punkten schuldig gesprochen

Heute startet der Prozess gegen Hüseyin C. und somit der zweite Pozess gegen einen antifaschistischen Demonstranten, der im Rahmen der Ausschreitungen rund um den Akademikerball im Januar auffällig geworden ist.

Ausschreitungen am 17. Mai. Foto von Kurt Prinz.

Heute startet der Prozess gegen Hüseyin C. und somit der zweite Pozess gegen einen antifaschistischen Demonstranten, der im Rahmen der Ausschreitungen rund um den Akademikerball im Januar auffällig geworden ist. Josef S. wurde im Juli verurteilt, das Urteil gegen Hüseyin C. wird vermutlich heute im Laufe des Tages fallen.

Der Beschuldigte sei bei den Demonstrationen gegen den Akademikerball im Januar, denen gegen den Marsch der Identitären im Mai und auch im Juni beim rechten „Fest der Freiheit“ auffällig gewesen. Nach dem „Fest der Freiheit“ wurde er festgenommen.

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Wie auch Josef S. wird ihm Landfriedensbruch vorgeworfen, dazu wurde er von Staatsanwalt Kronawetter wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung, vollendeter und versuchter schwerer Körperverletzung und versuchtem Widerstand gegen die Staatsgewalt angeklagt. Für eine schwere Körperverletzung gegen eine Polizistin bei den Demonstrationen gegen den Akademikerball würde sich der Beschuldigte laut seiner Verteidigerin schuldig bekennen.

Wie auch Josef S. soll Hüseyin C. Rädelsführer gewesen sein, allerdings bei der Demonstration am 17. Mai. Dort soll er auch „nicht mehr feststellbare Polizebeamte“ mit Flaschen und Steinen beworfen haben.

Der Prozess beginnt … mit Wikipedia

4 Zeugen sollen geladen werden. Es sind vier Polizisten. Auch ein belastendes Video soll gezeigt werden. Der Beschuldigte ist Kurde, politischer Flüchtling. Eine Übersetzerin vermittelt zwischen ihm und dem Richter. Er ist nicht vorbestraft.

Die Anklage blendet zurück: Am 24. Januar fand der Akademikerball statt, die Gegendemonstrationen haben umfangreiche Ausschreitungen zur Folge gehabt. Die Ausschreitungen verursachten Sachbeschädigungen im Ausmaß von 500.000 Euro. Der Beschuldigte hatte von Anfang an das Ziel, Gewalttaten zu begehen. Eine Polizistin habe der Angeklagte um circa 20:00 Uhr mit einer hölzernen Fahnenstange verletzt. Er konnte unerkannt fliehen.

Auch am 17. Mai hätte er die Absicht gehabt, Gewalttaten zu begehen. Er habe die Polizeibeamten massiv beschimpft und mit Fußtritten und Faustschlägen zu verletzen versucht. Auch mit Holzstöcken und Steinwürfen habe er sich gegen die Polizeibeamten gewendet. Der Beschuldigte bestreitet diese Vorwürfe.

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Auch am 4. Juni habe er die Fahnenstangen dabeigehabt, er wurde zur Identitätsfeststellung angehalten, habe sich gewehrt und mit der Fahnenstange auf den Beamten eingeschlagen. Der Angeklagte bestreitet dies, obwohl es Laut Staatsanwaltschaft belastende Fotos gibt. Der Staatsanwaltschaft zitiert Wikipedia und erklärt uns so, was „Demonstration“ bedeutet. Danke dafür.

Landfriedensbruch-Paragraph „demokratiepolitisch bedenklich“

C. ist ein politischer Mensch, er ist in der Türkei aus politischen Gründen für 10 Jahre in Haft gesessen. Seit 10 Jahren ist er in Österreich und unbescholten. Auch die Verteidigerin geht chronologisch vor.

24. Januar: C. bekennt sich schuldig, nahe Burgtheater auf die Polizeikette eingeschlagen zu haben. Er habe sich jedoch nicht an einer Menschenmenge angeschlossen, deren Ziel es war, Gewalttaten zu begehen. Man kann bei dieser Menge (Kinder,alte Menschen, Familien, …) nicht von einer „Zusammenrottung“ sprechen. Eine Verurteilung wegen Landfriedensbruch sei also falsch. Es tue dem Angeklagten leid, die Polizistin verletzt zu haben.

