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Warum ich meine Sandkastenfreunde nicht lösche, nur weil sie Strache liken

Wie geht man mit Hass-Postings um, wenn sie von den eigenen Freunden kommen?

Die FPÖ im Linz-Wahlkampf. Foto von Florian Voggeneder

Die Frage, wie man am besten mit Hass-Postings und ausländerfeindlichen Scheiß- Kommentaren umgeht, ist generell schwierig zu beantworten. Es gibt verschiedene Möglichkeiten: Man kann Postings melden, Facebook generell kritisieren, mit den Personen öffentlich diskutieren oder ihre Postings mit Kommentaren wie „so dumm" weiter verbreiten.

Noch schwieriger wird es, wenn diese unreflektierten idiotischen Kommentare von deinen eigenen Freunde und Bekannten kommen. Wenn aus anonymen Idioten Sandkastenfreunde, Nachbarn oder Ex-Schulkollegen werden. Und wenn dadurch Postings plötzlich ein Gesicht und Charakter bekommen. Auf einmal wird dir klar, dass diese Menschen keine herzlosen Idioten sein müssen und trotz dem Scheiß, den sie verbreiten, auch liebenswerte Seiten haben können.

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Diesen inneren Disput führe ich seit Jahren mit mir selbst. Meine Freunde huldigen „HC Strache" auf Facebook, gehen zu seiner Clubnacht ins A1, zur Neujahrsrede ins Bierzelt, hetzen auf Facebook über faule Ausländer und die noch schlimmeren Linken. Ihre Einstellung finde ich absolut nicht in Ordnung und verurteile sie sogar. Mir schwirrte auch schon der Gedanke durch den Kopf, sie alle auf Facebook einfach zu entfreunden, damit ich es nicht mehr sehen muss. Wenn ich mich gegen diesen Dreck in meiner Timeline nicht wehre, bin ich dann nicht mitschuldig? Genau das ist doch Zivilcourage, oder?

Gleichzeitig fühle ich mich aber heuchlerisch, wenn ich von anderen Toleranz fordere und selbst andere Meinungen nicht akzeptieren kann. Das meiste sind keine verbotenen Inhalte und auch keine Wiederbetätigung, sondern einfach rechte Gedanken, die leider auch der Meinung eines immer größer werdenden Teils der Österreicher entsprechen. Immerhin hat 2015 auch gezeigt, dass die FPÖ immer mehr Zuspruch bekommt, egal ob in Wels, in Oberösterreich oder in Wien.

Im realen Leben abseits von Facebook und Co. versuchen wir Politik so gut es geht auszuklammern. Kommt beim Vorglühen zum Beispiel doch das Thema Ausländer auf, dann entschärft es meist jemand in der Gruppe und wechselt schnell und unauffällig zu etwas anderem. Oder sie tun mich als die Linkslinke ab, mit der man sowieso nicht diskutieren kann. So oder so ist die Diskussion meist vorbei, bevor sie richtig beginnt. Sie halten mich für linker als ich eigentlich bin und ich halte sie für politisch unreflektiert und dumm, liebe sie aber trotzdem.

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All die Erinnerungen und Erlebnisse, die ich mit ihnen verbinde, haben nichts mit Politik zu tun, sondern mit Freundschaft und dem gemeinsamen Aufwachsen. Unsere Freundschaften entstanden in einer Phase, in der Politik noch keine Rolle spielte. Ich bin mit lauter Burschen in einem Ort in Oberösterreich aufgewachsen und war meist das einzige Mädchen. Sie haben mich immer beim Fußball mitspielen lassen und mich später auch beim Fortgehen mitgenommen. Ich hab mit ihnen meinen ersten Tequila getrunken und sie haben mir danach die Haare gehalten. Ich konnte immer auf sie zählen und verdanke ihnen so einiges.

Unser Selfie von der „blauen Nacht mit HC Strache".Fotovon Florian Voggeneder

Dazu kommt, dass mein erster Freund auch FPÖ-Wähler war. Sein Dad ist Polizist und begleitete Flüchtlinge bei der Abschiebung im Flugzeug. Er wuchs mit einer schlimmen Vorstellung von Ausländern auf. Für mich war die Beziehung im Nachhinein ironischerweise das Beste, das mir passieren konnte.

Hätte ich damals niemandem wiedersprechen und mit niemandem diskutieren müssen, hätte ich mir meine Werte und Einstellungen vermutlich nicht schon mit 15 so genau überlegt. Die Beziehung ging in die Brüche—unter anderem eben, weil wir komplett unterschiedliche Weltanschauungen hatten. Heute weiß ich, dass zumindest die groben Werte im Leben ähnlich sein sollten, damit man zusammen sein kann.

Aber wenn es um meine Sandkastenfreunde aus Oberösterreich geht, mit denen ich nicht das Bett, sondern nur Social Media teile, dann will ich nicht akzeptieren, warum ich sie wegen Strache aufgeben sollte. Unsere Freundschaften waren schließlich auch schon vor Strache da.

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Ich stelle mir häufig die Frage: Kann ich ihre Einstellungen wirklich ausblenden? Oder bin ich eine zu politische Person, die das gar nicht mehr kann, auch wenn sie will? Freunde auf Facebook einfach zu löschen, ergibt für mich jedenfalls überhaupt keinen Sinn. Sie werden ihr Denken dadurch nicht eher reflektieren und ich würde höchstens ihre Ansichten über „diese intoleranten Linkslinken" bestätigen.

Ich glaube, Freundschaften haben eine ziemliche Macht, etwas zu verändern. So wie ich darüber grüble, warum sie auf Strache stehen, denken vermutlich auch sie darüber nach, warum ich es nicht tue.

Für mich heißt Toleranz deswegen nicht, den Mund zu halten, wenn gehetzt wird. Ich werde meinen Mund bei diesen Themen nie halten. Aber ich will zumindest versuchen, grundsätzlich zu akzeptieren, dass jemand auch FPÖ wählen kann und respektvoll mit Fakten argumentieren, warum ich anders denke.

Auch, wenn Heinz-Christian Strache es schafft, sie aufzuhetzen und ihnen das Gefühl zu geben, sie zu verstehen, bleiben sie trotzdem ein Teil meiner Jugend und damit auch von mir. Tolerant zu sein heißt für mich, andere Einstellungen zu akzeptieren (so lange sie legal sind) und zu versuchen, die Ängste dahinter zu erkennen. Darum, liebe FPÖ, geh doch scheißen—meine Freunde überlasse ich dir sicher nicht so einfach.

Eva auf Twitter: @immerwiederEva