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Georg Nagel über die Diskriminierung heterosexueller weißer Männer und Andreas Gabalier

Der ehemalige Sprecher von Pegida Wien will er gegen den Werteverfall auf die Straße gehen. Wir haben ihm ein paar Fragen gestellt.
Foto von David Prokop

Georg Immanuel Nagel, ehemaliger Sprecher von Pegida Wien, Abendland-Enthusiast, Geschichte- und Philosophiestudent, Journalist unter anderem bei Zur Zeit und ehemaliger Techno-Produzent und Resident-DJ auf BDSM-Partys, hat nun ein neues Projekt gestartet. „Gegen Dekadenz und Werteverfall" heißt es und am 23. Mai, während des Finales des Eurovision Song Contests in Wien, soll es auf die Straßen gehen. Das Projekt steht „für Familie und Tradition als sinnstiftenden Wert" und „gegen ,gender mainstreaming', Amerikanisierung und staatliche Volksverblödung. " Klingt alles sehr nach den Idealen, die wir auch schon von Pegida gewohnt sind.

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In einer mittlerweile wohl veralteten Biografie von Nagel kann man Dinge lesen, die mit diesen Werten aber nicht ganz zu vereinbaren sind. „He (Georg Nagel) visited every party he heard of and within a month whole Vienna knew him as a freak dressed in black that dances all night long like a machine … He plays marathon sets of eight hours and longer at ease and is known as an inexhaustible party animal," zum Beispiel. Weil ich also wissen wollte, was genau Nagel mit diesem Projekt bezwecken möchte, von welchem Werteverfall er spricht und wie das mit einer solchen Biografie zu vereinbaren ist, habe ich ihm ein paar Fragen gestellt. Ich habe mit vielem gerechnet, nicht aber damit, dass sich Georg Nagel als Opfer von rassistischer Diskriminierung fühlt.

Ein Produkt aus Georg Nagels Techno-Tagen.