17. Mai: Ein Video des ORF beweise, dass C. Steinchen geworfen habe. Das gibt er auch zu. Polizisten seien dadurch jedoch nicht verletzt worden. Auch eine Zusammenrottung habe nicht stattgefunden. Landfriedensbruch sieht die Verteidigung auch hier nicht. Auch schwere Körperverletzungen habe es nicht gegeben.

4. Juni: Eine Einheit der WEGA war beauftragt, C. festzunehmen. In einer U-Bahn-Station fand dann die Festnahme statt—davon gibt es ein Polizeivideo. Das Video zeigt weder versuchte absichtliche Körperverletzung, noch sieht man Widerstand oder durch Widerstand verletzte Beamten. Ein Beamte hat sich laut eigener Angabe durch den Widerstand von C. den Finger verletzt. Die Verteidigung sieht in dem ganzen Video keinen Anlass, dass dies stimmen würde.

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„Es ist ein politischer Prozess“, so die Verteidigung. „Wir können alle demonstrieren. Landfriedensbruch, und die Weise, wie die Staatsanwaltschaft derzeit damit umgeht, bewirkt, dass viele nicht mehr demonstrieren gehen.“ Viele wurden angeklagt, die keine Straftaten begangen haben (hunderte Demonstranten wurden nach dem 24. Januar wegen Landfriedensbruch angezeigt)

Die Verwendung nennt den Lanfriedensbruch-Paragraphen „demokratiepolitisch bedenklich“.

Foto von VICE Media.

Teilweise schuldig

Der Beschuldigte bekennt sich teilweise schuldig. Er wird gefragt, weshalb er in der Türkei im Gefängnis gesessen hat. Dieser wiederholt, dass er „aus politischen Gründen“ Probleme mit Polizei und Justiz gehabt habe.

Danach habe er in Österreich um Asyl angesucht und das auch zugesprochen bekommen. 5 Jahre lang habe er gearbeitet, im Moment sei er arbeitslos. Er engagiert sich politisch.

„Was ist ihr Anliegen?“, fragt der Richter. „Ein Mensch muss auf der ganzen Welt, wenn er an Demokratie glaubt, für Menschenrechte und Brüderlichkeit eintreten“, antwortet der Beschuldigte.

Gegen was er speziell demonstriere, fragt der Richter. „Weshalb und mit wem sind Sie auf der Demonstration am 24. Januar gewesen?“, fragt der Richter. Er wäre dort verabredet gewesen. Was sein Ziel dort gewesen sei? „Gegen Strache zu demonstrieren“, antwortet der Angeklagte. Wie? Unter Demonstration versteht man, Schilder zu halten und Dinge zu rufen. Ob er auch aktiv einschreiten wollte. Nein—er wollte den Ball nicht verhindern. Was passiert ist, ist nur in aufgrund der Situation passiert. Es war nicht so geplant.

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„Es war ein friedlicher Marsch“, so der Beschuldigte. Er solle erklären, weshalb er dann nicht friedlich verlaufen sei, sagt der Richter. Als Begründung rekapituliert der Angeklagte die Ereignisse: Die Menschenmenge hatte die Absicht, auf den Heldenplatz zu gehen. Die Polizei habe das verhindert. Der Richter erwähnt, dass das auch die Aufgabe der Polizei sei.

„Sitzdemonstrationen finden statt, das ist ja okay, alles demokratisch“, meint der Richter und fragt in Richtung der Übersetzerin: „Aber was macht der Angeklagte?“

Die Übersetzerin zitiert den Beschuldigten so: „Ich sitze auch, wobei die Menschen dann aufgestanden sind und die Polizei bei diesem Aufruhr Pfefferspray eingesetzt hat. Manche Menschen sind zu Boden gegangen. Dann habe ich reflexartig drei Mal auf die Polizeikette eingeschlagen.“

„Die Polizei war uns gegenüber gewalttätig.“

Am 17. Mai wollte eine Gruppe rund um den Angeklagten die Demonstration der Identitären verhindern.

