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Diese Frau will sich über Crowdfunding eine Abtreibung finanzieren

Bailey ist 23, liest gerne und geht gerne ins Kino—und sie will auf gar keinen Fall Mutter werden. Wir haben sie gefragt, wie sie den Eingriff kickstarten möchte.

Foto von Baileys GoFundMe-Seite

Crowdfunding hat gerade Konjunktur bei Leuten, die unbedingt Kartoffelsalat machen wollen oder Geld [für ihr blödes Orchester](http://www.theguardian.com/music/2013/jun/22/amanda-palmer-visionary-egotist-interview brauchen) brauchen. Aber manche wenden sich auch aus purer Verzweiflung an die Massen im Internet. So wie Bailey. Bailey braucht eine Abtreibung. Also hat sie sich bei GoFundMe.com angemeldet (Tagline: „Crowdfunding for Everyone!”), um 2500 Dollar zusammen zu kriegen. Wie so gut wie alles, was auch nur im Entferntesten mit Föten zu tun hat, hat die Sache in weniger als einer Woche bemerkenswerte Aufmerksamkeit erregt und wurde für kurze Zeit sogar offline genommen.

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Auf ihrer GoFundMe-Seite, die ursprünglich „Stop Bailey From Breeding Fund” hieß, lesen wir, dass Bailey zur Zeit arbeitslos, pleite, verschuldet und wegen den Auswirkungen einer anstrengenden, ungeplanten und unerwarteten Schwangerschaft arbeitsunfähig sei. Sie sei 23, gerade aus Phoenix, Arizona, nach Chicago gezogen, lese gern, gehe gern auf Konzerte und möchte auf gar keinen Fall Mutter werden.

In der Vergangenheit wurde GoFundMe für so noble Zwecke wie Spenden für die Opfer des Bombenanschlags auf den Boston Marathon oder die OP einer krankhaft übergewichtigen 12-Jährigen genutzt. Etwas kontroverser war da schon die Spendenkampagne für Officer Darren Wilson, der zweifelhafte Berühmtheit erlangte, nachdem er den unbewaffneten, 18-jährigen Mike Brown erschossen hatte. Nach dem Tod des schwarzen Jugendlichen war es in Ferguson, Missouri, zu Protesten gekommen. Man darf also behaupten, dass die Betreiber von GoFundMe kein Problem damit haben, in Kontroversen verwickelt zu werden.

Ich habe Bailey angerufen, um sie nach ihren Abtreibungsplänen zu fragen.

VICE: Hallo Bailey, wie geht’s dir?
Bailey: Ziemlich gut. Und selbst?

Darf ich fragen, wer der Vater ist?
Darf ich nein sagen?

Klar.
Cool.

Entschuldige bitte das Stalken, aber von Facebook weiß ich, dass du mit einem gewissen Lücifer Ryzing zusammen bist, stimmt’s?
Kein Ding. Ich verstehe das. Es gibt eine Menge anderer Leute, die Sachen rausgefunden haben. Leute, die keine guten Absichten haben, die sich reinsteigern. [Lacht.] Aber ja, ich kenne Lücifer schon lange und wir sind ein Paar. Er hat die Kampagne bei GoFundMe ins Leben gerufen. Er ist derjenige, der sich drum kümmert.

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In der wievielten Woche bist du?
Ich war am Dienstag beim Ultraschall. Laut Ultraschall sind es neunzehn Wochen und fünf Tage, aber Ultraschalluntersuchungen können zwischen sieben und zehn Tage danebenliegen. Es könnte also die 19. Woche sein oder auch die 20.

Wieso hast du dich für eine Kampagne auf GoFundMe entschieden, um deine Abtreibung zu finanzieren?
Wir sind pleite und wir brauchen diese Abtreibung dringend. Außerdem nutzen die Leute diese Spendenkampagnen für alles mögliche. Manche wollen eine Platte rausbringen, andere ihre Miete zahlen. Wir haben diesen Typen bei Kickstarter gesehen, der richtig viel Geld für diese Kartoffelsalatgeschichte bekommen hat. Wenn die Menschen etwas spenden wollen, können sie es tun. Das ist viel einfacher als loszuziehen und Leute um Geld zu bitten.

Ich hoffe wirklich, dass die Menschen etwas spenden werden, aber wenn nicht, ist das auch ok. Wenn ich so etwas sehen würde, würde ich mir denken ,Ich möchte ihr helfen, damit sie das Leben führen kann, das sie führen möchte’. Das ist dringender als vieles andere, was du sonst so siehst.

