Fussball- vs. Wagenplatz: Die Stadt(nomaden)parade

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Fussball- vs. Wagenplatz: Die Stadt(nomaden)parade

Ist der Wagenplatz bedroht, erhebt sich die Fussballstadt Basel selbst gegen neue Fussballplätze.

Die Wagenplatz-Demo versammelte sich am Sonntagnachmittag beim Basler Rathaus. Wieso wird am Bummelsonntag demonstriert? Vor einer Woche wiegelte ein Artikel in der „Schweiz am Sonntag" das alternative Basel auf: Der Wagenplatz an der Uferstrasse soll zwei Fussballplätzen weichen. Die veranschlagten Kosten betragen zwei Millionen Franken. Diese „geniale Idee" ist, was man sich im grün geführten Präsidialdepartement unter einer Zwischennutzung vorstellt. Ja—eine Zwischennutzung: Ab 2017 plant die Basler Regierung eh eine Prestige-Skyline im ärmsten und lebendigsten Quartier der Stadt. „Rheinhattan" (Name vom Hochhausquartier in Köln geklaut) soll es heissen. Geplant sind Glasfront-Wohnungen für 10'000 zahlungskräftige Neubewohner.

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Natürlich würde „Rheinhattan" die Mieten der übrigen Liegenschaften hoch- und die Immobilienspekulation antreiben. Um „Rheinhattan" wurde es in den letzten Monaten still. Trotzdem fühlen sich Quartierbewohner, Stadtnomaden und Aktivisten verarscht, wenn das Präsidialdepartement für zwei Millionen Franken Fussballfelder dorthin stellen will, wo Menschen leben und unregulierte Kreativität zelebriert wird. Würden die Fussballplätze Mitte 2014 gebaut, könnten sie zweieinhalb Jahre stehen bleiben. Das macht dann 66'666 Franken pro Monat. 66'666 Franken für einsame Fussballfelder am Stadtrand!

Die Demonstration war farbig friedlich. Eine einzige schwarze Fahne wurde von bunten Hundertschaften überlagert. Viele Familien, viele Pflanzen. Die Pflanzen wurden in Rund-SMS und Kreideaufrufen gefordert. Pflanzen, um den Wagenplatz weiter zu begrünen! Pfefferminz, Basilikum und Topfpflanzen: Vielseitigere Grünfläche als weiss markierte Fussballplätze. Der farbige Demozug folgte einem DJ-Wagen über die Mittlere Brücke, bog am Claraplatz in die Klybeckstrasse ein, passierte die Feldbergstrasse, (an der so mancher Demonstrant den Samstagsausgang verbracht hat) genoss die Sonne am Rheinufer und erreichte nach fast zwei Stunden den Wagenplatz.

Die Polizei griff nicht ein, obwohl Scharen von Wuschel-Iros zu Offbeat-Sound zeitweise nur 500 Meter von der internationalen Uhren- und Schmuckmesse Basel World entfernt demonstrierten. Seit den Gummischrot-Szenen an der letzten ART ist das auch in Basel nicht mehr selbstverständlich. Auf dem Wagenplatz vergnügten sich die Sonntagsdemonstranten mit Fussball und Tischfussball. Der alte Töggelikasten hat einen Flohmarktwert von maximal 200 Franken und fügt sich problemlos in die Freiraumarchitektur ein. Für Fussballspiele muss der Wagenplatz nicht weg—für Fussballfelder braucht man keinen Stadtentwickler! Der Stadtentwickler sollte „Kulturland" besser nicht als Begriff aus der Landwirtschaft definieren. Im Präsidialdepartement können sie froh sein, wenn sich der Stadtrand selbst begrünt.

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Alle Fotos von Ledwina Siegrist