Der Richter fragt: „Was ist da wieder passiert?“
„Wir haben dort eine Sitzdemonstration gemacht“, antwortet der Beschuldigte.
„Also der Angeklagte wieder an forderster Front?“
„Mitten in der Gruppe war ich halt, nicht an der fordersten Front. Die Polizei hat versucht, diese Demonstranten wegzuschieben. Sie wollte, dass die Demonstanten aufstehen, die Menschenmenge hat dann reagiert und in diesem Moment fanden dann Festnahmen statt.“

Richter fragt (in dirtter Person, weil an die Übersetzerin adressiert): „Was versteht er unter Reaktion? Wenn jemand weggeschoben wird, soll man sich wegschieben lassen und keine Reaktionen zeigen.“
„Die Polizei hat mehrere Menschen festgenommen“, erwidert C. „Sie waren dann mitten in der Polizeikette. Die Polizei war uns gegenüber gewalttätig.“

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Widerstand gegen die Staatsgewalt

Richter: „Hat er mit der Fahnenstange die Polizei attackiert?“
C.: „Nein, ich habe mit den Fahnenstangen nicht auf die Polizei eingeschlagen, beim Akademikerball gebe ich es zu.“
Richter: „Ein Polizeibeamter sagt das aber, aber wir werden den Beamten noch hören.“

Es geht weiter zum späteren Steineschmeißen.

Richter: „Wie kommt er dazu, mit Steinen zu schmeißen? Was wollte er erreichen?“
C.: „Es war ein Reflex, Leute haben geschrien, es herrschte Durcheinander. Es war nicht meine Absicht, Menschen zu verletzen.“
Richter: „Man sieht da, dass er voll ausholt und einen Stein wirft. Auf wen hat er da geworfen?“
C.: „Richtung Polizei.“
Richter: „Was wollte er damit?“
C.: „Wie ich diese Menschen gesehen habe, die nicht weglaufen konnten und zwischen Gittern und Polizei steckengeblieben sind, habe ich reflexartig Steine geworfen.“
Richter: „Das ist ja ein Blödsinn. Immer sagt er reflexartig, er will ja etwas bezwecken damit.“
C.: „Es war keine Absicht, ich habe gedacht, dass sich die Polizei vielleicht zurückzieht, wenn ich die Steine werfe.“
Richter: „Wunderbar, also er wollte, dass die Polizei ihre Tätigkeit nicht weiter ausführt.“
Der Richter gibt bekannt, dass die Ereignisse am 17. Mai auch auf versuchten Widerstand gegen die Staatsgewalt geprüft wird und fragt: „Hat er das verstanden?“

Der Angeklagte antwortet mit „Ja“ und bespricht sich mit seiner Verteidigerin.

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„Dann hat er ein psychisches Problem, wenn er nicht mehr denken kann.“

Richter: „Möchte er etwas dazu sagen, dass er die Polizei zum Rückzug bewegen wollte? Bekennt er sich schuldig?“
C.: „Es war eine emotionale Reaktion. Ich habe in diesem Moment an nichs gedacht.“
Richter: „Dann hat er ein psychisches Problem, wenn er nicht mehr denken kann.“

Wieso wehren? Gelächter unter den Journalisten.

Richter: „Was war dann in der U-Bahn?“
C.: „Die Polizei kommt direkt auf mich zu, als wir auf die U-Bahn warten. Ich habe die Fahne in der Hand. Da wollten sie keine Identitätsfeststellung durchführen.“
Richter: „Er steht da mit Fahnenstangen, die Polizei umrundet ihn. Was dann?“
C.: „Die Polizei wollte mir die Fahnen wegnehmen?“
Richter: „Hat die Polizei gesagt, was sie von ihm will?“
C.: „Nein, gar nichts.“
Richter: „Ich versteh das nicht, wieso gibt er der Polizei die Fahnen nicht freiwillig und entgeht so einer unnötigen Eskalation? Wie wehrt er sich dagegen?“
C.: „Es war ein Hin und her. Sie versuchen mir die Fahnen wegzunehmen und ich versuche sie festzuhalten.“ C erklärt was passiert ist. Der Richter lacht und sagt, er verstehe nicht, dass sich C. gewehrt hat. Man verhalte sich doch ruhig, wenn 10 Polizisten um einen herumstehen und auf einem drauf. Gelächter unter den Journalisten.

