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Ich war einen Tag im Zürcher FKK-Paradies

Ein dubioser Hobbyfotograf, der halbnackte Familienmitglieder ablichtet, ein Polizeiwagen und bisexuelle Hundeorgien waren die Highlights meines Aufenthalts in der FKK-Zone.
Titelbild von BArchBot

Nachdem uns letzte Woche dieser Artikel erklärt hat, weshalb FKK-Baden scheisse ist, dachte ich mir: So schlimm wird's wohl nicht sein und hab's ausprobiert. Fast jedenfalls. An der Werdinsel gibt es nämlich einen Flecken Uferland, der für blanke Ärsche und Schwulensex im Gebüsch bekannt ist. Obwohl die Zeitungsartikel darüber schon manches Sommerloch retteten, war noch niemand da, den ich kenne. Und ausprobiert haben es auch die wenigsten.

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Milo Moiré hat mit Nacktheit überhaupt kein Problem

Was kann daran nur so schlimm sein? Sind wir im Vergleich zu unseren Eltern verklemmt und prüde geworden? Oder gibt es heutzutage einfach zu viele Spanner an solchen Orten? Oder zu viele Freaks? Und wo ist der berüchtigte FKK-Platz eigentlich? Mit Badetuch, Lektüre und zwei Hunden im Gepäck (ich war dieses Wochenende Dogsitter) habe ich mich auf die Suche nach diesem sagenumwobenen Ort begeben.

Wo sind die Nackten?

Foto: FYN |Wikipedia | CC BY-SA 3.0

Es ist Sonntag, strahlend schön und so ziemlich jedem, der nicht zuhause vor einem Ventilator sitzt, rinnt der Schweiss aus jeder Körperpore. Dementsprechend vollgestopft sind die regulären Badeplätze der Werdinsel. Ich schlängle mich also mit den beiden Hunden durch die Menschenmasse und blicke um mich—nirgendwo Nackte! Wahrscheinlich sind die irgendwo ganz weit weg, damit die Normalos sich nicht an ihnen aufheitern. Ich nehme intuitiv die nächsten Trampelpfade des Geländes und gehe die Limmat ab, beuge mich über Brücken, um das Ufer abzuchecken—nichts. Fragen wäre einfach, doch mir will der Satz „Wo ist denn hier die FKK-Badezone?" nicht über die Lippen. Also suche ich weiter.

Dann endlich sehe ich auf der gegenüberliegenden Flussseite einen runzligen, rotgebräunten Hintern, da muss ich hin! Ein relativ kleiner ebener Wiesenplatz liegt im Gebüsch eingebettet vor mir. Darauf: ein paar Unbekleidete, aber auch viele mit Badeshorts. Alles Männer. Als ich den Blick umherschweifen lasse, entdecke ich eine Frau (eine Einzige!), die mit Mann oder Freund—oder was auch immer—auf dem Badetuch liegt.

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Die erste Bekanntschaft

Foto: David Shankbone | Wikimedia Commons | CC BY-SA 3.0

Zuerst will ich mich ein bisschen akklimatisieren, denn ich bin ja gerade erst angekommen. Ich lege mich also auf das Tuch und nehme mein Buch zur Hand. In dem Augenblick kommt ein Mann auf mich zu. Ich starre krankhaft auf die Seiten, obwohl sich mir der Sinn des Geschriebenen nicht im Geringsten offenbart. Ich will seinen kleinen, runzligen Schniedelwitz nicht sehen. Doch er geht nicht an mir vorbei, nein, er spricht mich an. Mann, Mitte vierzig, untersetzt, mit nichts an als einem Käppi und dem iPad, das er sich in die Achsel geklemmt hat. Er spricht mich an: „Hallo, ich wollte mich nur rasch vorstellen, ich bin der Dani."

Da man sich nackten Menschen gegenüber nicht weniger respektvoll verhalten sollte als angezogenen (jedenfalls gemäss meinen moralischen Prinzipien), strecke ich ihm die Hand entgegen und stelle mich ebenfalls vor. Er kniet sich nieder und verdeckt mit dem iPad seinen Penis. Er mache sehr gern Fotos, so als Hobby und ob ich den mal Lust hätte, mich von ihm ablichten zu lassen? Fängt ja schon grandios an. Ich sage, dass ich mich vor der Kamera gar nicht wohl fühle und überhaupt hätte ich keine Lust. Da nimmt er sein iPad und fängt an, mir ein paar seiner Fotos zu zeigen. Dabei ist er sehr darauf bedacht, seine Genitalien vor mir zu verbergen.

Die nackte Nichte

Foto: File Upload Bot (Magnus Manske) | Wikimedia Commons | CC BY 2.0

Seine Spezialität scheinen junge, nackte Frauen zu sein. Und die Street Parade. „An diesem Tag sind die Menschen halt einfach so glücklich, nicht? Das sind ganz tolle Momentaufnahmen!" Ich nicke und schiele sehnsüchtig zu meinem Buch. „Das ist meine Nichte", sagt er dann plötzlich und deutet auf ein Mädchen, knapp über 18, mit nichts an als BH und Minirock. Ich glaube, mich verhört zu haben und frage nach: „Deine Nichte??" „Jaja, ist doch schön, wenn man sich das traut!"