VICE: Von welchem Werteverfall spricht du?
Georg Immanuel Nagel: Die Welt der Moderne hat einen schrecklichen Menschen erschaffen. Mit dem Liberalismus kam der Materialismus, und damit die Auflösung aller Moral und Werte. Der moderne Individualismus ist in Wahrheit nichts als Egoismus und führte zur langsamen Zersetzung aller organisch gewachsenen Ordnung, jedweden Haltes und letztlich zum Erlöschen der tieferen Spiritualität, die der Mensch braucht. Stattdessen begann die Zeit der materialistischen Abgötter und der Dekadenz. Der verwestlichte Mensch kennt keine Werte mehr, abstrakte Ideale wie Ehre, Nation oder Glaube sind ihm fremd. Darunter leidet auch das pflanzenhaft vitale, das Natürliche, das Leben.
Die Familie ist kein Ziel mehr, Kinder gelten nur noch als Last. Diese Lücken werden durch allerlei vertierte Selbsterniedrigungen zu füllen versucht, doch das muss notwendig scheitern. Der Mensch ist eben keine Maschine, sondern hat eine Seele und ein inneres Wesen, welches auf Gemeinschaft zu anderen ausgelegt ist. Der vereinsamte, materialistische Mensch der Moderne verliert seine Verortung, er verspürt nicht mehr den kosmischen Takt des Lebens, und somit entwickelt sich in ihm ein metaphysischer Todestrieb. Die Auswirkungen dieser autogenoziden Tendenz sind in unserer Gesellschaft mannigfaltig sichtbar. Im zyklischen Geschichtsbild von Oswald Spengler ist die Dekadenz, eine notwendige Verfallserscheinung, beim Übergang einer vitalen Hochkultur zur mechanischen Zivilisation. Wenn dies so ist, dann kann man diesen seelenlosen, schöpferisch unproduktiven Zerfall vielleicht nicht mehr aufhalten. Mir geht es um das vielleicht verzweifelte, doch umso deutlichere „Ego non!" in dieser mumienhaften Epoche. OK. Wie lässt sich deine jetzige Einstellung mit deiner Techno-Vergangenheit vereinen?
Das eine ist die Techno-Musik, als—zumindest damals noch—hohe Kunst, und eklektische Ausdrucksform der maschinenhaften Daseinsform der urbanen Welt der Moderne. Das ist mir immer noch wichtig, denn diese Musik spricht mir damals wie heute aus der Seele. Techno ist eine spirituelle Erfahrung. Das andere ist die Technoszene. Ich hab bald gemerkt, dass ich einer der Wenigen war, der wirklich wegen der Musik dort ist. Die abgedunkelte Parallelwelt der Clubs ist eine Sphäre des Eskapismus. Freilich war es das auch für mich und ja, auch ich war sicherlich einmal Teil der dekadenten Spaßkultur. Ich war einer dieser typischen Menschen, die in der wertelosen Welt der Moderne verloren waren, die keinen Halt fanden. Wie so viele habe ich nur für das Wochenende gelebt. Party wurde zum Selbstzweck, der Rausch zum Lebensgefühl. Irgendwann lügt man sich das zurecht, als angebliche Freiheit, als Libertinage und Ausdruck von positiver Devianz und Avantgarde. Doch in Wahrheit waren das großteils vergeudete Jahre. Ich bin froh, dass ich mich von diesem typischen Lebensstil meiner Generation distanzieren und zu wahren Werten und tieferen Glauben zurückfinden konnte. Wenn ich mir viele Anschaue, mit denen ich damals unterwegs war, welche jetzt zuweilen gerne über mich ablästern, fühle ich mich bestätigt. Man hat es hier mit erwachsenen Leuten zu tun, die langsam alt werden, jedoch die Party niemals aufgeben wollen. Vielleicht werden sie sich eines Tages, wenn sie zurückblicken, wünschen, sie hätten mehr aus ihrem Leben gemacht, als ständig nur zugekokst auf Afterhours herum zu lungern. Wie wäre deine Idealvorstellung von einem Songcontest? Stört dich der Contest generell oder die Entwicklung seit Conchita Wurst?
Ich würde es begrüßen, wenn solche inhaltslosen Volksverblödungsveranstaltungen nicht mehr vom Staat veranstaltet und gefördert werden würden. Ein solcher reiner Popularitätswettbewerb muss notwendig das Seichteste, Massentauglichste hervorbringen. Und wenn man so etwas international macht, ist das heutzutage eben englischsprachiges Pop-Gedudel. Wenn man wirklich heimische Musiker fördern will, so sollte man eine verpflichtende Quote für österreichische Musik im Radio einführen, wie das in anderen europäischen Ländern bereits der Fall ist. Die gezielte Installation von Herrn Neuwirth, als nationalen Säulenheiligen der realitätsfernen Gender-Ideologie, ist natürlich nur allzu durchschaubar. Ich fand diese Veranstaltung aber immer schon entbehrlich. Vertritt Andreas Gabalier Werte, die für dich anstrebenswert sind? Gabalier hat ja gesagt, dass man es als Mann, der auf Frauen steht, heutzutage schon schwer hat. Haben es weiße heterosexuelle Männer schwerer in der Gesellschaft, weil sie im Gegensatz zu Minderheiten keine Vertreter oder Lobbys haben?
Ich finde es gut, dass Gabalier sich, im Gegensatz zu den meisten populären Musikern, nicht dem Zeitgeist andient, sondern gewisse, im Grunde doch einfache Wahrheiten ausspricht. Die politisch korrekte Ideologie unserer Zeit, die staatlich verordnet ist und in allen Breitenmedien, Schulen und Universitäten mit zivilreligiösem Eifer gepredigt wird, hat ein ganz bestimmtes Hassobjekt. Dieses ist der weiße, deutsche, heterosexuelle Mann. Blöderweise wurde ich so geboren, ich kann also nichts dagegen tun. Offenbar ist es, so dass Menschen wie ich, von Geburt an, ob sie es wollen oder nicht, an allen Schlechten in der Welt schuld sind. Eine angeblich besonders Menschenfreundliche Ideologie verlangt also von mir, dass ich mich für meine Hautfarbe, meinen kulturellen Hintergrund und meine sexuelle Orientierung schämen soll. Das ist doch in sich sehr widersprüchlich und eben im Wesentlichen nichts anderes, als eine rassistische Diskriminierung.

Hanna auf Twitter: @hhumorlos.