Foto von VICE Media

Erste Zeugenbefragung, erstes Beweisvideo

Die erste Zeugin wird aufgerufen. Richter sagt zum Beamten im Raum, er solle die Kollegin reinholen. Korrigiert sich dann: „Ich meine, holen Sie Ihre Kollegin rein.“

Erste Zeugin ist die Polizistin aus der Steiermark, die am 24. Januar verletzt wurde. Sie berichtet von einer „dunkel gekleideten Gruppe“, die aggressiv war.

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Zeugin 1: „Der Kollege neben mir hat Pfefferspray gesprüht, aber erst nachdem einige Leute aggressiv waren.“
Richter: „Was hat er (der Angeklagte) gemacht?“
Zeugin 1: „Alle haben geschlagen und getreten und er auch, mit einem Stock.“
Richter: „Haben Sie gemerkt, dass Sie die Verletzungen von ihm bekommen haben?“
Zeugin 1: „Es kamen schon Schläge von mehreren Seiten, aber er war der einzige mit einer dicken Stange.“
Richter: „Was für eine Verletzung haben Sie erlitten?“
Zeugin 1: „Eine Prellung am Unterarm.“
Richter: „Wie lange hat das wehgetan?“
Zeugin: „Vier Wochen hat’s wehgetan.“
Richter: „Ihr Auftrag war, nur standzuhalten, also nicht einzugreifen?“
Zeugin: „Ja, wir waren nur dafür zuständig, dass die Demonstranten nicht durchkommen.“

Ein Beweisvideo wird gezeigt. Es zeigt, dass der Beschuldigte eindeutig zwei Mal mit der Fahnenstange auf die Beamtin eingeschlagen hat. Das Video, das vor Gericht gezeigt wird, zeigt nicht, dass die Polizei vor den Schlägen Pfefferspray verwendet hat. Vielmehr gibt es ausschließlich Einblick in die Gewalt von Seiten der Demonstanten, „um zu zeigen, wie die Polizei da attackiert wurde.“ Das betonen auch Richter und Staatsanwalt immer wieder.

Schmerzensgeld wird im Saal zusammengekratzt

Die Zeugin möchte 300 Euro Schmerzensgeld. Im Saal wird nach der Schwester gesucht, der Richter fragt, ob jemand 300 Euro zahlen möchte. Das Geld wird zusammengekratzt. Ernsthaft.

Nach einer 10-minütigen Pause wird der zweite Zeuge in den Saal geholt. Er ist Einsatzleiter Wien, 1. Gruppe und berichtet von den Ereignissen am 17. Mai. Der Auftrag war, die Demonstrationen (Identitäre und OGR) auseinanderzuhalten.

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Zweite Zeugenbefragung

Zeuge 2: „Die Spannung war hoch. Teilweise waren die Leute vermummt. Wir sind dann abgezogen worden, weil wir mitbekommen haben, dass linke Manifestanten den Demozug der Identitären behindern wollten. Wir sind dann zur Burggasse und haben die Querstraßen abgesperrt. Da waren schon die ersten Manifestanten, die versucht haben, vorzudringen.“
Richter: „Wie viele waren das?“
Zeuge 2: „10 bis 12. Wir sind dann weiter mit dem Demozug Richtung Bellariastraße marschiert. Haben versucht die Demo abzuschirmen. Bei der Kreuzung Volkstheater haben sich immer mehr Demoteilnehmer der linken Demonstration versammelt und eine Sitzblockade gemacht. Ich hab dann einem Kollegen geholfen einen Menshen wegzutragen. Zu diesem Zeitpunkt war die Stimmung schon aggressiv.“

Der Richter versteht, nickt, bekräftigt den Zeugen immer wieder. „Jaja, ja, verstehe, mhm, jaja.“

Hüseyin ist ihm aufgefallen, weil er nicht aussieht wie der typische linke Demonstrant (zu alt?).

Zeuge 2: „C. hat den Leuten gezeigt, sie sollen auf mich zugehen. Ich war Träger des großen Pfeffersprays, RSG8. Ich habe gemerkt, wie sich die Situation verschärft. Den Herrn hab ich dann wieder gesehen, wie er äußerst aggressiv einen Kollegen angeschrien hat: ,Greif mich nicht an …‘ Dann gab es eine Handgreiflichkeit. Sobald die erste Handgreiflichkeit passiert ist, ist es losgegangen.“

Der Richter fragt nicht, von welcher Seite diese Handgreiflichkeit kam.

