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Das denken junge Leute aus aller Welt über die österreichische Politik

"Ich habe Mitleid mit dir. Ich hoffe nur, es kommt in meinem Land nie so weit."

Der überraschende Sieg von Norbert Hofer bei der Bundespräsidentenwahl bewegt nicht nur Österreich, auch internationale Medien wie die BBC World News oder die New York Times berichteten groß über den "far right populist". Das Medieninteresse macht nach Jörg Haider, Natascha Kampusch und Conchita Wurst nun wieder ein Rechtspopulisten zum internationalen Gesprächsthema made in Austria.

Das musste auch der Außenpolitik-Chef des Nachrichtenmagazins profil erfahren, der gerade in Zentralafrika weilt. Als er sich mit einem hochrangigen Interviewpartner traf, fragte dieser: "Darf ich die erste Frage stellen? Was ist bei Ihnen zu Hause los?"

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Auch ich wurde von einigen internationalen Freunden auf Facebook angeschrieben; viele hatten eine Meinung zu dieser "unglaublichen" Wahl. Also entschloss ich mich, aktiv nachzufragen, was ausländische Freunde von der österreichischen Politik halten. Die Antworten waren sehr unterschiedlich. Einige Freunde kannten sich gut aus, andere eher weniger ("Ist dieser rechte Typ nicht schon bei einem Autounfall gestorben?"), ein paar waren hämisch ("Verzweifelst du nicht schön langsam in deinem kleinen Land?") und wieder andere hatten keine Ahnung, was ich von ihnen wollte ("Wer ist VICE?", "Cool, sieht aus, als würde sich etwas in deinem Land tun!"). Aber lest lieber selbst.

EMMI, 27, AUS FINNLAND

"In den finnischen Nachrichten stand nichts über eine Wahl in Österreich, wohl aber über eure Verschärfung des Asylgesetzes. Nachdem du mich aber nach der Präsidentenwahl gefragt hast, habe ich mich informiert. Und mein erster Gedanke ist eher ein Gefühl: Ich habe Mitleid mit dir. Wir haben in Finnland eine ähnliche populistische und ausländerfeindliche Partei ("Die wahren Finnen"), die in den letzten beiden Parlaments-Wahlen gut abgeschnitten hat und jetzt in der Regierung sitzt. Ich verfolge die österreichische Politik nicht genau, aber ich glaube, die FPÖ ist schlimmer und eure politische Lage ist extremer als die in Finnland. Ich hoffe nur, es kommt bei uns nie so weit."

Muhammad Rehan, 25, aus Pakistan

"Ich bin selbst Migrant, allerdings wurde ich von einer großen UK-Firma als Facharbeiter angeheuert. Ich habe miterlebt, wie die Politik des westlichen Europas zunehmend ausländerfeindlich wurde. Die aktuelle Entwicklung hat was Gutes und was Schlechtes. Gut ist, dass die Asylwerber den Europäern zeigen, wie groß der Unterschied in der Kommunikation und im Wissenstand ist. Die westlichen Ländern scheitern kläglich daran, zu verstehen, was wirklich in Ländern, aus denen die meisten Migranten kommen, vorgeht. Schlecht an der ausländerfeindlichen Haltung ist, dass sie gut ausgebildete Arbeitskräfte am Eintritt in westliche Länder hindert oder diesen zumindest erschwert. Ohne diese Zuwanderung kann der Westen aufgrund einer immer älter werdenden Bevölkerung seine wirtschaftliche Kraft nicht behalten. Vor allem Österreich ist auf Dienstleistungen angewiesen; die Wirtschaft läuft nur, wenn es entsprechende Arbeitskräfte dafür gibt. Für die geringe Bevölkerung Österreichs ist das eine Herausforderung. Ich finde, die Politik soll Migration thematisieren, aber nicht emotionalisieren, um mit Angst Stimmen aus der Bevölkerung zu gewinnen. Es ist reine Betrügerei, wenn jemand mit Emotionen spielt, die Wahrheit aber weit von der Diskussion entfernt ist."