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Dann zeigt er mir noch Fotos von seiner Frau, Nigerianerin, aus derselben Stadt wie mein Vater. „Ihr könnt euch doch mal treffen, sie hat nicht so viele Freunde hier." Nein, danke. Ich werde den Typen nicht mehr los. Ab und zu betrachte ich die um mich liegenden nackten Leute, ausnahmslos Männer in ihren Vierzigern, mit kleinem Penis. Ein Typ hinter mir betrachtet mich neugierig und reibt sich den Schniedel. Er lächelt. Ein alter Mann mit Gehstock macht sich auf den Weg ans Ufer. „Der kommt schon seit Jahrzehnten hierher, er gehört fast schon zum Inventar", sagt Dani. Und dass es ihm gesundheitlich immer schlechter gehe.

Ich bin nun eine knappe Stunde hier und trage immer noch alle Kleider am Leib. Da die Sonne einen erschlägt, wage ich es, mich bis auf die Unterwäsche auszuziehen. Aus rein pragmatischen Motiven heraus. Am Rand des Geländes kniet ein Mann in pinkem Poloshirt und Shorts. Ich weiss nicht, ob ich den Umständen entsprechend eine Art Paranoia entwickelt habe, aber ich glaube, er beobachtet mich. Zum Glück hat es aber auch viele Schwule hier, die interessiere ich nicht die Bohne. Und falls doch, dann vor allem wegen meinen Hunden.

Hundeporno

Foto: Cropbot | Wikimedia Commons | CC BY-SA 3.0 DE

Ein Chihuahua verirrt sich regelmässig zu mir und versucht, die beiden Hunde zu besteigen. Bald hat sich eine Menge fremder Hunde um uns versammelt und sich anscheinend auf Gruppensex geeinigt. Es wird bestiegen, beschnuppert, gebellt und geknurrt. Mein Ziel, mich unauffällig unter die Menge zu mischen, ist damit endgültig verpufft. Na gut. Dani erzählt mir, dass er seine Frau hier einmal mit Öl massiert habe und sich ein Mann neben die beiden kniete, um sich einen runterzuholen. „So was macht man doch nicht!" Finde ich auch. Aber ich würde auch nicht meine Nichte halbnackt ablichten.

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Der Dani macht endlich Anstalten zu gehen. Zum Abschluss fragt er mich aber noch, ob ich einen Freund habe. Ich bejahe intuitiv (ich lüge) und er meint: „Kannst ihn ja mal mitnehmen, wäre schön."

Neben mir sitzen drei Männer, ebenfalls mit Hund. Der ist ziemlich aggressiv, jedenfalls in sexueller Hinsicht. Meine Hunde haben langsam genug von den Übergriffen und die Besitzer des Hundes zitieren ihn regelmässig zurück. „Der ist einfach geil, er will ficken!" Die drei sind alle bekleidet, sie tragen Badehosen und T-Shirts. Als ich ihnen sage, dass ihr Hund gerade kein Weibchen, sondern ein Männchen besteigt, kichern sie kollektiv.

Bullen

Foto: FYN | Wikimedia Commons | CC BY-SA 3.0

Langsam beginne ich, mich an die Nackten zu gewöhnen. Dann sehe ich plötzlich einen Kastenwagen im Hintergrund. Die Bullen sind da. Es sind schon zahlreiche Klagen von Leuten, unter anderem Eltern, eingegangen, weil sich regelmässig Badegäste im Gebüsch verirren, um aneinander rumzuspielen. Deshalb ist der „Spitz" in Sommer und Frühling bei der Polizei fast so beliebt wie die Langstrasse.

Der Wagen bleibt kurz stehen, die Insassen beobachten den Platz, dann fahren sie plötzlich weg. Es ist laut Gesetz in der Schweiz jedem erlaubt, sich in der Öffentlichkeit nackt zu zeigen und sogar Sex zu haben, es sei denn, eine Drittperson stört sich daran und erstattet Anzeige. Da sich in der Nähe ein Fussballplatz befindet, auf dem oft Kinder spielen und Zürich-Höngg Wohnquartier ist, kam es schon häufiger vor, dass sich die Anwohner an den Aktivitäten der Homosexuellen sowie der FKKler störten. Es wurde sogar eine Petition der Nachbarschaft eingereicht, um das „Swingerparadies" zu stoppen.

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Je länger ich dort bin, desto mehr füllt sich die Wiese. Plötzlich ist der Grossteil der Badenden angezogen. Ein offizieller FKK-Badeplatz ist das nämlich nicht, kein einziges Schild weist darauf hin, dass man plötzlich mit einer Inflation von Fellationes konfrontiert werden könnte. Im Gegensatz zu den anderen Badeplätzen der Werdinsel hat es viel weniger Leute, es ist beinahe idyllisch leise. Ab und an raschelt es im Gebüsch und ich ertappe mich dabei, wie ich jedes Mal nach einer Sexpraktik Ausschau halte. So schlimm wie in den Medien war mein Tag an der Werdinsel kaum. Trotzdem hatte ich keine Lust, mich nackig zu machen.

Nora auf Twitter: @nora_nova_

Vice Switzerland auf Twitter: @ViceSwitzerland


Titelbild: BArchBot | Wikimedia Commons | CC BY-SA 3.0 DE