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Zeuge 2: „Daraufhin habe ich das Pfefferspray benutzt. Ich habe gedacht, auch den Herrn erwischt zu haben, aber das habe ich nicht, sonst hätte der nicht mehr … dazu komme ich später. Vielleicht habe ich ihn nicht getroffen, oder er ist resistent dagegen, aber ich habe versucht, ihn zu treffen, damit er nicht näher kommen kann, weil er mit der Stange auf uns zugekommen ist. Kurz danach kam es zum Steinwurf.“
Richter: „Haben Sie das gesehen?“
Zeuge 2: „Nein, das habe ich nicht mehr gesehen.“
Richter: „Waren Sie in einem Ganzkörperpanzer, der verhindert hätte, dass sie verletzt werden können?“
Zeuge 2: „Nein. Wir waren teilweise ungeschützt.“
Richter: „Also Sie hätten zumindest blaue Flecken bekommen können.“
Zeuge 2: „Ja.“
Richter: „Wunderbar!“

Eklat mit Zuhörerin: „Wie voreingenommen kann ein Richter überhaupt sein?“

Eine Zuseherin regt sich über die Aussage „Wunderbar“ auf und wird aus dem Saal geschmissen. „Wie voreingenommen kann ein Richter überhaupt sein?“ sagt sie. „Tut wenigstens das, was ihr vorgeht zu tun. Hat man eh gesehen, was ihr beim Josef gemacht habt!“

Sie weigert sich, rauszugehen. Hüseyin wird abgeführt. Sie liegt auf dem Boden, wird rausgetragen.

Rädelsführer?

Zeuge 2: „C. hat gedeutet, eine Herkomm-Bewegung von hinten und mit der Faust nach vorne gedeutet. Also aufgefordert, dass sie zu uns gehen und auf uns losgehen. Alles in allem waren dort 200 oder 300 Personen.“
Richter: „Aber das waren ja auch friedliche Demonstranten.“
Zeuge 2: „Ich kann es nicht sagen, aber ich gehe davon aus.“
Staatsanwalt: „Ihnen war sofort klar, dass es sich um einen der Rädelsführer handelt. Stimmt das?“
Zeuge 2: „Ja.“

Verteidigung möchte einen Videoausschnitt vorlegen. Es zeige, dass es sich in der Situation um ein einziges Durcheinander handelt. Es gibt laut Verteidigung hier keine gezielten Aktionen und zeigt, dass der Angeklagte kein Rädelsführer ist.

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Richter lässt das Video zu, kann aber das Video auf seinem Computer nicht öffnen und lässt es offen.

Dritte Zeugenbefragung

Der 3. Zeuge, ein WEGA-Polizist, wird aufgerufen—er war bei der Verhaftung am 4. Juni selbst dabei. Zeuge 3: „Ich bin als erstes zum Angeklagten hingegangen, dann ist schon die Schreierei losgegangen.“
Richter: „Sicher keine leichte Amtshandlung für Sie.“
Zeuge 3: „Nein, da wurde geschrien und der Angeklagte hat versucht, zu fliehen und mich mit den Fahnenstangen im Genitalbereich, in meinem Penisbereich, zu verletzen, was er aber nicht geschafft hat.“
Richter: „Hat er sich nach diesem Schlag noch weiter versucht sich zu wehren?“
Zeuge 3: „Ja, er hat sich aktiv und passiv gewehrt.“
Richter: „Der Angeklagte sagt, Sie wollten ihm ohne Ankündigung die Fahnen entreißen.“
Zeuge 3: „Nein, ich habe gesagt: ,Polizei’ und wollte ihn dann zur Identitätsfeststellung auf die Seite nehmen. Das wäre in 10 Minuten erledigt gewesen.“

Video wird gezeigt. Es zeigt den Angeklagten, wie er sich wehrt und seine Fahnen hält. Er windet sich, klammert sich an die Fahnen, aber er verletzt niemanden damit.

Richter: „Video zeigt jetzt nicht, dass Angeklagter Ihren Finger umgeknickt hat.“

Der 4. Zeuge war zur Zeit der besprochenen Geschehnisse ebenfalls bei der WEGA tätig. Er erscheint als einziger nicht in Uniform. Sein Finger sei bei der Festnahme verletzt worden.