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LEA, 25, AUS KROATIEN

"Ich war nicht überrascht. In ganz Europa gewinnen Rechtsaußen-Parteien dazu—vor allem in Ländern, in die viele Flüchtlinge strömen. In Österreich dürfte das auch so sein. Ich glaube, das ist allgemein gesehen keine gute Entwicklung. Außerdem macht es die Flüchtlingskrise nicht einfacher, sondern schwieriger."

LUKAS, 23, AUS DEUTSCHLAND

"Mein erster Gedanke war 'Oh Gott!', aber gleich danach kam: 'Typisch Österreich'. Das Land ist politisch ja völlig kaputt. Da sieht man, was passiert, wenn über Jahre hinweg eine Große Koalition regiert, den Diskurs zerstört und die Verquickungen zwischen den Eliten groß sind. Ich denke da zum Beispiel an die indirekte Presseförderung in Form von Regierungsinseraten an wohlwollende Medien.
In vielen Teilen Europas, zum Beispiel in Frankreich oder Deutschland, hat der Rechtspopulismus erst an Fahrt aufgenommen. Österreich ist ein Negativ-Vorreiter und zeigt, wohin der Rest Europas noch driften könnte. Irgendwie passt der FPÖ-Erfolg zum Land, weil Österreich—so ist jedenfalls mein Eindruck—nie richtig mit der Nazi-Zeit aufgeräumt hat. Auch der Nationalstolz ist noch größer als in Deutschland. Ich glaube, das liegt daran, weil sich die Österreicher wegen des Kaiserreichs—gleich wie die Briten mit ihrem Empire—immer noch für enorm wichtig halten, obwohl das null ihrer jetzigen Bedeutung entspricht."

JENNA, 20, AUS ENGLAND

"Ich würde sagen, die österreichische Politik ähnelt der vom Vereinigten Königreich. Das Land wird traditionell von einer der zwei großen Parteien regiert. Aber jetzt kommt eine dritte Partei, die rechter ist als die anderen—wie UKIP in England, deren plötzliche Beliebtheit die Balance der zwei Parteien gefährdet. Im Unterschied zu UKIP hat diese FPÖ aber wirklich die Chance, die Wahl zu gewinnen. Ich glaube, das liegt zum einen an der Flüchtlingskrise und zum anderen an der Islamophobie. Wahrscheinlich fürchten sich die Österreicher vor einem ISIS-Angriff. In Wirklichkeit hilft diese Angst aber nur ISIS dabei, neue islamische Menschen zu radikalisieren."

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MICHIDMA, 20, AUS DER MONGOLEI

"Es tut mir so leid, aber ich weiß leider gar nichts über österreichische Wahlen oder rechte Parteien. Bei uns sind die Wahlen ziemlich dreckig und korrupt. Die meisten Leute sind arm und denken nur daran, wie sie Geld verdienen können, um ihre Rechnungen bezahlen können. Viele glauben auch nicht an das Parlament, weil die Mitglieder oft nicht das machen, was sie versprechen. Aber ich glaube, in Österreich ist das ganz anders. In Österreich und der Schweiz machen die Menschen die richtigen Entscheidungen. Sie sind unabhängig und frei, ihre Gedanken zu äußern. Das ist hier nicht so. Wir müssen noch viel lernen."

SYLVANA, 23, AUS DER SCHWEIZ

"Ich verstehe dieses Wahlergebnis überhaupt nicht. Ich dachte, nach allem, was passiert ist, weiß mittlerweile jeder, dass FPÖ-Politik à la Haider mehr schadet als nützt. Mich erinnert der Erfolg an Donald Trump, der zwar in anderen Dimensionen operiert, aber die gleiche Frage aufwirft: Wie ist das möglich?! Oder auf gut Schweizerdeutsch: Was lauft?! Gleichzeitig haben mich die News etwas traurig gemacht. Die Österreicher werden in der Schweiz geschätzt—umso mehr, wo sie jetzt auch noch Fussball spielen können. Die Österreicher gelten als traditionsbewusst und gleichzeitig weltoffen, bodenständig, gesellig und entspannt. Ich fände es schade, wenn Norbert Hofer in Zukunft dieses Land international vertreten würde, denn er steht für keine der positiven Eigenschaften, die ich an Österreich schätze."

