FYI.

This story is over 5 years old.

Die längste Wahl der Welt

Die Dämonisierung des Norbert Hofer

Die Dämonisierung der FPÖ hat nie so richtig geklappt—und jetzt erreicht sie langsam ihren Tiefpunkt.

Screenshot via Puls 4.

Im Wahlkampf wollen natürlich alle ihr großes, kritisches Interview mit den Kandidaten—wie kritisch, kommt auf den Kandidaten an. Bei Hofer aber geht's richtig rund. Und so hört man auf ORF, Puls 4, ATV und in quasi sämtlichen Printmedien des Landes dieselben Fragen: Herr Hofer, haben Sie eine Waffe? Wie war das mit Ihrer Burschenschaft? Warum können Sie jetzt auf einmal Bundespräsident werden, sind Sie nicht zu jung? Und würden Sie Faymann als Staatsfeind bezeichnen?

Anzeige

Und natürlich sind das seine Schwachpunkte. Seine Burschenschaft stellt die österreichische Nation in Frage. Das ist schlimm und reiht sich in eine lange Liste rechtsextremer Verbindungen der FPÖ ein. Aber: Er selbst sieht Österreich natürlich als Nation. Schießen tut er auch sehr gerne mit seiner Waffe, weil es ein schöner Sport ist. Er fühlt sich bereit, diese Wahl zu gewinnen. Und Faymann ist sicher „kein Staatsfreund".

Trotzdem wird weitergebohrt. Vor allem die „Pressestunde" mit Hofer im ORF war dafür bezeichnend: Und verstehen Sie die Ängste der Menschen? Und dass Sie sich jetzt Waffen kaufen? Haben Sie die Waffe dabei? Wann hatten Sie sie das letzte Mal dabei? Haben Sie Angst? Das alles heißt nur: Sag jetzt endlich, dass du den Flüchtling abknallen würdest. Dann haben wir unseren Skandal.

Auch ein schönes Beispiel dafür war der verzweifelte Versuch von Rudolf Hundstorfer, den FPÖ-Kandidaten bei den ORF-Zweiergesprächen quasi mit den eigenen Waffen anzugreifen. Ob Norbert Hofer—der wohlgemerkt Dritter Nationalratspräsident ist—denn auch im Parlament die Waffe mithabe, wollte der SPÖ-Kandidat wissen. Dieser plumpe Versuch war politisches Harakiri. Nicht nur Populist oder Nazi, jetzt wird schon die Terrorist-Karte gespielt.

Bei den Zweiergesprächen gab es auch ohne Hofers Anwesenheit Seitenhiebe in seine Richtung. Bei einem Gespräch, in dem Frau Griss zu ihrem Geschichtsverständnis der Nazizeit befragt wurde, fragte Tarek Leitner nach:

Anzeige

„Transferieren wir das vielleicht in die Gegenwart, wenn wir an diesen Gedanken anschließen, den die Frau Griss da gehabt hat: (…) Nämlich, dass man ein schreckliches Regime nicht immer gleich erkennen kann, oder jedenfalls nicht jeder in der Gesellschaft gleich erkennen kann. Würde ich gern wissen: Gibt's das heute auch? Ist das auch ein Gedanke, den Sie übertragen auf aktuelle politische Entwicklungen? Dass es in Europa Parteien gibt, Gruppierungen gibt, die auch nicht möglicherweise in Parlamenten vertreten sind, deren schreckliches Gesicht, deren Fratze oder böses Gesicht man jetzt noch nicht sieht? Denken Sie da an spezielle Parteien? An wen?"

Ja gut, wir wissen eh, wer gemeint ist. Frau Griss hielt fest, dass es diese auch heute gibt—„in Europa", wohlgemerkt. Sie hat also die sinngemäße „Finden Sie nicht auch, dass da ein paar Neonazis dabei sind?"-Frage nicht wie erwünscht beantwortet. Ist aber nicht weiter schlimm—man braucht die Antworten schon gar nicht mehr, da die Fragen dementsprechend rund um eine Dämonisierung des Norbert Hofer aufgebaut werden.

Hat alles nichts genützt. Hofer ist zwar ohne Zweifel einer vom rechten Flügel der FPÖ—er hat ja auch das Parteiprogramm geschrieben. Aber diese Angriffe prallen von ihm ab, und zwar egal, wie oft man fragt. Da kann man nachgraben, so viel man will. Egal, ob man nur die Schlagzeile will oder persönlich verzweifelt nach einer Möglichkeit sucht, Hofer zu entzaubern und seine Wahl zu verhindern.

Anzeige

Und dann kommen natürlich wieder die Aussagen, die wir schon aus den letzten Jahren kennen: Die sind alle rechtsextrem. Nur die Dummen wählen FPÖ. Sowieso alles Lügner. Und Populisten.

Dabei sind populistische Positionen nicht per se schlecht—sondern eben das, was das Volk hören will. Sie sind mehrheitsfähig und einfach. „Das Volk" hat zwar seine Bildung zu einem großen Teil aus der Krone und anderen U-Bahn-Zeitungen und es entscheidet sicher nicht immer rational. Aber nur, weil Hofer dem Volk (teilweise) nach dem Mund redet, heißt das nicht, dass er damit Unrecht hat.

Dass die Türkei nicht zur Europäischen Union gehört beispielsweise. Ein Staat, der mit der Presse- und Meinungsfreiheit so umgeht wie Erdogan, und Krieg gegen eine Minderheit führt, hat nichts mit europäischen Werten zu tun. Auch was Datenschutz angeht, positioniert sich Hofer auf der populistischen Seite: Das Sammeln von Daten gehe zu weit und helfe nicht ausreichend im Kampf gegen den Terrorismus. (Weshalb die FPÖ nun tatsächlich gegen Vorratsdatenspeicherung ist, sei dahingestellt.) Dschihad-Rückkehrern will Hofer dafür die Staatsbürgerschaft entziehen—und verweist dabei ganz richtig darauf, dass man diese auch verliert, wenn man zur Fremdenlegion geht. Mit all diesen Dingen trifft Hofer in populistischer Manier einen Nerv.

Ich will mit diesem Artikel ausdrücklich nicht sagen, dass Norbert Hofer ein guter Kandidat ist. Dafür, dass er von der FPÖ kommt, präsentiert er sich nicht schlecht—aber das ist schon alles. Persönlich würde ich ihn alleine schon wegen seiner Parteizugehörigkeit nicht wählen. Wegen dem permanenten freundlichen Zwinkern an den rechten Rand, wegen der europafeindlichen Haltung, und und und. Aber worauf ich hinaus will, ist, dass es sinnlos ist, einen legitimen Kandidaten zwanghaft zum Scheitern bringen zu wollen. Im Endeffekt hilft das nur Hofer selbst—denn seine Fans fühlen sich dadurch bestätigt. Lügenpresse, halt die Fresse.

Die Dämonisierung der FPÖ hat nie so richtig geklappt—und jetzt erreicht sie langsam ihren Tiefpunkt. Das verzweifelte Suchen nach Angriffsfläche, nach Alternativen und nach Rationalisierungen, wieso das doch alles Idioten sind, bringen einfach nichts mehr. Es wird zum gefühlten hundertsten Mal Zeit, dass wir einen erwachsenen Umgang mit der FPÖ finden. Und ihre Kandidaten behandeln wie alle anderen—hart, aber fair. Alles andere ist lächerlich und bestärkt nur jene, die glauben, dass wir uns gegen sie verschworen haben.

Stefan auf Twitter: @derSchett.