Zeuge 4: „Ich hätte die Identität feststellen sollen. Es ist gleich zu Widerständen gekommen. Der Kollege, der vorher da war, hat ihn aufgefordert, mitzukommen. Aber er hat nur die Fahnenstangen vor seinem Körper festgehalten.“
Richter: „Was ist dann passiert?“
Zeuge 4: „Er wollte uns wegdrängen. Er hat mit den Fahnenstangen dann auf uns geschlagen.“
Richter: „Wie hat er das getan?“
Zeuge 4: „Er hat sie waagrecht gehabt. Es war ein Tumult, ich weiß nicht mehr, wie er die Fahnenstangen davor gehalten hat. Er hat zugestoßen damit, wie der Kollege gesagt hat. Deswegen hab ich dann hingegriffen und dann ist es ein Kampf um die Fahnenstangen geworden.“

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Das Video von vorhin wird wieder gezeigt. Es zeigt nicht, dass der Angeklagte den Finger des Zeugen irgendwie verletzt.

Richter: „Gut, das Video zeigt jetzt aber nicht, dass der Angeklagte Ihren Finger umgeknickt hat.“
Zeuge 4: „Das ist aber im Zuge dieses Gerangels passiert.“
Verteidigerin: „Das sieht man auf dem Video nicht. Der Angeklagte hat ja die Fahnenstangen in der Hand.“
Zeuge 4: „Ja, er hat die Hände voll.“
Verteidigerin: „Eben. Er hat beide Hände voll. Wie soll er Ihnen dann den Finger umknicken?“ Der Zeuge versteht Fragen der Verteidigung gerne und wiederholt einige Male falsch. Er darf wieder in die Steiermark fahren. Anschließend wird eine Pause bis 13:00 Uhr verkündet.

VICE-Doku wird gezeigt, Beweisaufnahme abgeschlossen

Die Verteidigung zeigt die VICE-Dokumentation über die Identitären-Demo, um die Brutalität der Polizei zu demonstrieren. Die Zuseher lachen bei den Bildern der Festnahmen und Pfeffersprayeinsätze ungläubig und schütteln die Köpfe.

Die Verteidigung ruft einen Zeugen auf, der zeigen soll, dass der Angeklagte weder Rädelsführer ist, noch Landfriedensbruch begangen oder Attacken gegen Beamte verübt hat. Er ist ein Bekannter des Beschuldigten.

Richter: „Dem Angeklagten werden von Seiten der Staatsanwaltschaft schwere Gewalttaten vorgeworfen. Falls Sie sich auch strafbar gemacht haben, können sie die Aussage verweigern. Wollen Sie das?“
Zeuge 5: „Ich sage aus.“
Richter: „Waren Sie am 17. Mai immer mit dem Angeklagten unterwegs? Was hat er getan?“
Zeuge 5: „Ich war nicht immer mit ihm unterwegs, ich kann es nicht 100 prozentig sagen. Ich war ein bisschen außerhalb der Gruppe. Ich habe dann gesehen, dass es Krawalle gab.“
Richter: „Haben Sie gesehen, ob der Angeklagte dabei war?“
Zeuge 5: „Nein, ich habe nicht gesehen, dass er da dabei war.“
Richter: „Haben Sie mitbekommen, dass Hüseyin C. die anderen angestachelt hat?“
Zeuge 5: „Wenn er das gemacht hätte, hätte ich das mitbekommen.“

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Anschließend fragt die Verteidigerin: „Waren Sie bei den Festnahmen gemeinsam unterwegs?“
Zeuge 5: „Ich erinnere mich nicht daran.“
Verteidigerin: „Haben Sie die Steinwürfe gesehen?“
Zeuge 5: „Da war ich nicht dabei. Es ist schon länger her, ich kann mich nicht genau erinnern. Die Polizisten sind auf uns zugelaufen und ich bin weggelaufen.“

Damit ist die Beweisaufnahme beendet.