Ich habe gehört, dass die Seite zeitweise offline genommen wurde. Was ist passiert?
Wir haben uns anfangs kleine Belohnungen ausgedacht, weil wir davon ausgegangen sind, dass sich nur unsere Freunde die Seite ansehen. Für 25 Dollar hätte Lücifer z.B. ein Foto bearbeitet. Er kann das richtig gut. Für 25 Dollar hätte er also ein Foto deiner Wahl nach Wunsch bearbeitet. Und für 50 Dollar hätten wir deine Einkäufe gemacht und dich umarmt. Für 100 Dollar hätten wir dein Haus geputzt und dabei nur angehabt, was du willst. Was ja ein Scherz war, den aber einige ernst genommen haben.

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Wir haben viel Aufmerksamkeit bekommen. Leider auch viel negative. Manche haben sich auch an der Sprache gestört. Das wurde dann gemeldet und wegen unangemessenen Inhalts geflaggt. Wir haben die Leute von GoFundMe angeschrieben und gesagt ,Das war ein Scherz! Wir haben nicht mit diesen Reaktionen gerechnet!’. Also hat GoFundMe das runtergenommen und die Seite konnte wieder online gehen. Ich denke, viele Leute dachten, wir meinen das ernst.

Ihr habt viele negative Rückmeldungen bekommen. Wie geht ihr damit um?
Ich habe mit negativen Reaktionen gerechnet. Es gibt Leute, die ein echt großes Mitteilungsbedürfnis haben. Ich war also bis zu einem gewissen Grad darauf vorbereitet, dass mir Hass entgegenschlägt, auch Drohungen. Aber ich war dann doch geschockt. Es gab Augenblicke, in denen ich beinahe Panikattacken hatte oder einfach fassungslos war angesichts der Reaktionen. Wie viele Unterstellungen, wie viele Projektionen, wie wütend es die Leute macht, dass wir so etwas versuchen.

Ich glaube, vieles davon kannst du auf der Fundraiser-Seite sehen, vieles auch auf Facebook, was du sonst nirgends sehen würdest. Threads mit 200 oder 400 hasstriefenden Kommentaren, teilweise auch mit Drohungen. Manche haben damit gedroht, meine persönlichen Daten zu veröffentlichen, meine IP-Adresse nachzuverfolgen, herauszufinden, wo ich wohne, um mir oder Lüci Schaden zufügen zu können. Es gab auf jeden Fall Augenblicke, in denen ich mir dachte ‘Meine Fresse, passiert das wirklich?’.

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Hast du Angst vor dem Eingriff?
Natürlich. Es ist gruselig. Es ist ja eine OP. In Illinois dauert der Eingriff zwei Tage. Und es tut weh, wie jede OP. Aber sie ist absolut notwendig, deswegen mache ich mir eher um die verbliebene Zeit als um die Schmerzen Sorgen.

Laut der Seite sind bei dir schon Komplikationen aufgetreten.
Ja.

Können wir ins Detail gehen?
Es tut einfach verdammt weh. Wie ich schon gesagt habe, ich war beim Ultraschall, aber sonst gehe ich eher nicht zum Arzt. Also weiß ich gar nicht, was mir fehlt. Ich weiß nur, dass es schlimmer ist als alle Regelschmerzen, die ich bisher hatte. Manchmal tut es so weh, dass ich nicht aufstehen kann, dass ich nicht ins Bad gehen kann. Wenn ich huste, fühlt es sich an, als ob meine Organe durch den Reißwolf gedreht würden. Ich dachte erst, es hätte sich etwas verlagert, weil das wohl unfassbar schmerzhaft sein soll, aber das war’s nicht. Ich weiß nicht, ob das ein bestimmtes Krankheitsbild ist, aber es ist echt schwer für mich.

Jetzt muss ich mich nochmals für das Stalken entschuldigen, aber … auf Facebook habe ich gelesen, dass du dir ein Katzenbaby zulegen willst.
[Lacht] Ja, das stimmt schon. Freunde von mir sind gerade in ein Haus gezogen und sie spielen mit dem Gedanken, sich eine Katze anzuschaffen. Also wird es nicht wirklich meine Katze sein. Aber da ich gerade bei diesen Freunden wohne, kann ich so tun, als ob es meine Katze wäre.

Danke für das Gespräch.