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Jing, 24, aus China

"Ich weiß nicht viel über die österreichische Politik und kann mich derzeit auch nicht einlesen. Ich weiß nur, dass das Land sehr traditionell ist. Die Wahlen bringen offenbar Veränderung in die Gesellschaft. Vielleicht ist das ja eine erfolgreiche Erfahrung, von der andere Länder profitieren können?"

DANAIL, 26, AUS BULGARIEN

"Als ich in den bulgarischen Nachrichten davon erfahren habe, war ich natürlich überrascht. Aber kurz danach realisierte ich, dass das Wahlergebnis Sinn ergibt. Ich kenne mich nicht mit der internen Politik Österreichs aus, aber ich denke an die Entwicklungen der Flüchtlingskrise in Europa. Und Österreich ist ein Land mit einer Schlüsselposition; Flüchtlinge müssen es passieren, um nach Deutschland zu gelangen. Einige Länder wurden in der Flüchtlingskrise allein gelassen. Viele Leute sahen in den nationalistischen Parteien die Bestätigung und Antwort für ihre Befürchtungen. Ich glaube auch, dass Österreich nicht das letzte Land sein wird, in dem Rechtspopulisten dazu gewinnen. Auch in Bulgarien bemerke ich ein Erwachen des Nationalismus. Ich glaube, wenn die EU in der Flüchtlingskrise nicht als Einheit agiert, wird Europa künftig von Rechtsaußen-Parteien regiert werden."

DUDI, 20, AUS GEORGIEN

"Um ehrlich zu sein, weiß ich gar nichts über die österreichischen Politik und die Wahlen. Ich habe auch meine Kollegen an der Uni gefragt, die wussten auch nichts. Aber aus georgischer Sicht wirkt die österreichische Politik so reguliert und friedlich, nicht so wie in Georgien, wo das staatliche Fernsehen oft keine politischen Themen ausstrahlt. Die georgische Politik ist in letzter Zeit so chaotisch. Ich glaube, die Leute hier interessieren sich fast nur für die heimische Politik—vor allem weil im Oktober diesen Jahres Wahlen sind. Aber wenn du willst, kann ich dir viel über die politische Vergangenheit von Österreich erzählen. Darüber habe ich einiges in der Schule gelernt."

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Sandip, 25, aus Indien

"Indien ist riesig. Jeder Staat hat eine andere Kultur und alle Religionen leben friedlich miteinander. Das Land ist überbevölkert und es kommen immer noch Menschen, die wir willkommen heißen. Rechtsaußen-Politik bringt viele Probleme mit sich. In England, wo ich studiere, kann ich mir nicht vorstellen, dass eine extreme Partei so groß wird wie in Österreich."

Erika, 24, aus Schweden

"Ich habe von der Wahl in Österreich gehört—in internationalen und auch in schwedischen Medien. Auch, wenn rechte Parteien in vielen Ländern—unter anderem in Schweden—gerade groß werden, finde ich einen Rechtsaußen-Erfolg, der so groß ist wie in Österreich, beängstigend. Wir haben in Europa noch so viel zu tun, um allen zu ihrem Recht zu verhelfen, die aus Syrien oder Afghanistan fliehen mussten. Umso mehr ist ein Sieg einer Partei, die so offen gegen Migranten auftritt, als ein riesiger Rückschritt zu sehen—nicht nur für Österreich, sondern auch für die EU und die Zusammenarbeit zwischen den Ländern."

Špela, 22, aus Slowenien

"Ich lese keine slowenischen Medien, die sind ein Witz. Aber ein Kumpel hat mir von Österreich erzählt. Hat nicht diese 'Nazi-Partei' dazu gewonnen? Wenn die gewinnen, würde ich das Land verlassen."

Was denken deine Freunde über die österreichische Politik? Erzähl es Christoph auf Twitter: @Schattleitner