Plädoyer der Staatsanwaltschaft

Staatsanwalt: „Vor uns sitzt ein friedlicher Demonstrant … Nein, vor uns sitzt ein Gewalttäter. Die Rechtfertigung, der Einsatz von Pfefferspray habe den Angeklagten so aufgebracht, ist nicht glaubwürdig. Es muss kein Polizist verletzt werden. Es genügt, dass diese Gewalttaten verübt wurden. Wir haben gesehen, wie Herr C. auf die Zeugin 1 eingeschlagen hat. Von Menschenmenge war die Rede. Auch weniger als 100 Menschen können eine Menschenmenge darstellen. Also auch am 17. Mai hat es sich um eine Menschenmenge gehandelt. Hier wurde massiv von linken Demonstranten gegen die Beamten vorgegangen. Wenn wir uns das Video der Festnahme ansehen, ist hier nicht dezidiert ein Stoß mit der Fahnenstange zu sehen. Es ist dem Schöffensenat überlassen, ob er der Anklage des Zeugen folgen, oder nicht. Der Angeklagte ist also in allen Punkten schuldig zu sprechen.“

Plädoyer der Verteidigung

Verteidigung: „Landfriedensbruch ist ein sehr politischer Paragraph und schränkt die Demonstrationsfreiheit ein. Der Angeklagte ist geständig, was die Verletzung der Polizistin im Januar angeht. Der Pfeffersprayeinsatz rechtfertigt natürlich nichts, aber Sie haben ihn nach seiner Motivation gefragt. Nicht in Ordnung, keine Frage. Die Sache mit dem Steinwurf ist meiner Meinung nach keine schwere Körperverletzung. Der Beamte hat gesagt, er hat ein Geräusch auf seiner Uniform gehört, das war der Beweis. Hier wird es meiner Meinung nach eine Verurteilung geben.
Es geht bei zwei Demonstrationen um Landfriedensbruch. Es ist objektiv Notwendig, um jemanden wegen Landfriedensbruch verurteilen zu können. Doch bei der Demonstration um den Akademikerball war der Angeklagte nicht bei der Demonstration dabei, die die Gewalttaten in der Innenstadt beging. Das war eine andere Demonstration. Wegen der Gewalttat die er begangen hat, wird er zu verurteilen sein, nicht aber wegen Landfriedensbruchs. Die Rädelsführerschaft vom 17. Mai wurde nur aufgrund von Rufen und einer gehobenen Faust begründet. Das kann nicht sein. Und hier sind wir wieder, wo man den Prozess politisch bezeichnen kann. Denn eine gehobene Faust und Rufe gibt es von vielen Seiten. Dafür darf man nicht verurteilt werden.
Alle Vorwürfe vom 4. Juni haben sich in Luft aufgelöst. Die Aussagen der Zeugen haben sich nicht bestätigt, bei den Aussagen heute hier, haben die Zeugen ihre Aussagen sehr abgeschwächt. Zeuge 4 war sich plötzlich auch nicht mehr sicher, was mit seinem Finger passiert ist. Auch auf dem Video sieht man, er ist im Schwitzkasten, er wird an der Schulter hochgezogen. Er hat nicht unerhebliche Verletzungen erlitten. Es muss hier einen Freispruch geben.“

Letzte Worte, falsche Übersetzung

Hüseyin hat das letzte Wort: „Es tut mir wirklich wahnsinnig leid, dass die Polizistin verletzt wurde. Es tut mir leid, dass ich mich zu diesen Gewalttaten hinreißen ließ.“

Anschließend wird von türkischen Zuhörern aufgeklärt, dass die Übersetzung falsch war. Sie berichtigen: „Es tut ihm leid, falls es bei den Krawallen Verletzte gab. Er möchte ein friedliches Leben, eine Welt ohne Grenzen und ohne Kriege. Es leben Gerechtigkeit und Brüderichkeit.

Die Urteilsverkündung: Schuldig in drei Punkten

Kurz nach 14:00 Uhr erfolgt das Urteil: Schuldig dreier Vergehen—darunter versuchte Verletzung von Beamten, da er mit einer Fahnenstange auf sie einzustechen versucht und Beamte am 17. Mai mit Steinen beworfen habe, sowie Widerstand gegen die Staatsgewalt. Gleichzeitig wurde Hüseyin C. im Anklagepunkt Landfriedensbruch freigesprochen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Hanna auf Twitter: @hhumorlos.