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Eine Anrainerin zeigt, wie man auch auf das Flüchtlingsheim in Liesing reagieren kann

Auf der Gegenveranstaltung zur FPÖ-Demonstration am Montag hat eine Liesingerin eine emotionale Rede für all jene gehalten, die sich nicht vor dem Heim fürchten.

Foto mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Kugler.

Brigitte Kugler ist AHS-Lehrerin und wohnt in der Nähe der Flüchtlingsunterkunft in Liesing. Montagabend hat sie auf der Demonstration gegen die Proteste der FPÖ eine Rede gehalten. Hier das Transkript, mit freundlicher Genehmigung der SLP:

Ich bin vor 24 Jahren mit meinem Mann und meinem acht Monate alten Sohn in den 23. Bezirk gezogen und wohne in der Nähe des Flüchtlingsheimes auf der anderen Seite der Bahnlinie. Kurz nach Weihnachten fand ich an die Postkästen geklebt diesen Flyer, von dem ich zum ersten Mal erfahren habe, dass in der Ziedlergasse Flüchtlinge einziehen werden.

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Und es gibt sogar einen Punkt, wo ich den Verfassern dieses Pamphlets Recht geben muss: Es ist ein Skandal, dass die Bevölkerung im Vorhinein nicht informiert und in die Entscheidung eingebunden wurde. Denn hier leben nicht nur Leute, die sich von der FPÖ gegen Flüchtlinge aufhetzen lassen. Und es ist ein Armutszeugnis der verantwortlichen Politik, die Flüchtlinge in Massenquartieren unterbringt anstatt ihnen Wohnungen zur Verfügung zu stellen.

Aber dafür hätte die Stadt Wien nicht schon vor Jahren ihre Wohnbaumaßnahmen einstellen dürfen. Dafür wäre vorausschauendes Handeln notwendig gewesen, dafür hätte man den Blick etwas weiter in die Zukunft richten müssen als nur bis zur nächsten Wahl.

Stattdessen richten die Verfasser dieses Flyers—sie hatten leider nicht den Mut, ihre Namen darunterzuschreiben—ihren Blick in die Zukunft und spielen Orakel: Sie wissen ganz genau, was passieren wird!

„Der Wert der Wohnungen und Häuser wird schlagartig sinken" steht da. Wunderbar!

Dann kann ich mir vielleicht endlich leisten, meine Mietwohnung in ein Eigentum zu verwandeln, wie es mir seit Jahren zu unzumutbaren Preisen, die immer weiter gestiegen sind, angeboten wird!

„Der Spielplatz in der Tullnertalgasse wird von Asylanten belegt werden" steht da. Wie bitte?

Ich werde euch was sagen, liebe Leute: mein Sohn ist auf diesem Spielplatz groß geworden und er hat dort auf dem Fußballplatz seine ersten Tore geschossen—schon vor 10, 15 Jahren in Eintracht mit kroatischen, türkischen und albanischen Kindern und Jugendlichen: Das waren die Kinder der Flüchtlinge von damals! Ich habe nie erlebt, dass es irgendwelche Probleme gegeben hätte. Und warum? Weil sich niemand eingemischt hat, weil sich niemand als „besorgter Bürger" aufgespielt hat und weil uns die FPÖ damals in Ruhe gelassen hat!

Mein Sohn ist auf diesem Spielplatz groß geworden—schon vor 10, 15 Jahren mit kroatischen, türkischen und albanischen Kindern und Jugendlichen.

„Wollen wir wirklich, dass sich unsere Frauen in der Dunkelheit fürchten müssen?" steht da: Mir gefällt dieser Satz nicht. Mir gefällt das Wort „unsere" nicht. Wir Frauen sind nicht der Besitz der „besorgten Bürger", die solche Pamphlete verfassen! Ja, ich habe Angst in der Dunkelheit—wenn mir betrunkene Wiener auf der Straße entgegenkommen. Seit ich denken kann, habe ich da Angst und ich wechsle die Straßenseite und ich kann mich nicht erinnern, dass mir in so einer Situation irgendein „besorgter Mitbürger" schützend zur Seite gestanden wäre.

Gestern Vormittag bin ich zum ersten Mal zum Flüchtlingsheim in die Ziedlergasse hinuntergegangen, um dort zu fragen, was sie brauchen und welche Sachen man spenden könnte. Als ich den Eingang nicht gleich fand, hat mich ein älterer Herr angesprochen, der dort gerade seine Hunde spazieren führte. Wir kommen so ins Gespräch und er erzählt mir, dass er Anfang letzter Woche im Heim war, und dann schaut er mich an und meint: „Sie haben auch keine Angst, oder?"

Nein, ich habe keine Angst und der ältere Herr, der in der Ziedlergasse seine Hunde spazieren führt, hat auch keine Angst. Und ich stehe hier für alle, die im 23. wohnen und keine Angst haben. Ich fühle mich nicht von der FPÖ vertreten und ich will mich sicher nicht von der FPÖ beschützen lassen!